vonBlogwart 29.11.2009

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Die  Therapie der sexuellen Obsessionen der Bild-Zeitung, die der Künstler Peter Lenk an der Wand des taz-Gebäudes vor zwei Wochen gestartet hat, schlägt an. Nicht dass sich an dem ekelhaften Blut-und Sperma-Blatt Europas größter Boulevardzeitung schon etwas geändert hätte, auch Friede Springer ist noch nicht zu dem ihr zugedachten Wallfahrtsort in der Rudi-Dutschke-Str. gepilgert, um sich zur Umkehr zu bekennen, und keiner der coolen Prominenten von Udo Lindenberg bis Gregor Gysi, die sich vor den Werbekarren der Blöd-Zeitung spannen lassen, hat bisher Abbitte geleistet. Doch das wäre, nach nur zwei Wochen, auch ein bißchen viel verlangt – wie jeder therapeutische Prozeß braucht auch dieser seine Zeit. Der Patient modifiziert unterdessen seine Abwehreaktionen, sich mit dem Totem an der taz-Wand zu identifizieren. Nachdem er zuerst den Anwalt der taz und einen Redakteur der “Berliner Zeitung” darin sehen wollte – der sich das jetzt ebenfalls  verbeten hat –  vermutet er mittlerweile, dass es sich eigentlich nur “um Rudi Dutschke himself” handeln kann. Wir kommen der Sache also langsam näher, denn “68” ist bekanntlich das große Trauma des Kai Diekmann, an dem er sich mit Kai Guevara T-Shirts und Spaßguerilla-Blogging über die taz abarbeitet – und jetzt mit dem eingebildeten Penis seines eingebildeten Großfeinds Rudi. (In sofern sollte auch niemand überrascht sein, wenn er nächste Woche verkündet: “Ich hab’s, es ist Martin Walser!” )

Während Abwehr, Verdrängung und Verschiebung so zu immer neuen Imaginationen des Patienten führt, fragen wir uns schon seit einigen Tagen, was eigentlich das Fachblatt für investigativen Unterleibs,- und Unterhosen-Journalismus, das sich ansonsten keinen öffentlichen Pimmel entgehen läßt, was also “Bild” zu der ganzen Sache sagt ? Da katapultiert die Kunstaktion der taz deren “direttore” in die Schlagzeilen der internationalen Presse und macht seine Manneskraft bis nach Italien und in die hinterste Türkei berühmt, da berichten Funk und Fernsehen, das vornehme FAZ-Feuilleton adelt das journalistische Schmuddelkind mit einem jubelnden Porträt und der “Spiegel” ruft den Schmierfinken der Nation gar zum neuen Sponti-Häuptling der Republik aus – und was erfahren Millionen  Bild-LeserInnen davon ?  Nichts!

Hier zeigt sich einmal mehr der Unterschied zwischen der kleinsten und der größten Zeitung in der Dutschkestr.: die taz ist authentisch – sie hat ihre internen Irritationen öffentlich gemacht und sich dafür verspotten lassen – und Bild ist verlogen: ihr Chef spielt den liebenswerten Witzbold, aber sein Schandmal bleibt ein Tabu.

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