Gliederung:
- Dellingers Reaktion auf die Appeals Court-Entscheidung
- Der rechtsmittel-gerichtliche Maßstab für die Prüfung der Aussetzung einer Entscheidung eines unteren Gerichts
- Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache / Exekutivgewalt = (unbegrenzte) Entlassungskompetenz?
- Letzte Erfolge in fremder Sache: Dellinger erwirkte vorläufige Weiterbeschäftigung von ebenfalls Entlassenen
Der offizielle Titel des Amtes von Dellinger ist „The Special Counsel of the Office of Special Counsel“; Aufgabe seiner Behörde ist u.a., „to provide support for whistleblowers and isn’t related to the prosecutions of Trump during Biden’s presidency by a lawyer with a similar title“ [bloomberg.com vom 19.02.2025; vgl. auch Washington Post vom 01.03.2025; genauer: 5 USC 1213 (a) und (h)].
Am Freitag, den 7. Februar wurde der aktuelle Special Counsel, Hampton Dellinger, ohne Angabe von Gründen entlassen; einfach-gesetzlich ist aber bestimmt: „The Special Counsel may be removed by the President only for inefficiency, neglect of duty, or malfeasance in office.“ [5 USC 1211 (b) – vorletzter Satz]
In der Entlassungs-mail wurden aber gar keine Gründe für die Entlassung genannt; deshalb und da er die einfach-gesetzliche Regelung für verfassungsgemäß hält, hatte der District Court für den District of Columbia am Samstag im Sinne von Dellinger, der sich vor Gericht gegen seine Entlassung wehrt, entschieden. Die Trump-Regierung hatte dagegen die Auffassung vertreten, die einfach-gesetzliche Norm sei verfassungswidrig, da sie die präsidialen Kompetenzen unzulässig beschränke. Ob sich letzterer Auffassung der Appeals Court angeschlossen ist unklar; in der 2-seitigen Entscheidung des Rechtsmittelgerichts heißt es nur, die „strengen Anforderungen“, die an die Aussetzung der Entscheidung des District Court zu richten seien, seien vorliegend erfüllt.
Dellingers Reaktion auf die Appeals Court-Entscheidung
Zwar hatte der Appeals Court angekündigt: „An opinion“ – das heißt eine ausführlichere Entscheidungsbegründung – „will follow in due course.“ Aber noch bevor diese veröffentlicht wurde, hat Dellinger seinerseits eine Erklärung veröffentlicht, daß er den Rechtsstreit beendete. Allein schon durch seine vorläufige Entfernung aus Amt, ohne daß die Regierung einen der im Gesetz genannten Gründen auch nur behauptet (geschweige denn dessen Vorliegen bewiesen) hätte, sei die Unabhängigkeit des Amtes beschädigt:
„My fight to stay on the job was not for me, but rather for the ideal that OSC should be as Congress intended: an independent watchdog and a safe, trustworthy place for whistleblowers to report wrongdoing and be protected from retaliation. I think the circuit judges erred badly because their willingness to sign off on my ouster – even if presented as possibly temporary – immediately erases the independence Congress provided for my position, a vital protection that has been accepted as lawful for nearly fifty years. Until now. […]. Meanwhile [Bis zu einer etwaigen Supreme Court-Entscheidung], the harm to the agency and those who rely on it caused by a Special Counsel who is not independent could be immediate, grievous, and, I fear, uncorrectable.“
(https://s3.documentcloud.org/documents/25553482/dellingerstatement030625.pdf via https://www.politico.com/news/2025/03/06/federal-workforce-watchdog-who-was-fired-by-trump-drops-legal-fight-to-get-his-job-back-00215891)
Der rechtsmittel-gerichtliche Maßstab für die Prüfung der Aussetzung einer Entscheidung eines unteren Gerichts
Zurück zu der knappen Appeals Courts-Begründung: Im Zusammenhang mit den „strengen Anforderungen“ verwies der Appeals Court in seiner Entscheidung auf die Entscheidung des US-Supreme Court Nken vs. Holder, 556 U.S. 418, 434 aus dem Jahre 2009 und das D.C. Circuit Handbook of Practice and Internal Procedures 33 (2024).
