vonWolfgang Koch 18.09.2013

Wolfgang Kochs Wienblog

Vom letzten Glanz der Märchenstadt oder wie es sich an der blauen Donau gerade lebt.

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Für den Tüchtigkeit-und-Würde-Prediger in Wien ist den bedauerlichen Zuständen in Österreich keine literarische Form angemessener als die Tirade. Kärnten gilt Thurnher als ein einziger gefährlicher Geisteszustand, der Parlamentarismus als eine Art Abfallprodukt im »Land der politischen Gefühle«. Neoliberale und Rechtspopulisten lauert an jeder Ecke, – die Einwohner des Landes: »schweigende Stilversager«, wie Babys eingelullt von einem »politmedialen Komplex«, dem sich einzig und allein der kleine, tapfere Falter Verlag entgegen stemmt.

 

Auf anderen Gebieten hat Thurnher mit seiner aristokratischen These wieder mehr Recht. »Das Leben ist eine Zumutung, eine permanente Despektierlichkeit, eine öffentliche Kränkung«, klagt er laut und vernehmlich. Konkret stören ihn das Grunzen in der täglichen Konversation, die lege Freizeitkleidung der Mitmenschen, die vielen Staus auf der Straße, die Sicherheitskontrollen im Flugverkehr.

 

Detailliert schildert dieser Kritiker die Unterwerfung des heutigen Konsumenten durch die Selbstbedienung im Supermarkt; angefangen von der verlogenen Begrüßung des Kunden bis hin zur entwürdigende Hetze beim Einpacken der erworbenen Ware an der Kassa.

 

Das sind bei Gott keine Privatwehwehchen! Man wird bei dieser Lektüre tatsächlich gewahr, dass wir elementarer Dinge wie Ruhe und Gelassenheit verlustig gehen. Und Thurnher führt uns den Einkauf beim Diskonter nicht nur als die kalte Realität einer Maschine vor, in der Geld über das Angebot gebietet.

 

Er scheut sich nicht auszusprechen – und das unterscheidet ihn von etlichen anderen Autoren –, dass der tägliche Einkaufswahnsinn ja von unseren lieben Mitkunden ohrenbetäubend verstärkt wird. Dort, im Supermarkt, nehmen die schweigenden Stilversager der Gegenwart die bedrohlichen Gestalten von »Blockwarten«, »Dränglern« und »Gaffern« an.

 

Armin Thurnher betreibt also lebendige Gesellschaftskritik, und er macht am Ende des Buches deutlich verstimmt klar, dass die Strategie, diese Zeitdiagnostik auf eine »Österreichkritik« herunterzubrechen, nicht von ihm, sondern vom Verlagsmarketing stammt.

 

Thurnher erzählt meines Erachtens am spannendsten, wo er leidet. Proteisch wendet er sich gegen die Denkverbote der Internetgemeinde, temperamentvoll geißelt er das infame Gezischels der sogenannten Social Media, wo er erneut der »Entwürdigung als Kommunikationsform« nachstellt.

 

Böse Elektronikhändler, zornsäende Callcenter oder Convenience Food – das alles sind aber keine österreichischen Üblichkeiten, vielmehr ist die Ausbeutung des Konsumenten ein über die ganze Welt verbreitetes Phänomen der Massengesellschaft. Das Phänomen einer New Order, die mit dem Aufkommen des privatistischen Individualismus, mit der Orientierung an Lifestyle statt an sozialen Klassen, mit der Kulturalisierung der gesellschaftlichen Lage und der Diffusion des Politischen ins Lebensweltliche hinein gerade erst am Anfang steht.

 

Gewiss, das moderne Leben unter Überwachungskameras ist eine arge Zumutung; aber keineswegs nur in Wien. Nicht die Massengesellschaft ging zu Ende, sondern der Konformismus der Masse, wir vertragen heute jede Normkonfusion.

 

Das macht Thurnhers Idee, sich im Stil eines Dandys von den Zumutungen der Gegenwart abzugrenzen, das macht seinen verzweifelten Versuch, durch das Einfordern von mehr Stil Distinktion zu gewinnen, zu einem hoffungslosen Unterfangen.

 

© Wolfgang Koch 2013

 

Armin Thurnher: Republik ohne Würde. 292 Seiten, Wien: Paul Zolnay Verlag 2013, ISBN 978-3-552-05603-9, TB 17,90 EUR

 

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kommentare

  • dee österreichische, wiener „schmäh“ hat reale tradition. musil, thomas bernatd, jellinek, virl andere. tiefschwarz. schon freud erfindet gegen die gesamte höchstinelligetzmensvcheit den „todestrieb“ – untre dem eindruvk des k.u.k untergangweltkrieges. hier sollt der der heutige intekllktuelle zurückehren (spinoza ist da kultirgerecht). starker „rechtspopulismus“ im dem lande hitlers. ja, das ist eben nicht sarirusvch „übetbietbar“ ohne ins ungalaubwürdigst abzusinken.

    wen die elektrik nicht so fulminasnt wäre, und die mathematik und die philsophie, aber selbst das…

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