Schon wieder November. Aber was heißt schon tot? Ich brauche sie noch. Es waren allzu viele in diesem Jahr. Ich kann sie nicht einfach so gehen lassen. Mag sein, das große Loslassen ist ein korrektes therapeutisches Ziel, und ich halte ja auch niemanden fest, wie auch, aber da sind ihre Bilder, ihre Manuskripte, unsere Briefe, Mails, verdammt viele Mails, unsere Telefonate, Gespräche bis in die Nacht, zusammen gekocht haben wir: Schlaraffenland, nimm’s in die Hand! und immer wenn es zu kalt wurde in diesem deutschen Land, haben wir uns gewärmt und Widerstand geleistet.
Oder wenn’s allzu traurig wurde und das Kriegs- oder Nachkriegskind in uns wieder mal greinte oder der Atem fast schon verging, haben wir uns in den Arm genommen. Ich sag dir, es ist verdammt schön, wenn dich jemand fest hält und bei dir bleibt, wenn die Schatten herauf ziehen. Und dann wieder weich und zart und das Blau vom Himmel gepflückt und den Sommer gerockt bis es November wurde. Jetzt ist es wieder November. Und viel zu viele sind gegangen: Kühle Gräber überall. Ich habe den Freunden nachgerufen. Tue ich heute noch. Sie bleiben ein Teil von mir. Gehen mir nicht verloren. Da sind ihre Farben, Worte, Sätze, die nicht vergehen. Nur friert es mich jetzt öfter. Aber man sagt ja, es sei ohnehin kalt geworden im Land, noch kälter, und frierende Seelen seien derzeit üblich. Ich kann mich nicht daran gewöhnen. Auch nicht im November.