In der Nken-Entscheidung war folgender Prüfungsmaßstab als richtig postuliert worden:
„‚(1) whether the stay applicant has made a strong showing that he is likely to succeed on the merits; (2) whether the applicant will be irreparably injured absent a stay; (3) whether issuance of the stay will substantially injure the other parties interested in the proceeding; and (4) where the public interest lies.‘ Hilton, supra [Hilton et al. v. Braunskill, 481 U.S. 770], at 7761. There is substantial overlap between these and the factors governing preliminary injunctions, see Winter v. Natural Resources Defense Council, Inc., 555 U. S. 7, 242 (2008); not because the two are one and the same, but because similar concerns arise whenever a court order may allow or disallow anticipated action before the legality of that action has been conclusively determined.“
(https://tile.loc.gov/storage-services/service/ll/usrep/usrep556/usrep556418/usrep556418.pdf, S. 17 der Datei)
„[P]reliminary injunctions“ sind gerichtliche Verfügungen mit denen das, über was die Parteien in der Hauptsache streiten (vorliegend also die Entlassung Dellingers), (in der Regel bis zur Hauptsache-Entscheidung) vorläufig außer Vollzug gesetzt wird. Vorliegend ist zu beachten, daß es durch den Erfolg Dellingers in der ersten Instanz quasi zu einem Rollentausch und folglich zu einem Wechsel der Darlegungslast kam: Zunächst mußte Dellinger für die preliminary injunctions darlegen, daß deren Voraussetzungen gegeben seien; jetzt mußte die Regierung darlegen, daß die Voraussetzungen für den stay gegeben seien.
In dem vom Appeals Court genannte Handbook of Practice and Internal Procedures heißt es auf S. 33 unten der gedruckten bzw. S. 41 unten der digitalen Seitenzählung:
„The motion for stay or for emergency relief must specifically discuss four factors: (1) the likelihood that the moving party will prevail on the merits; (2) the prospect of irreparable injury to the moving party if relief is withheld; (3) the possibility of substantial harm to other parties if relief is granted; and (4) the public interest. See Washington Metropolitan Area Transit Comm’n v. Holiday Tours, Inc., 559 F.2d 841 (D.C. Cir. 1977); Virginia Petroleum Jobbers Ass’n v. Federal Power Comm’n, 259 F.2d 921 (D.C. Cir. 1958).“
Die erstgenannte der beiden Entscheidungen gibt es dort:
https://casetext.com/case/washington-metro-area-etc-v-holiday-tours; die andere scheint nicht bzw. jedenfalls nicht freizugänglich im Internet vorhanden zu sein.
Nicht geklärt ist, ob alle vier Kriterien gleichzeitig erfüllt sein müssen oder ob bei eindeutigem Vorliegen einiger Kriterien andere fraglich bleiben können. Zumindest theoretisch kommt also – bisher – in Betracht, daß der Appeals Court nicht ausschlaggebend auf die Erfolgsaussichten in der Hauptsache, sondern auf die drei anderen Kriterien abstellt. Darüber wird wahrscheinlich die angekündigte ausführlichere Begründung des Rechtsmittelgerichts Ausschluß geben.
Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache /
Exekutivgewalt = (unbegrenzte) Entlassungskompetenz?
Was die Erfolgsaussichten in der Hauptsache anbelangt, so hatte sich die Trump-Regierung diesbzgl. insbesondere auf die neueren Entscheidungen des US-Supreme Court Seila Law LLC v. Consumer Financial Protection Bureau und Collins v. Yellen aus den Jahren 2020 und 2021 bezogen.
Der District Court ist demgegenüber der Ansicht, daß seine Entscheidung von Samstag, daß, den Special Counsel zu entlassen, gesetzwidrig war, „völlig im Einklang mit den Entscheidungen und dem gesetzlichen Rahmen, die in den jüngsten Entscheidungen des Supreme Court zu diesem Thema dargelegt wurden“, stehe. Zum einen habe der Supreme Court in den genannten Entscheidung selbst anerkannt, daß das Amt des Special Counsel ein spezieller Fall sei. Der Unterschied liege darin, daß die Ämter, um die es in den genannten Entscheidungen ging, über erhebliche Exekutivgewalt verfügen, während der Special Counsel eine solche erhebliche Exekutivgewalt – nach Ansicht des District Court – nicht hat, sondern im wesentlichen bloß auf Entscheidungen anderer Stellen hinwirken könne. Schließlich: „Es wäre, gelinde gesagt, ironisch und würde den durch das Gesetz verfolgten Zielen zuwiderlaufen, wenn der Special Counsel selbst durch Furcht vor willkürlicher oder parteilich motivierter Entlassung in seiner Arbeit behindert würde.“ Denn das Amt des Special Counsel soll ja gerade dazu dienen, Beschäftigte die Fehlverhalten von Regierungsstellen aufdecken, vor Maßregelung zu schützen. Siehe ausführlicher dazu (5 Seiten, zweispaltig englisch/deutsch): http://blogs.taz.de/theorie-praxis/files/2025/03/Uebersetzung_District_Court_01-03-2025.pdf.
Der Spruchkörper des Appeals Court, mit dessen Entscheidung die gerade zitierte Entscheidung des District Courts außer Vollzug gesetzt wird, besteht aus Karen LeCraft Henderson (von Ronald Reagan 1986 als District Court– und von George H.W. Bush als Appeal Court-Richterin nominiert), Patricia Ann Millett (2013 von Obama nominiert) und Justin Reed Walker (von Trump in dessen erster Amtszeit nominiert). Ein Abstimmungsergebnis oder abweichendes Votum ist in der Entscheidung nicht genannt.3
Die drei RichterInnen setzten folgenden Zeitplan für das weitere Verfahren fest, der nun aber – aufgrund der Erklärung Dellingers – hinfällig ist: Die Regierung sollte bis zum 21. März Zeit haben, ihren appeal zu begründen. Dellinger hätte bis zum 4. April antworten können – und dann hätte die Regierung zum 11. April Zeit für eine Rück-Antwort gehabt. Anschließend hätte – an einem noch festzusetzenden Termin – eine mündliche Verhandlung stattgefunden.
Letzte Erfolge in fremder Sache: Dellinger erwirkte vorläufige Weiterbeschäftigung von ebenfalls Entlassenen
In der Zeit, in der Dellinger aufgrund der District Court-Entscheidungen noch im Amt bleiben konnte, konnte er noch Erfolge für gleichfalls entlassene Probezeit-Beschäftigte erringen:
„On Wednesday, Dellinger won an order reinstating more than 5,000 fired Agriculture Department workers for at least 45 days. He appeared to be moving to seek similar relief for tens of thousands of other fired employees at other federal agencies when the U.S. Court of Appeals for the D.C. Circuit issued a ruling Wednesday night that allowed Trump’s firing of Dellinger to take effect.“
(https://www.politico.com/news/2025/03/06/federal-workforce-watchdog-who-was-fired-by-trump-drops-legal-fight-to-get-his-job-back-00215891)
Bereits zuvor hatte sich die Trump-Regierung in einem Schriftsatz für den Supreme Court beklagt:
„In the meantime, the harms to the Executive Branch from the district court’s TRO have become even more concrete. The same day that this Court held the government’s application in abeyance, respondent filed administrative actions before the Merit Systems Protection Board (MSPB) challenging executive agencies’ firings of six probationary employees. See U.S. Office of Special Counsel, Special Counsel Dellinger Statement on Request that MSPB Stay Terminations of Probationary Employees (Feb. 24, 2025).4 Respondent sought an immediate 45-day stay of those firings ‚while my agency continues to investigate further‘ and announced that he ‚is considering ways to seek relief for a broader group‘ of employees. Ibid. Although respondent had told this Court that he is an inferior officer subject to the MSPB’s supervision, Opp. 27, he told the MSPB that ‚[t]he Board must grant the Special Counsel’s request for a stay unless the Special Counsel’s claim is ›inherently unreasonable,‹‘ U.S. Special Counsel’s Initial Request for Stay of Personnel Actions at 19, U.S. Office of Special Counsel ex rel. Former Employee v. Department of Veterans Affairs (MSPB Feb. 21, 2025) (emphasis added).5 An MSPB member promptly granted the requested stay, agreeing that ‚[d]eference is given to [the Special Counsel’s] initial determination‘ and that ‚a stay will be denied only when * * * the stay request [is] inherently unreasonable.‘ Stay Order at 3, Special Counsel ex rel. John Doe v. Department (MSPB Feb. 25, 2025).6 Respondent then announced: ‚These stays represent a small sample of all the probationary employees who have been fired recently so our work is far from done. Agency leaders should know that OSC will continue to pursue allegations of unlawful personnel actions, which can include asking MSPB for relief for a broader group of fired probationary employees.‘ U.S. Office of Special Counsel, MSPB Grants Stays of Probationary Employee Terminations (Feb. 25, 2025).7“
(https://www.supremecourt.gov/DocketPDF/24/24A790/348789/20250226181021604_Letter%2024A790.pdf, S. 1 f.)
Dellinger hatte darauf geantwortet:
„In its letter, the government advances arguments concerning an administrative action that Special Counsel Dellinger recently filed before the Merit Systems Protection Board (MSPB). The government does so despite failing to brief this issue to the district court (apart from a single unreasoned sentence in a footnote in its summary judgment reply brief) – and despite failing to make any mention of this matter before the district court at the lengthy oral argument that occurred just yesterday. To be clear, the government nowhere asserts that the Special Counsel’s action was in any respect legally unsupported. Regardless, the government misdescribes what occurred: it was the MSPB, not the Special Counsel, that ‚halt[ed]‘ certain personnel actions, Letter at 2, and it is the MSPB (not the Special Counsel) that will render any further decisions and issue any binding orders within the Executive Branch’s internal administrative process concerning the propriety of those personnel actions. As the Special Counsel is fully prepared to explain when the government properly raises this issue within the litigation, there is no merit to the government’s assertion that this administrative action supports its position. To the contrary, a more accurate understanding of that process confirms the Special Counsel’s position concerning his for-cause removal protection.“
(https://www.supremecourt.gov/DocketPDF/24/24A790/348805/20250227074456882_Dellinger%20-%20Letter%20to%20SCOTUS.pdf, S. 1 f.)
Der Supreme Court hatte den Regierungs-Antrag im dortigen Verfahren nicht ausdrücklich beschieden, sondern „in der Schwebe“ gelassen, aber dadurch die erste District Court-Entscheidung, die anders als die zweite auch vom Appeal Court (mit damals anderer Spruchkörper-Zusammensetzung als jetzt) unbeanstandet blieb, bestehen lassen (siehe taz-Blogs vom 22.02.2025). – Heute wurde der alte Regierungsantrag in dem Supreme Court-Verfahren nunmehr (ohne näherere Erläuterung) als erledigt abgelehnt (https://www.supremecourt.gov/orders/courtorders/030625zr_1bn2.pdf). Letzteres scheint nicht an der heutigen Erklärung von Dellinger zu liegen (denn offiziell ist der Rechtsstreit noch nicht beendet: „We are still negotiating with the government regarding the proper next steps to bring this litigation to an end.“), sondern eine Reaktion auf die Entscheidung des District Court von Samstag (da dadurch die erste District Court-Entscheidung, die die Regierung vor dem Supreme Court anfechten wollte, hinfällig wurde).
Siehe auch:
Jack Queen,US watchdog agency chief removed after appeals court approves firing by Trump
https://www.reuters.com/legal/us-appeals-court-allows-trump-fire-head-independent-watchdog-agency-2025-03-06/ (vom 06.03.2025)
Trump administration lays off most probationary staff and warns big cuts to come. Office of personnel management orders agencies to dismiss workers who had not yet gained civil service protection
https://www.theguardian.com/us-news/2025/feb/13/trump-probationary-government-workers-layoffs (vom 14.02.2025)
„The Trump administration on Thursday intensified its sweeping efforts to shrink the size of the federal workforce, the country’s largest employer, by ordering agencies to lay off nearly all probationary employees who had not yet gained civil service protection – potentially affecting hundreds of thousands of workers.“
1 https://tile.loc.gov/storage-services/service/ll/usrep/usrep481/usrep481770/usrep481770.pdf, S. 7.
2 = https://tile.loc.gov/storage-services/service/ll/usrep/usrep555/usrep555007/usrep555007.pdf, S. 18 oben; s.a. vorhergehende Seite unten sowie v.a. S. 14 (erster Absatz von Abschnitt III A) der Datei = 20 der gedruckten Seitenzählung.
3 So auch
-
Politico: „None of the three judges recorded a dissent, and the panel indicated a full opinion would be issued later.“
und
-
bloomberg.com: „No dissent was indicated in the order.“