My Bloody Valentine, Foto: Bjørnar Håland
Wie könnte man einen Festivaltag im Sonnenschein schöner beginnen als mit ultrabrutalem Shoegazing von A Place To Bury Strangers? Nun ja, die New Yorker können ja nichts dafür, dass sie statt in einem Kellerklub um 3 Uhr nachts bereits nachmittags um 15.00h spielen müssen, aber nichtsdestotrotz liefern sie ein hervorragendes Set ab.
Die Hälfte der Libertines stehen direkt danach auf der Bühne: Carl Barât und Gary Powell mit ihrer Nachfolgeband Dirty Pretty Things. Ein schönes Set, das sich ungefähr zu gleichen Teilen aus den beiden Alben speist, aber überraschenderweise auf die neue Lead-Single „Tired Of England“ verzichtet. Im Gegensatz zu ihrer ersten Tour gestalten die Dirty Pretty Things ihre Auftritte nun auch Libertines-Lied-frei, was am Ende wahrscheinlich eine gute Idee ist. Höhepunkt bleibt – wie auch auf Album Nummer Zwei – sicherlich „Truth Begins“.
Dass die Dirty Pretty Things nicht den durchschlagenden Erfolg bisher erreicht haben, zeigt sich ob des Zustands, dass der Norweger Thom Hell über ihnen auf der Festivalliste spielt. Direkt aus der Hölle ist auch dessen Langweilermucke, denen man doch die Beschreibung „Coldplay in langweilig“ wieder entziehen muss, weil man selbst Coldplay nicht so sehr beleidigen möchte.
Leider verpasst das Popblog das dem Vernehmen nach herausragende Fleet Foxes Konzert (Kollege Wigger bezeichnet es als eines der besten des Jahres), weil man die irrationale Hoffnung in sich trug, Pharrell Williams‘ N.E.R.D. würden vielleicht die beiden Single-Kollaborateure Santogold und Jules Casablancas aus New York mitgebracht haben. War natürlich nicht so, aber dennoch ist das N.E.R.D. Konzert ein großes Erlebnis. Selten, dass eine Band derart gut ein Publikum bearbeitet und dabei dennoch nicht in Peinlichkeiten abgleitet. Eine der positivsten Überraschungen des ganzen Festivals!
Weit weg von N.E.R.D. sind dagegen Holy Fuck mit ihrem Krautschraubrock, der einen unweigerlich in den Bann zieht und so eine wunderbare Ergänzung zum folgenden Hero Viewing auf der Hauptbühne darstellt: My Bloody Valentine mit einem ihrer sehr sehr seltenen Livekonzerte. Natürlich polarisiert Kevin Shields, denn entweder kann man sich auf sein Gitarrengeschrammel einlassen, das Fläche über Fläche stapelt oder die Langeweile obsiegt. Wir entscheiden uns selbstredend für Option 1.
Eine sehr angenehme Überraschung ist die junge norwegische Indie-Pop-band Casiokids, die mit schönen Liedern für den August und einer visuell sehr originellen Bühnenshow mit Tänzern und dreimetergroßen Figuren wunderbar unterhalten. Frisch von Moshi Moshi Records unter Vertrag genommen, bekommen Casiokids nun hoffentlich auch im Rest von Europa eine Bühne.
Bezeichnend für das gute Line-Up des Osloer Festivals ist, dass das Oya sich erlauben kann, zwei Acts wie Whitest Boy Alive und The Notwist im nächtlichen Club-Programm zu verstecken. The Notwist spielen dabei sogar ihren ersten Auftritt überhaupt auf norwegischem Boden, was auch zu einer überaus begeisterten Aufnahme der Weilheimer Band durch das überwiegend heimische Publikum führt. Notwist spielen dabei im Gegensatz zu ihrem Immergut-Auftritt ein mehr aus den jüngeren Alben bestehendes Programm. Ein paar Meter weiter im zwölften Stock der Arbeiterpartei spielt Erlend Øye mit Whitest Boy Alive ein enthusiasistisch bejubeltes Set auf der Aftershow-Party, das spätestens bei „Burning“ endgültig abhebt.
Die Stilkritik:
– Dirty Pretty Things: bis auf den am Gürtel befestigsten Schal ist Mr Barât eine Stilikone. Auch Didz mit seinem abgefuckten Mod-Look bekommt den Daumen nach oben. Drummer Powell kommt bereits oben ohne auf die Bühne und wie er kurz nach dem Auftritt zeigt: auch unten ohne. Für die grüne Jogginghose, die diesen Auftritt dann gerade noch so jugendfrei gestaltet, sind wir deshalb dankbar.
– N.E.R.D.: klar, etwas Bling Bling ist immer am Start, aber das sieht schon erheblich besser aus als 50 „schau auf meine Einschußlöcher!“ Cent.
– My Bloody Valentine: Shoegaze heißt das Genre, nicht Stylegaze. Und das hat auch seinen Grund.
– Whitest Boy Alive: die Frisur von Erlend Øye wird immer wunderlicher, der Nerdstyle bis zum letzten durchgezogen. Der Napoeleon Dynamite der internationalen Musikszene.
Mehr Oya:
* Tag 1: The International Tweecore Underground Will Save Us All
* Tag 2: Don’t say motherfucker, motherfucker
* Tag 3: Trashing Days
* Tag 4: Don’t Piss On Me And Tell Me It’s Raining
* Festrest: Love Is The Egg