vonMesut Bayraktar 29.10.2020

Stil-Bruch

Blog über Literatur, Theater, Philosophie im AnBruch, DurchBruch, UmBruch.

Mehr über diesen Blog

Der 25. Oktober 2020 wird in die Geschichtsbücher eingehen. Am 11. September 1973 wurde der gewählte sozialistische Präsident Chiles, Salvador Allende, von rechten Militärs, angeführt vom General Augusto Pinochet, mit Unterstützung der USA im Wege eines Putschs gestürzt und Allende beging, nach offiziellen Angaben, Selbstmord. Anschließend folgte eine Militärdiktatur von 1973 bis 1990.

Tausende Regimegegner wurden inhaftiert, brutal gefoltert und ermordet. Das Fußballstadion Estadio Nacional etwa wurde zu einem Konzentrationslager umfunktioniert und das ganze Land wurde Milton Friedman und seinen marktradikalen „Chicago Boys“ als Experimentierfeld überlassen, die es prototypisch den Mächtigen zum Fraß warfen. Sie gaben das Startsignal dafür, dass anschließend nach demselben Modell, das in Chile installiert wurde, die Völker aller Kontinente bis heute dem neoliberalen Umbau des Kapitalismus unterzogen werden.

Gegen dieses System des sozialen Massakers hat sich in Chile vor etwa einem Jahr ein landesweiter Aufstand entzündet, ausgehend von der Erhöhung der U-Bahn-Fahrpreise. Nun hat er mit einer überwältigenden Mehrheit zur Ausarbeitung einer neuen Verfassung und gegen das Erbe der Diktatur geführt. Zudem hat das chilenische Volk sich mit ebenso überwältigender Mehrheit dafür entschieden, dass der Text der neuen Verfassung von einem konventionellen Verfassungskonvent erarbeitet werden soll: 155 Mitglieder, je zur Hälfte aus Männern und Frauen, also nicht aus Vertretern politischer Parteien. Das Volk Chiles hat beschlossen, sein Land aus den Händen von Räubern, Ausbeutern und Blutsaugern zurückzuobern. Ob es gelingen wird, hängt davon ab, ob die Chilenen den Kampf fortsetzen und ihre Macht auf den Straßen beibehalten – trotz der nicht nur durch Corona schwierigen Bedingungen.

In Chile ist ein Aufbruch, der den Anfang vom Ende einer Epoche der Erniedrigung und Beleidigung einleitet. Ob Europa die Signale vernehmen und aus seinem langen Konsumschlaf erwachen wird, bleibt vorerst offen. Das internationale Signal der Chilenen lautet jedenfalls: „El pueblo unido, jamas sera vencido.“ Chile schreibt Geschichte.

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/stilbruch/2020/10/29/chile-ein-aufbruch-in-die-richtige-richtung/

aktuell auf taz.de

kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert