vonWolfgang Koch 18.01.2013

Wolfgang Kochs Wienblog

Vom letzten Glanz der Märchenstadt oder wie es sich an der blauen Donau gerade lebt.

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Österreich legt nicht ab vom Ufer des Kalten Krieges / Foto: W. Koch

 

Während die deutschen Jusos soeben die Kriegsgegner Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, die ihre Mutterpartei auf dem Gewissen hat, im politischen Gedächtnis eingemeinden, befürwortet die Sozialistische Jugend Österreich (SJÖ) die allgemeine Wehrpflicht, was deren Mutterpartei SPÖ ablehnt. Dieser Konservatismus der Kleingeister ist typisch für Österreich und verhängnisvoll für die zukünftige politische Machtverteilung im Land.

 

Seit Juli 2012 weist keine Umfrage mehr eine Mehrheit für das sogenannte »Profiheer«-Modell der Sozialdemokraten aus. Die erste bundesweite Volksbefragung ist so gut wie entschieden: es wird nach dem 20. Jänner keine Militärdebatten in Österreich mehr geben. Das beamtete Berufsheer wird nicht von 16.000 auf 8.500 Mann verkleinert. Die Zeitsoldaten erlernen keinen zivilen Beruf, der sie stärker in die Gesellschaft integriert. Die Einsatzfähigkeit für friedenssichernde UN-Missionen wird nicht erhöht. Die Höhe des Heeresbudgets bleibt auf Jahrzehnte unangetastet. Wir verlangen weiterhin von jungen Männern, ihr Schicksal an das der Armee zu binden. Kurz: die Chance für einen Aufbruch dürfte bereits vertan sein.

 

Die Heeresreform in Österreich scheitert keineswegs nur an dem schwarz-blauen Schulterschluss der konservativen Regierungspartei ÖVP mit dem rechten Herausforderer H. C. Strache (FPÖ). Deren Hauptargumente für die schmerzhafte Häutung des Menschen in der Kaserne lauten ja bloß: Verteidigungsminister Darabos, linkspopulistische Boulevard-Verschwörung der Kronenzeitung, Zivildienst, Katastrophenschutz, Militärmusik – vom Waffendienst ist im Wehrpflichtlager praktisch nie die Rede.

 

Braucht es denn wirklich das österreichische Bundesheer, damit sich ihm ausreichend Leute verweigern? Wollen wir den Schutz der Nation vom Zivildienst abhängig machen? Sicher nicht!

 

Auf der sozialen Ebene entspricht der Ruf nach der Wehrpflicht der Sehnsucht nach einer besser integrierten Gesellschaft. Aber der Zusammenhalt aller, der wächst in Familie, Schule und am Arbeitsplatz, und sonst nirgends.

 

ÖVP und FPÖ bringen bei der Volksbefragung allein keine Mehrheit zustande. Die Abstimmung wird erst von einer denkfaulen und kompromissunfähigen Linken zugunsten der Stahlhelm-Fraktion entschieden. Es sind die Militärskeptiker vom KZ-Verband bis hin zur Katholischen Aktion, die dem schwarzblauen Schulterschluss mit bestem Willen und lauterster Gesinnung zum ersten Triumph im Wahljahr 2013 verhelfen.

 

Der rechte Gebrauch eine Idee besteht darin, sie ansteckend zu machen. Aber seit der Fehlbesetzung mit dem Großindustriellen und Rüstungsprofiteur Hannes Androsch an der Spitze ihrer Kampagne hat die SP-Parteilinie keine Chance auf Erfolg mehr. In allen Diskussionen setzen sich Leute durch, die nicht sagen, was gerade nottut, sondern, was sie in ihrer Selbstherrlichkeit für wahr halten.

 

Der Doyen der österreichischen Friedensforschung, Gerald Mader, vermutet ins Blaue hinein, Berufssoldaten ließen sich leichter befehligen. Die linke Solidar-Werkstatt faselt von einer »EU-Großmacht«. Die Ex-Sozialdemokratin Barbara Blaha beliefert die Medien mit der zynischen Femdom-Fantasie, wonach sich die Gleichberechtigung der Geschlechter von den durch die Wehrpflicht unterworfenen Männern »abkoppeln« lasse.

 

Liberale Kommentatoren in allen Qualitätsblättern zeigen sich herablassend gegenüber dem Volk und besingen den Zwang, auf dem das Heer ruht, mit weinerlicher Demokratiefeindlichkeit.

 

Die Konferenz der Katholischen Aktion bemängelt »eine Vermischung« der Pflegesicherheit mit der Landesverteidigung, so als ob das nicht im Zivildienstgesetz vermischt wäre, sondern von der Regierung boshaft ins Szene gesetzt würde. »Auf falsch gestellte Fragen«, meinen die engagierten Christen, »gibt es keine richtige Antwort«.

 

Dabei ist doch genau das die Definition des Politischen: richtig zu antworten auf eine Frage, die eine Mehrheit für eine Entscheidung zur Wahl stellt.

 

Der Dank für der Niederlage der friedenspolitischen Perspektive gebührt einer politik- und kompromissunfähigen Öffentlichkeit, die lieber das Bürgerkriegsjahr »1934« oder »Imperialismus« an die Wand malt, als an internationalen Bemühungen zur Durchsetzung des Rechts teilzunehmen. Das Profiheer scheitert an unserer unmoralischen Gleichgültigkeit gegenüber der Welt.

 

Warum nur weigern sich kritische Zeitgenossen, die Folgen der Wehrpflicht abzuschätzen? Die SPÖ-Politikerin Gabi Burgstaller kann keinen Schaden für die eingezogenen Burschen erkennen. Der gleichfalls aus der Sozialdemokratie stammende Bundespräsident sieht ohne Einrückendgemachte die Neutralität gefährdet, und der Armeekommandant fürchtet um die Mobilisierung im Katastrophenfall.

 

»Ich weiß nicht, machen Sie einen Ochsen aus sich, oder sind Sie schon als Ochs zur Welt gekommen?«, sagt Schwejk. – Weiten Teile der österreichischen Intelligenz dämmert bis heute nicht, dass Wehrdienstverweigerung eine ethische begründbare Forderung ist, und Wehrpflicht ein problematischer Eingriff in die persönlichen Freiheitsrechte.

 

Es besteht aber kein moralisches Recht auf Unwissenheit und auf gegenseitige Indifferenz, sondern die Pflicht, Hilfe zu leisten, wo das möglich ist. Alle Gewaltopfer haben ein Recht, vor Mord und Tyrannei geschützt zu werden. Dazu benötigt die UNO ausdrücklich Berufssoldaten.

 

Dem Österreicher fehlt es rundum an demokratischer Disziplin, an der Bereitschaft, sich mit Sachfragen zu beschäftigen, geduldig zuzuhören und klug abzuwägen. Lieber diskutiert er über Neutralität oder Nato, was gar nicht zur Abstimmung steht.

 

Hinter den Kulissen einigen sich die Unterhändler der Koalition übrigens gerade auf einen Kompromiss nach dem 20. Jänner: Wehrpflicht nur noch für einen Tag. Österreich soll Dänemark werden, wo Wehrpflichtige nur dann per Los eingezogen werden, wenn die Zahl der Freiwilligen nicht ausreicht.

 

Die SPD hat dieses dänische Modell 2005 für Deutschland verworfen, weil es die Wehrgerechtigkeit vollends ad absurdum führt.

 

© Wolfgang Koch 2013

 

https://www.youtube.com/watch?v=yRgtT2woLXI

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