Lieber Detlef,
wenn du Wien halbwegs gefahrlos besuchen willst, dann solltest du dich beeilen. Denn die österreichische Regierung will eine „Sicherungshaft“ einführen. Tatsächlich: Sicherungshaft! Die Nazis sprachen noch von „Schutzhaft“, wenn sie missliebige Personen ohne konkreten Anlass oder gar ohne den Nachweis einer Straftat ein bisserl einsperren wollten. Wir bekommen das jetzt auch.
Warum? Nun, in Vorarlberg hat unlängst ein türkischer Asylwerber aus Wut über die seiner Ansicht nach verzögerte Auszahlung seiner Grundversorgung den Leiter des Arbeitsamtes erstochen. Die Geschichte ist deswegen besonders heikel, weil dieser Asylwerber schon einmal des Landes verwiesen worden und mit einem Aufenthaltsverbot belegt worden war. Er kehrte jedoch nach Österreich zurück und konnte hier einen Asylantrag mit der Begründung stellen, er werde als Kurde in der Türkei verfolgt. Als Asylwerber kam er dann wieder automatisch in die Grundversorgung. Mit tödlichen Folgen.
Nun könnte man darüber debattieren, ob die Behörden den Mann nach seiner Rückkehr – ungeachtet seines Asylantrages – wegen des bestehenden Aufenthaltsverbotes nicht umgehend hätten in Schubhaft nehmen können. Oder müssen. Hätten sie, sagen Fachleute. Haben die Behörden aber nicht. Und eine Debatte über deren Versagen kann der für die Sicherheit des Landes zuständige Innenminister Kickl (ja, der FPÖ-Mann mit der Polizeikavallerie!) nun gar nicht brauchen. Dann müsste man ja auch darüber sprechen, ob er seinen Job gut macht. Also lenkt er ab und greift lieber zur ganz großen Law-and-order-Keule: Einsperren nach Gutdünken. Das will er.
Zu Kickls Bedauern ist das willkürliche Einsperren aber aktuell nicht möglich. „Eine ‚Sicherungshaft‘ gibt die derzeitige Rechtslage, vor allem das Bundesverfassungsgesetz über den Schutz der persönlichen Freiheit, nicht her“, das gibt sogar Kickl zu. Daher will er schleunigst eine Verfassungsänderung für das legale Einsperren auf Basis einer sogenannten „Gefährdungsprognose“. Diese würde von Beamten des Ministeriums erstellt. Kickl denkt da an Internet-Recherchen. Vorerst noch in Sachen AsylbewerberInnen.
Doch ist die Büchse der Pandora einmal geöffnet, gibt es so bald kein Zurück mehr. Schon gar nicht, wenn die Autoritären an den Hebeln der Macht sitzen. Wir kennen das. Von den AsylwerberInnen über die AusländerInnen zu den RegimekritikerInnen sind’s nur wenige Schritte. Die Verfassung würde dann ja schon an die elenden Wünsche des Ministers angepasst sein. Wie sagte dieser noch unlängst in einem Interview: „Ich glaube immer noch, dass das Recht der Politik zu folgen hat und nicht Politik dem Recht.“ Und noch einmal: Es ist doch einigermaßen brisant, dass über die sogenannte Sicherungshaft weisungsgebundene Beamte des Kickl-Ministeriums entscheiden sollen und nicht unabhängige Gerichte wie bei der Untersuchungshaft. Oha!
Stell dir einfach vor, du möchtest ein Radio-Feature über die Ursachen und Folgen paranoider Politik machen. Dazu willst du vielleicht auch auf den Spuren eines Analytikers wie Sigmund Freud wandeln. In Wien. Könnte sein, dass du dich da sehr schnell in der Gefängnisbibliothek des hiesigen Landesgerichts wiederfindest. Also komm lieber, bevor Kickls Wünsche wahr werden.
Auf bald
M