Ich kenne das Kind nicht, aber es trägt vielleicht einen Ringelpullover, kurze Lederhosen und lebt mit seiner Mutter in einem Plattenbau am Rande der Stadt. Die kleine Wohnung hat Fenster, aus denen man hinausschauen kann. Manchmal wacht das Kind des Nachts auf, zittert und spürt, daß es hier am Rande kälter ist als anderswo. Immer dann nimmt die Mutter es in den Arm und tröstet das Kind ein wenig. Doch es stimmt schon: wer am Rand lebt, wird nicht von der Zentrale beheizt und hat stets seine Würde in einer Plastiktüte bei sich zu tragen, weil sie vielleicht noch einmal gebraucht wird. Das Kind lebt schon lange am Rand. Und kein Tag wird ihm geschenkt.
Illustration: Joern Schlund