vonDetlef Berentzen 03.08.2018

Dr. Feelgood

Detlef Berentzen, Ex-tazler, Autor für Funk und Print, verbreitete hier „News“ der anderen Art. Gute zum Beispiel. Machte die Welt hör-und lesbar.

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Der ORF setzt eine Sendung über Rassismus ab?…Insgesamt passt’s ins Bild der neuen Variante des wieder auflebenden Metternichschen Polizeistaats, den die aktuelle Regierung zu schätzen weiß. Solche Traditionen sind in den habsburgischen Nachfolgestaaten Österreich und Ungarn äußerst langlebig. (Michael Schmid)
Unter dem Hashtag #MeTwo werden im Internet derzeit Erfahrungen mit Alltagsrassismus diskutiert. Eine Doku, die sich mit Rassismus in Wien beschäftigt, wurde unterdessen vom ORF kurzfristig aus dem Programm genommen, wie „Der Standard“ und „Die Presse“ am Donnerstag berichten. „Schwarz in Wien“ war von Teddy Podgorski jun. für die ORF-Sendung „Österreich-Bild“ gedreht worden. Die 25-minütige Doku, die ursprünglich für den 5. August eingeplant war, soll nun überarbeitet werden, wie der ORF gegenüber den beiden Zeitungen verlauten ließ. (Wiener Zeitung)

„Schwarz in Wien – Von Soliman bis Alaba“ ist als Sendung über das Leben schwarzer Wiener konzipiert. Zu Wort seien „eloquente, kluge und reflektierte Wienerinnen und Wiener“ gekommen, die darüber sprechen, „wie nichtschwarze Menschen mit ihnen in Wien umgehen“, so Podgorski laut „Standard“. Die Doku sei vom zuständigen Redakteur „mit großer Begeisterung abgenommen worden“, zeigte sich der Regisseur verwundert. Danach sei sie „ohne nähere inhaltliche Begründung“ aus dem Programm gestrichen worden. (Kurier, Wien)

Als Begründung führt der ORF an, dass der Film „technisch, formal und inhaltlich nicht dem beauftragten Konzept entsprochen“ habe. Das ist sehr schade – für den ORF und für seine Zuschauer. Vor allem für jene Zuschauer, die Teil der „gesellschaftlichen, regionalen, ethnischen, religiösen und kulturellen Vielfalt“ sind, die im ORF-Leitbild angeführt wird. In der abgelehnten Doku kommen, laut den enttäuschten Gestaltern, ausschließlich schwarze Wiener und Wienerinnen zu Wort. Sie sprechen über ihre Erfahrung mit direkter, subtiler, aber auch oft einfach aus Unwissenheit entstandener Diskriminierung. Diese Perspektive ist im ORF, und in den österreichischen Medien im Allgemeinen, eine Seltenheit. In der Regel wird über Migranten, über Menschen mit nichtweißer Hautfarbe und über religiöse Minderheiten geredet – aber sehr selten mit ihnen. Noch seltener räumt man ihnen prominente Sendeplätze ein. (Der Standard, Wien)

„Die abgelieferte Doku hat technisch, formal und inhaltlich nicht dem beauftragten Konzept entsprochen“, teilte das Landesstudio auf Anfrage der „Presse“ mit. Der Sendetermin sei daher bei der Sendungsabnahme verschoben worden, „der Gestalter wird mit einer Überarbeitung beauftragt“. Davon habe man ihm wiederum nichts mitgeteilt, sagt Podgorski. Er bekräftigt auch, dass sein Film sehr wohl redaktionell abgenommen worden wäre – und bedauert, dass „sechs sehr eloquente schwarze Menschen“, die in seinem Film zu Wort kommen, aus dem ORF „rausgehaut“ würden. Für die „Österreich-Bild“-Ausgabe am Sonntag ist nun jedenfalls ein anderer Beitrag eingeplant – über den Wiener Heurigen. (Die Presse, Wien)

„Zur Entscheidung des ORF-Landesstudios Wien, die von ihm beauftragte Dokumentation ‚Schwarz in Wien – Von Soliman bis Alaba‘ nicht am ursprünglich geplanten Sendeplatz im Rahmen der Reihe ‚Österreich-Bild‘ auszustrahlen, da der Film nicht zur Anmutung und Bildsprache der Programmleiste passt, hält der ORF fest, dass die Produktion natürlich gesendet wird. Es wird geprüft, welcher Sendeplatz für den Film passend ist, um ihn innerhalb der nächsten Wochen zur Ausstrahlung zu bringen. Dieser Termin wird zeitnah bekanntgegeben.“ (ORF)

„Ist es ein Ertappt-fühlen und die Verweigerung der Reflexion über den eigenen Rassismus? Oder ist es Angst vor der Meinung der Zuseher, die ‚besorgte Bürger‘ sein könnten? Oder geht es doch gar um die Angst vor Konsequenzen aus der Politik – besonders, weil die Regierung angeblich daran feilt, den ORF zu schwächen oder ihn zu ‚unterwandern‘?„, fragte Vanessa Spanbauer, die in der Doku nicht nur zu Wort kommt, sondern auch als Mitarbeiterin wirkte, in ihrem Blog. Podgorski jedenfalls ist froh, dass die Doku nun doch noch im ORF-Programm landen soll. ( Die Presse)

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