vonMagdalena Schwarzwald 07.04.2022

Wiege, Bahre, Sex

Körper sein und Körper haben. Ein Blog über das Geboren werden, Sex und Sterben.

Mehr über diesen Blog

“So jetzt aber. Idee Idee Idee! Dieser neue Artikel erblickt nun gleich das Licht der Internet-Welt!”, denke ich, völlig begeistert. Motiviert as fuck – übers Ficken eloquent Dinge zu schreiben. Ich hab richtig Bock. Für einen kurzen Moment. Mein Blick schweift ab. Der Zug indem ich sitze, steht am Bahnhof. Schneeflocken fallen – nein, halt, stopp. Schneeflocken tanzen am Fenster vorbei. Der vorbeifahrende Zug wirbelt die Luft auf, wirbelt die Flocken auf. Und das Anfang April. April April – der macht was er will. Ich wende meinen Blick ab, weg vom Fenster hin zum Bildschirm. Bock auf eloquente Dinge schreiben? Leider keiner mehr. Lust? Tot.

“…..N….I…..X…..”, denke ich, völlig begeistert. Motiviert as fuck – gleich zu Ficken ohne groß eloquent dabei zu sein, sondern Dinge einfach zu tun. Ich hab richtig Bock. Für einen kurzen Moment. Mein Blick schweift ab. Das Bett indem ich liege steht unter einem Dachfenster. Schneeflocken fallen – nein, halt, stopp. Schneeflocken tanzen am Fenster vorbei. Ein Windstoß wirbelt die Luft auf. Wirbelt die Flocken auf. “Hey bist du noch da?” werde ich gefragt. Ich wende meinen Blick ab, weg vom Fenster, hin zu meinem Gegenüber was gerade noch damit beschäftigt war mit seiner Zunge zwischen meinen Beinen meine Hormone tanzen zu lassen – mich jetzt aber erwartungsvoll anblickt. Bock auf einfach Dinge machen? Leider keinen mehr. Lust? Tot. Tja. Die Lust und der April – die machen wohl was sie wollen.

So oder so ähnlich könnte das stattfinden. Es sind nicht immer die wundervollen glitzernden Schneeflocken die mit ihrem Schauspiel ablenken. Manchmal ist es auch der dreckige Wäschehaufen in der Ecke, der daran denken lässt, dass dringend noch die Waschmaschine angeschaltet werden muss. Oft ist es das – “oh Mist – findet er mich wirklich gut? Mach ich das jetzt richtig?” Aber egal ob der vernachlässigte Haushalt oder der vernachlässigte Selbstwert. Es lenkt ab.

Aber warum ist das so? Um das herauszufinden höre ich mich durch die Sex-Podcasts dieser Welt und werde fündig. Ein Hoch auf dieses Internet. Wie lassen sich störende Gedanken beim Sex abschalten? Genau das möchte ich wissen! Was ich mir erhoffe, als ich auf Play drücke? “Lerne in 5 Minuten keine störenden Gedanken beim Sex mehr zu haben”. Was ich bekomme? Das Gefühl, mich sofort auf die Couch in einer Sexualtherapie Praxis legen zu wollen. Alternativ: Jetzt sofort Sex haben. Korrigierende Erfahrungen und so. Eh klar.

Aber zurück zu: Was ist jetzt der Grund dafür, dass ich mich so schnell so ablenken lasse? Laut Melanie Büttner (Sexual- und Psychotherapeutin, Fachärztin, Wissenschaftlerin und Expertin für Sexualität und Beziehung, mentale Gesundheit und Trauma) hat das Abschweifen oft einen triftigen Grund. Es können zum einen Strategien fehlen, sich von Stresssituation aus dem Alltag abzugrenzen. Vor allem aber können Langeweile oder Stress, weil irgendetwas passiert, was einen sexuell oder emotional eigentlich gar nicht abholt oder erfüllt, der Grund sein. Weil man vielleicht selbst noch gar nicht weiß, was einen befriedigt. Oder wenn man es weiß, die Angst und Unsicherheit zu groß ist, die eigenen Bedürfnisse zu formulieren. Wenn die Gedanken sich vor allem um die eigene sexuelle Performance drehen und ob die Frisur dabei sitzt. Das “Abliefern” wird wichtiger, als das gemeinsame sexuelle Erleben, Genießen und die großartige Möglichkeit von intimer Kommunikation und emotionaler Nähe zwischen zwei oder mehreren Menschen. Der Körper also eher so ein Ding, das es braucht damit Sex “funktioniert”. Sex als Ziel – und wer am Ende sogar dafür sorgt, dass ein weiblicher Orgasmus stattfindet – Pokal! Konfetti! Champagner! Und da sind wir wieder mitten drin statt nur dabei. Leistungsdruck und Optimierung, wohin das Auge reicht. Deswegen lieber beim Sex das Licht ausmachen damit man die Dellen an den Oberschenkeln oder die Pickel am Arsch nicht sieht.

Lieber sich wie glitzernde Schneeflocken fühlen, die sich gemeinsam vom Wind treiben lassen, sich fallen lassen und dabei tanzen – weil sie es können. Weil es schön ist. Was ich sagen will: Sex als Möglichkeit für ein gemeinsames Erleben, Genießen und intime Kommunikation und emotionale Nähe.

Aber nur so eine Idee.

 

 

 

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/wiege/schneefloeckchen-hebs-roeckchen/

aktuell auf taz.de

kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert