vonWolfgang Koch 26.12.2023

Wolfgang Kochs Wienblog

Vom letzten Glanz der Märchenstadt oder wie es sich an der blauen Donau gerade lebt.

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Auf die folgende Mitbegründerin der Grünen-Partei trifft zu, was der österreichische Historiker Albert Fuchs einmal über die Nobelpreisträgerin Bertha von Suttner gesagt hat: Es möchte zuweilen erscheinen, die Pazifistin wäre in ihrem Kampf gegen den Chauvinismus »nichts als eine überdimensonmale Komiteedame, in Wirklichkeit gehört sie doch in eine andere Kategorie«. Petra Kelly (1947-92) durchbrach selbstlos und unermüdlich den Konsens der Wohlstandsdemokratie, sie wollte mit ihrem Gatten, einem Ex-General der Bundeswehr, so unbedingt »aus diesem waffenstarrenden, weltumspannenden Irrenhaus ausbrechen«, wollte Endlagerstätten für Atommüll verhindern, die Indigenen Amerikas vor der Verstrahlung schützen und andere gute Dinge mehr, dass sie ihre eigene Partei als unverbesserliche Fundamentalistin maginalisierte. Die Grünen strichen ihre Mitbegründerin Kelly von der Kandidatenliste und das Politikerehepaar Kelly/Bastian schied in einer Kleistischen Tragödie gemeinsam aus dem Leben. »Sie war eine Kerze, die an zwei Enden brennt«, sagte Bärbel Bohley ein Jahr vor ihrem eigenen Tod über ihre »besondere Freundin« Kelly.

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Der Satiriker Martin Sonneborn (*1965) zog 2014 mit einer Spasspartei in das Europäische Parlament nach Brüssel und Strassburg und er macht dort seither unter seinen Volksvertreter·innenkollegen aus 27 Staaten Bella Figura als investigativer Kontrollfreak. Sonneborn nennt als fraktionslos Mitglied des Hauses die ebenfalls aus Deutschland stammende Kommissionschefin unwidersprochen »kriminell« und »moralfrei«. Zur Erinnerung: »Kommission« nennen die Brüsseler Sprachverdreher die Regierung der Europäischen Union. Sonneborns Invektiven gelten somit dem höchsten Exekutivorgan der supranationalen Repräsentanz von 450 Millionen Menschen! In einem Interview sagte der Antipolitiker herzerfrischend: »Unser Kernauftrag ist es, komische Kritik zu üben, junge Menschen zu politisieren, die (verfickte) AfD zu ärgern und schliesslich: Grüne, Linke und SPD mit Utopien zu konfrontieren, zur Not mit ihren eigenen. Politik betreiben wir mit den Mitteln, die uns zur Verfügung stehen – und das sind Satire, Polemik, Nonsens«. Zur Verfügung steht Sonneborn zum Beispiel der Dresscode-Reminder seiner grundstürzenden Bewegung: »Mitglieder der Partei die PARTEI tragen in der Regel einen funktionellen und robusten dunkelgrauen Vollpolyesteranzug«.

Sarah Wagenknecht (*1969), Frontfrau der orthodoxen Kommunistischen Plattform in den Wendejahren, Ehegattin des widerständigen ehemaligen SPD-Spitzenpolitikers und Finanzministers Oskar Lafontaine, kämpferischer Medienstar der Linkspartei und schliesslich eine der sozialliberalen Wokeness überdrüssige Parteigründerin (BSW). In Frankreich würde man Wagenknecht nach dem Muster Jean-Pierre Chevènements sofort die Ehrenbezeichnung einer »Linkssouveränistin« verleihen. In Deutschland – wo der Begriff Souveränität von Reichsbürgern und Staatsverweigerern gekapert wurde – branden die Medien Wagenknecht als »Linkskonservative«, was einen recht traurigen Erklärungsnotstand bei Freund und Feind hervorruft. Die Politikerin argumentiert mit dem schönen Elan der Menschlichkeit gegen den »humanitären Militärinterventionismus«, der deutsche Soldaten und Soldatinnen katastrophal erfolglos bis in den Hindukusch geführt hat. Wagenknecht arbeitet sich ruhig und gelassen an der Russophobie der Transatlantiker ab. Sie nennt Petra Kellys traurige Erben – die Grünen-Mitglieder der amtierenden Bundesregierung – einen »kriegsbesoffenen Haufen«, und Wagenknecht kultiviert mit hochgestecktem Haar eine Liebe für die einfärbige Blazer-Rock-Kombi und mittlere Absätze, was uns an ihren männlichen Pedants in der Politik, so es welche gäbe, natürlich auch sofort aufgefallen wäre.

© Wolfgang Koch 2023

 

Liste »Deutschlands politische Leuchtfeuer«

Moses Hess (1812-75)

Moritz Rittinghausen (1814-90)

Otto von Bismarck (181598)

Kurt Eisner (1867-1919)

Walther Rathenau (1867-1922)

Marie Juchacz (1879-1956)

Jakob Kaiser (1888-1967)

Carlo Mierendorff (1897-1943)

Claus Schenk Graf von Stauffenberg (1907-44)

Oskar Schindler (1908-74)

Rudolf Bahro (1935-97)

Rudi Dutschke (1940-79)

Bärbel Bohley (1945-2010)

Petra Kelly (1947-92)

Martin Sonneborn (*1965)

Sarah Wagenknecht (*1969)

 

 

 

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