Sie erinnern ihn.
Schreiben ihm nach.
Können ihn nicht vergessen.
Gut so. Mehr geht nicht.
(db)
Willkommen in Gerhard Seyfrieds Welt. In seinem neuen Comic „Zwille“ entwirft der Autor und Zeichner ein weiteres Mal ein kritisch-liebevolles Bild seiner Heimatstadt. Der ist der aus Bayern stammende Wahl-Berliner seit 1976 mit inniger Zuneigung und spätestens seit dem Mauerfall mit immer wieder aufwallender Enttäuschung verbunden. An diesem Donnerstag wird Seyfried 70 – und sein soeben erschienener neuer Comic liest sich ein wenig wie eine als Bilderzählung verfasste Laudatio, die der Jubilar sich gönnt. (Lars von Törne, Tagespiegel)
In den wilden Tagen der Achtundsechziger, so erinnert sich der Satiriker Pit Knorr, habe es nur einen einzigen Mann gegeben, der regelmäßig bei den Versammlungen der revolutionären Weiberräte geduldet worden sei: Gerhard Seyfried. Denn niemand sonst habe sein männliches Ego so hinter die politische Sache zurückgestellt wie der Zeichner aus München. (Andreas Platthaus, FAZ)
Möglicherweise war ich damals auch so ein Teil der Gammler-Szene, die da im Englischen Garten rumsaß, daran erinnere ich mich auf jeden Fall. Ich kann keine richtigen Daten sagen, aber das könnte so um 1967 gewesen sein. Da saßen wir im Café Europa, wenn wir nichts zu tun hatten, an der Leopoldstraße und im Café Europa deswegen, weil da ab und zu Filmleute reingekommen sind, die haben Komparsen gesucht und da gab’s dann einen Hunni für. Und das habe ich vier oder fünf Mal mitgemacht und mir einen Hunni verdient, was damals ordentlich Geld war. Unter anderem war ich einmal für einen der berühmteren Filmemacher Komparse, war in einem Haufen von etwa hundert empörten Bauern mit Mistgabeln (lacht),… weil, es ging auch um lange Haare damals. (Seyfried talks to Feelgood)
„Zeichnen war immer Protest“, sagt Seyfried. Der Künstler erinnert sich, wie seine Comics auf Flugblättern in Universitäten nachgedruckt worden seien. Genug Material dafür gab es: Mit den Comicbänden „Freakadellen und Bulletten“, „Invasion aus dem All-Tag“ und „Das schwarze Imperium“ wurde Seyfried zum kritischen, aber stets humorvollen Gesicht der linken Szene. (Jasper Riemann, Berliner Zeitung)
Mein Umfeld war in der ganz linken Zeit fast auschließlich anarchistisch. Da ging’s schon mal ein bißchen lockerer zu. Wir sind natürlich auch als „Verräter“ und „Hippies“ beschimpft worden und als „Spinner“, aber das hat uns nichts ausgemacht. Das liegt eben in der Art des Anarchisten (lacht), dass er mit der Schulter zuckt und grinst (lacht) – ich kenn das. Aber ideologische Zwänge sind nicht nur in der Linken da. Ob da nun blanke Spießer sind oder Nazis oder Jung-CDUler , diese Zwänge sind überall da. (Seyfried talks to Feelgood)
Zwei Jahrzehnte ist es nun her, dass Seyfrieds anarchistische Figur Zwille das letzte Mal in einen Comic erschien. Stattdessen schrieb Seyfried historische Romane, feierte den Hanf, illustrierte u.a. eine Ausgabe von Per Anhalter durch die Galaxis und erkundete Schilderwelten. Nach Protest seiner Figur Zwille persönlich erscheint nun zum 70. Geburtstag ein neuer Comic, in dem sich Seyfried mit der von „Graphic Novels“ bedrohten Comic-Kultur auseinandersetzt – nach Art des Hauses mit anspruchsvollen Graphiken, originellen Wortspielen und reichlich Selbstironie. (Markus Kompa,Telepolis)
…Jawohl, es ist das Potpourri/zu Gerhard Seyfrieds Ehren,/die adäquate Symphonie,/ein amtlich-spätes Halali, des Zeichners Ruf zu mehren.//Da teile ich doch gern den Dank,/der Bullen und Gendarmen,/erhebe den Geburtstagstrank,/und sicher kommt auch mancher Punk,/den Meister zu umarmen. (Reinhard Umbach, taz)
Was bleibt? Die drei großen Fragen der Menschheit.: Wer bin ich? Welches Jahr haben wir heute? und Wo sind meine Unterhosen?,…aber das ist Douglas Adams! (lacht) Das Beste, was ich sagen kann, dass ich mich immer habe treiben lassen, alles, was mir zugestoßen ist, ist Zufall. Ansonsten will ich arbeiten solange es geht. An etwas anderes denke ich gar nicht. Mit dem Alter habe ich natürlich viel Ballast über Bord geworfen, muss nicht mehr Griechisch lernen, brauche nicht zum Religionsunterricht, all der Käse (lacht). Man wird halt ein bißchen klüger, aber nicht sehr. Da warne ich vor Überschätzung. (Seyfried talks to Feelgood)