Im Medienmagazin von RadioEins hat Moderator Jörg Wagner mit taz-Chefredakteurin Ines Pohl über die jüngste BILD-Anzeige in der taz gesprochen. Wir dokumentieren hier den entsprechenden Auszug aus dem längeren Interview (Download als mp3), in dem es zuvor um Zynismus in Medien ging:
Jörg Wagner: … Und als hätte man noch ein Beispiel gebraucht, hat die BILD-Zeitung in der taz eine Anzeige geschaltet mit einem geklauten Text von Judith Holofernes von „Wir sind Helden“. Ist das nicht auch zynisch, dass man zum Streikbrecher wird als taz?
Ines Pohl: Streikbrecher verstehe ich nicht, warum Streikbrecher?
Jörg Wagner: Na ja, in diesem Text wird ja eindeutig klar, dass Judith Holofernes eine Werbekampagne ausschließt für die BILD-Zeitung. Dieser Text wurde als Werbeanzeige geschaltet und ihre eigene Haltung wird damit paralysiert. Das ist wie wenn man streikt und dann gehen doch Arbeiter ins Werktor. Die Botschaft ist: Du kannst sagen, was Du willst, Du wirst – unabhängig von Deinem Willen – eingespannt für eine Werbekampagne. Und da hat die taz mitgeholfen.
Ines Pohl: Nein, ich sehe das ganz anders. Zum einen vorweggeschickt: In der taz ist wie in jedem anderen ordentlichen Zeitungshaus eine strikte Trennung zwischen Redaktion und Anzeigen. Die Redaktion verfügt gar nicht über die Hoheit, zu entscheiden, ob eine Anzeige erscheint oder nicht, wenn die Anzeige – das ist im Redaktionsstatut der taz festgeschrieben – nicht rassistisch, sexistisch oder kriegsverherrlichend ist. Diese Kritierien treffen bei der Anzeige nicht zu. Deshalb liegt die Verantwortung für das Schalten dieser Anzeige wirklich in der Verantwortung des Verlages. Zum Inhalt der Anzeige muss man sagen: Der Brief von Holofernes war ja in der Öffentlichkeit. Es ist nicht so, dass da urheberrechtliche Grenzen meiner Meinung nach überschritten wurden. Sie hat den selber ins Internet gestellt, er wurde zehntausenfach geklickt, es ist ein Supertext. Ich kann natürlich auch sagen, sie hat dadurch noch eine ganz andere Aufmerksamkeit gekriegt, dass die BILD-Zeitung dafür gezahlt hat, dass der ganze Text auf einer ganzen Seite abgedruckt wird. Ich verstehe es schon, dass man es kritisieren mag, dass es der BILD-Zeitung darüber gelingt, über diese Finte, dass sie sagt: Danke, dass Sie sogar unbezahlt Werbung machen – dass man das kritisiert. Aber nochmal: Das liegt in der Verantwortung des Verlages und so belassen wir das auch. Und was wir auch gemacht haben, und das haben die aufmerksamen taz-LeserInnen gesehen: Wir haben auf einer ganzen Seite ein Interview mit ihr abgedruckt, wo sie nochmal diesen Brief erklärt, aber auch konkret Stellungt beziehen kann und auch die Anzeigenschaltung kritisiert. Da sind wir transparent. Das (die BILD-Anzeige, d. Red.) ist auch durchaus im Haus umstritten: Es ist nicht so, dass alle Kolleginnen und Kollegen das richtig finden. Aber wenn wir immer nach der Meinung des Hauses gehen – das darf ich hier auch sagen, so transparent sind wir – hätten wir gar keine Anzeigen. Und ich persönlich bin froh, dass Anzeigen ein bisschen Geld in den Säckel spülen, weil wir sind immer knapp bei Kasse. wir werden von dieser BILD-Anzeige ungefähr 10.000 Euro übrig behalten, davon kann ich vier, fünf, sechs wichtige Recherchen finanzieren und insofern geht die Rechnung für uns auf.
Jörg Wagner: Also ist das tatsächlich eine Bestätigung des alten Spruchs: Jeder hat seinen Preis? Auch die taz?
Ines Pohl: Richtig ist, dass der Platz in der taz – im Printprodukt wie auf der Online-Seite – seinen Preis hat. Ja, den kann man kaufen, um Anzeigen zu schalten.
Jörg Wagner: Auch wenn er – und das wäre jetzt mein Vorwurf – persönlichkeitsrechtsverletzend ist, weil offenbar – und das kam ja in dem taz-Interview mit Judith Holofernes raus – sie sich wundert, dass die taz da mitmacht. Das ist noch etwas anderes als eine Vervielfältigung des Textes. Hier wird geworben, ausdrücklich geworben, mit einem Text, in dem sie sagt: Sie möchte nicht, dass mit ihr geworben wird.
Ines Pohl: Das ist diese Brechung, das hat schon fast etwas Masochistisches, richtig. Das muss sie klären, im Zweifelsfall kann sie gegen den Springer-Verlag klagen. Sie hat begründet, warum sie das nicht macht. Aber nochmal: Das ist Entscheidung des Verlages und nicht der Redaktion, da müssten Sie mit unserem Verlagsleiter sprechen. Und ich mache mir da nicht nur einen schlanken Fuß: Ich finde es richtig. Ich finde es auch ganz wichtig, dass Redaktion und Anzeigen getrennt sind. Wir fordern das immer ein, wir bekritteln in ganz vielen anderen Verlagen, dass das nicht der Fall ist. Dass jemand sagen kann: Ein Atomkonzern schaltet in Ihrer Zeitung für eine Million über das Jahr verteilt Anzeigen, wenn Ihre Redaktion entsprechend berichtet. Das läuft in der taz so nicht. Herr Ruch, unser Geschäftsführer, hat uns null in Inhalte reinzuregieren und genausowenig habe ich als Chefredakteurin bei seiner Entscheidung, was das Schalten von Anzeigen angeht, mitzusprechen. Und das mag im Einzelfall schmerzvoll sein, aber das ist gut so und dazu stehe ich hundertprozentig. Weil nur diese klare Trennung garantiert langfristig unsere journalistische Unabhängigkeit.
Siehe auch
– Was der Vorstandsvorsitzende der Axel Springer AG zu der Anzeige sagt
– Judith Holofernes spricht im “Kölner Treff” des WDR mit Bettina Böttinger über die BILD-Zeitung
– Judith Holofernes spricht in den Interviews mit der taz und der österreichischen Presse über die BILD-Anzeige.
– Das komplette RadioEins Medienmagazin von Samstag u.a. mit Hajo Schumacher und Dieter Wonka.