vonoliverkrueger 19.03.2018

Zeitlupe

Notizen zu Gesellschaft, Medien und Religion von Oliver Krüger, Professor für Religionswissenschaft an der Universität Freiburg (Schweiz).

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„Eine Serie von Anschlägen auf Moscheen und deutsch-türkische Vereine erschüttert die Republik. Fast täglich müssen die Titelseiten der deutschen Tageszeitungen weitere Übergriffe auf muslimische Gebetsräume und Gotteshäuser vermelden. In Berlin, Mühlhausen, Itzehoe, Stade-Bützfleth, Oldenburg, Bremen, Bad Essen, Minden, Viersen, Köln, Aachen, Mainz, Frankfurt, Lauffen, Kassel, Halle und Leipzig wurden Gebäude in Brand gesetzt, Fensterscheiben eingeschlagen oder Hakenkreuze und Parolen (anti-islamische wie auch anti-türkische) hinterlassen. Bereits im Vorjahr registrierte die Bundesregierung knapp 60 Anschläge, Schmierereien und Schändungen (etwa mit Schweineblut) auf muslimische Einrichtungen, die fast ausschließlich von Rechtsextremen begangen wurden.

Der neue Bundesinnenminister zeigt sich an seinem ersten Arbeitstag tief besorgt über die anhaltende Welle von Gewalt, die ganz Deutschland überzieht. Seehofer kündigte an, eine Sonderkommission beim Bundeskriminalamt einzusetzen, um die Anschlagsserie rückhaltlos aufzuklären: ‚Gewalt gegen Religionen und ihre Gotteshäuser, gleich welchen Bekenntnisses, werde ich nicht tolerieren. Egal ob diese Taten rechtsextremistisch oder aus kurdischem Protest gegen die Türkei motiviert sind, die Täter befinden sich jenseits der Rechtsordnung der Bundesrepublik. Aus unserer Geschichte wissen wir, dass Kriminelle, die Brandanschläge auf Gotteshäuser verüben, zu Schlimmerem bereit sind.‘ “

Diese fiktiven Zeilen wären eine Zeitungsmeldung, die einem Bundesinnenminister angemessen wäre. Er hätte auf diese Weise sogar den starken Max markieren können: als energischer Verteidiger des Rechtstaates. Stattdessen betont Herr Seehofer just auf dem traurigen Höhepunkt anti-islamischer Gewalttaten, dass der Islam nicht zu Deutschland gehöre. Es mag sein, dass Seehofer mit seiner Aussage am rechten Rand fischen und die CSU im Angesicht der aufziehenden bayerischen Landtagswahl als Hüterin des christlichen Abendlandes positionieren will. Viel entscheidender ist aber die programmatische Schützenhilfe für die AfD. Denn die hat ein Problem.

Von auf- und abflauenden „Flüchtlingsströmen“ kann kein Rechtspopulismus auf Dauer leben. Man hat aus den Fehlern von Schönhubers Republikanern in den 1990ern gelernt. Nach dem Ausbleiben der „Asylanten“ verebbte damals auch die politische Rechte in der Bedeutungslosigkeit. Heute ist das ausgrenzende Agieren gegen Muslime, das die deutsche Identität dauerhaft unvereinbar mit islamischer Religiösität erscheinen lässt, ein Garant für politische Aufmerksamkeit. Mit Verbotsforderungen für Kopftücher & Burka und Minarette oder dem Ruf nach „eingeschränkter Religionsfreiheit“ kann man seine Klientel glücklich machen und im Rest der Gesellschaft die Angst vor der „Islamisierung“ schüren.

Wie die meisten anderen rechtspopulistischen Bewegungen in Europa schwenkt auch ihr deutsches Pendant von einer aktualitätsbezogenen Anti-Flüchtlingspartei zu einer stetigen Anti-Islam-Partei um. Die Rede zum politischen Aschermittwoch des inzwischen abgesetzten AfD-Landesvorsitzenden von Sachsen-Anhalt, André Poggenburg, spiegelt diese programmatische Wende wider. Sie richtete sich ja nicht nur gegen die jetzigen Flüchtlinge, sondern insbesondere gegen türkische Einwanderer und deren Familien, die teils seit drei Generationen in Deutschland leben.

Horst Seehofer hat dem deutschen Rechtspopulismus damit einen großen Dienst erwiesen und ein fremdenfeindliches Leitthema für die kommenden Wahlkämpfe gesetzt. Also aufgepasst! Es geht jetzt gegen Muslime. Flüchtlinge waren gestern. Die AfD wird es Seehofer danken, allein hätten sie diese Botschaft niemals so erfolgreich platzieren können.

Vielleicht sollte sich der Bundesinnenminister anstatt realen Problemen lieber der Traumwelt seiner vielgepriesenen Modelleisenbahn widmen. Denn da gibt es keine brennenden Moscheen. Nur eine Playmobil-Kanzlerin, die – wenn sie böse war – auf die Fensterbank verbannt wird.

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Bildnachweis (Wiki Commons):

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/d/d0/Unterzeichnung_des_Koalitionsvertrages_der_18._Wahlperiode_des_Bundestages_%28Martin_Rulsch%29_063.jpg

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kommentare

  • Es wird Zeit das die AFD endlich Seehofer oft und an vielen Stellen Danke sagt. Dann geht den vorgeblich christlichen Wählern endlich mal ein Licht auf. Sie wählen Gaulands heimlichen Helfer.

  • Natürlich hätten sie das, ich widerspreche. Hat die AfD wieder und wieder bewiesen. Und an dem Umschwenken des Feindbildes ist nur interessant, dass die Faschisten immer ein Feindbild brauchen, das dieses aber völlig frei austauschbar ist. Sollten es eines Tages nicht mehr die Flüchtlinge oder die Moslems sein, dann sind es wieder die Obdachlosen.

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