vonErnst Volland 09.11.2006

Vollands Blog

Normalerweise zeichnet, schneidet, klebt Ernst Volland, oder macht Bücher. Hier erzählt er Geschichten.

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Der zweite Albert Schweitzer                                                     

 

Das Kempinski, Ecke Fasanenstraße, Ecke  Kurfürstendamm,

dient als  Austragungsort der Preisverleihung an einen Arzt

durch die Deutsch- Russische Gesellschaft.

Der ehemalige Botschafter der Bundsrepublik in Moskau, lobt seinen

Botschaftsarzt über alle Maßen, der Außenminister

ergeht sich allgemein in Ausführungen über die guten

Deutsch/Russischen Beziehungen, die aber noch ausgebaut werden müssten.

Dann holt der ehemalige Botschafter zur eigentlichen  Laudatio

für seinen Botschaftsarzt aus. Der Saal, voll mit grauhaarigen Männern

in dunklen Anzügen, lauscht.

Anschließend spielen drei angehende Jungstars, der Älteste12 Jahre alt, auf

dem Flügel. Schostakowitsch, Brahms, Schumann.

In seiner Laudatio rühmt der Botschafter den Preisträger als einen

herausragenden Menschen, der mehr oder weniger allein während der

Perestroika das russische Gesundheitswesen revolutioniert habe.

Er sei ein Vorbild in unserer vergreisten Gesellschaft, da er seinen

revolutionären Elan nach der Pensionierung mit noch viel mehr

Schwung und Erfolg fortgesetzt habe und immer noch täglich

an der Front agiere.

 „Die Sterblichkeitsrate für Leukämie Kinder ist

in Russland von 85 auf 30 % gesenkt worden. Die Heilungschancen von

Brustkrebs bei Frauen ist heute erheblich besser  und

Infarktpatienten können jetzt wirklich aufatmen. Das ist allein das Verdienst

unseres Arztes! Wenn es einen Namen für einen

Arzt gibt, dann muss er heißen wie unser Botschaftsarzt.

Seit Albert Schweitzer….. !„

Dann übergibt  der Außenminister den Preis, eine handschriftliche Urkunde,

und die Menge strömt zum Büffet.

Ich komme sofort mit einer mir bekannten Dame ins

Gespräch, einer Russland – Expertin, die lange in Moskau lebte.

Sie hatte Anfang der 90er Jahre

in der deutschen Botschaft in Moskau gearbeitet.

Anspielend auf die Preisverleihung erzählt sie mir von ihren

Erfahrungen mit der deutschen Medizin in Moskau.

Drei Wochen vor der Geburt verspürte sie große

Schmerzen im Unterleib, die nicht abklangen. Es sollte ihr erstes

Kind werden und sie machte sich mit ihrem Mann auf in Richtung

Deutsche Botschaft, um mit dem dortigen Arzt zu sprechen, es war der Arzt,

der auch den heutigen Preis bekommen habe.

Dieser lehnte eine Behandlung ab, verweigerte sogar das Messen des

Blutdruckes und verkündete, auch sein Personal stünde

für „solche Kleinigkeiten“ nicht zur Verfügung. Sie solle ein

russisches Krankenhaus aufsuchen, vielleicht werde ihr dort geholfen.

Drei Wochen nach der Geburt verspürte die junge Mutter  wieder

erhebliche Schmerzen im Bauchbereich und rief in dieser Sache

den Arzt in der Botschaft an, mit der Bitte um Hilfe. Dieser

stellte eine Ferndiagnose und empfahl das Ausfliegen in ein

deutsches Krankenhaus.

An den Buffet Tischen stehen jetzt nur noch wenige Gruppen.

Rasch werden noch einige Kontakte gemacht und

Visitenkarten getauscht.

Der Außenminister, der ehemaliger Botschafter und der

preisgekrönte Arzt speisen in einem Salon, ein Stockwerk

über den Buffet- Räumen.

Noch lange stand die Limousine des Außenministers vor

dem Eingang des Kempinski.  

 

 

 

 

 

 

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https://blogs.taz.de/vollandsblog/2006/11/09/der-zweite-albert-schweitzer/

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kommentare

  • Tod allen Kommunisten!
    Es lebe das Albert-Schweitzer Tierheim für Hunde und Katzen in Essen!

    In Bonn gibt es auch noch eins.

    Dort wenigstens wären alle hochschwangeren TAZ-Bloggerinnen vom allgegenwärtigen sowjetischen Botschaftsterror verschont geblieben.

  • Was von den oberern Schichten nicht verstanden wird das sie auch keine Chance mehr haben wenn das System kollabiert, nur die Nationalen haben das erkannt und werden deshalb von den Medien so gefälscht wiedergegeben und ohne Argumente bekämpft. Das “System” BRD ist nicht isoliert zu betrachten, sondern nur einer der Köpfe der Hydra. Die Schlange selbst steht sehr wohl vor ihrem Kollaps, da sie an einem Punkt angekommen ist, an dem ihr nichts anderes mehr übrig bleibt, als sich selbst zu fressen. Dies sind Metaphern, die aufzeigen, dass der Kapitalismus an seinen inneren Widersprüchen zerbrechen wird. Man könnte auch die Metapher des Krebstumors bemühen, die vielleicht verständlicher ist: Jeder Tumor wird am Ende sterben, wenn er seinen Wirt getötet hat …

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