vonannette hauschild 27.05.2011

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Helmut Lorscheid berichtet aus Düsseldorf:

Auch im altehrwürdigen Gerichtsgebäude in der Cecillienallee  bemüht sich das OLG um Kontrolle der Öffentlichkeit in Gerichtsverfahren.  Am 24. Mai war ich als  einziger Zuhörer und Journalist im Prozess gegen den BND-V-Mann Alaattin A, dem Mitgliedschaft in der DHKPC zu Last gelegt wird. Der Prozess gegen ihn findet im Hauptgebäude am Rheinufer statt, im  Saal A 01, einem gemütlichen, relativ kleinen, holzvertäfelten Raum, übrigens ohne jegliche  physische Abgrenzung zwischen Gericht- und Zuhörerbereich. Dort  sah mich mit der  ungeteilten Aufmerksamkeit der Kammervorsitzenden, Richterin am OLG  Barbara Havliza,  konfrontiert. Kaum daß ich saß, Kuli und Block ausgepackt und die ersten Zeilen notiert hatte, wollte die Richterin erfahren, wer denn da so fleißig mitschreibe. Meine Antwort: „Helmut Lorscheid, Journalist.“  Doch das genügte ihr nicht, wenig später schickte sie einen Gerichtsdiener zu mir, der mich vor die Tür bat, um sich dort meinen Personalausweis und Presseausweis aushändigen zu lassen. Beide Ausweise wurden für die Richterin kopiert. Otmar Breidling hatte sich sonst immer mit nur einem Ausweis begnügt. Sie begründete dieses Kopieren nach meiner Rückkehr in den Saal mit  „Sitzungspolizeilicher Anordnung.“ Die Richterin bezog sich damit auf sich selbst, denn es sind die Senatsvorsitzenden, die die sitzungspolizeilichen Anordnungen erlassen.

Die Linke im Landtag NRW hatte vor einiger Zeit eine Anfrage an die Landesregierung zur Kontrolle der Zuhörer in anderen DHKP-C-Verfahren im Spezialgebäude Düsseldorf-Hamm gestellt (Vergl. http://blogs.taz.de/terrorismusblog/tag/ali_atalan/ ) und die Landesregierung erklärte:  „Sofern Fotokopien von den Bundespersonalausweisen der Besucher gefertigt werden, beruht dies  auf einer entsprechenden sitzungspolizeilichen Anordnung des jeweiligen Senatsvorsitzenden gem. § 176 GVG„. 

 Sonst gibt es von diesem Tag auch nicht so richtig viel zu berichten.
Die Zeugin, Frau Ka., wiederholte auf nahezu alle Fragen der Vorsitzenden sterotyp den Satz „Daran erinnere ich mich nicht“ oder „das weiß ich nicht“ oder „ich erinnere mich wirklich nicht.“ Obwohl der Angeklagte nach Entlassung aus einer Haftstrafe bei ihr, einer Frau, die er bereits während seiner Schulzeit kennen gelernt hat, für einige Tage Zuflucht gesucht hatte, wollen sie sich, so die Zeugin lediglich darüber unterhalten haben, wie es denn so geht. Richterin Havliza machte deutlich, dass sie ihr nicht glaubt und kündigte an, dem Erinnerungsvermögen der Zeugin am nächsten Verhandlungstag,   am 7. Juni 2011 mit dem Vorspielen der im Rahmen der Telefonüberwachung aufgezeichneten Gespräche des Angeklagten eine gewisse Hilfestellung zu geben. Die Richterin drohte auch damit, dass die Zeugin möglicherweise die Kosten der durch ihre – möglicherweise nur vorgespielte Erinnerungslosigkeit – verursachten weiteren Verhandlungstage aufzuerlegen. 
Als weiterer Zeuge kam  – mal wieder – Herr Koch vom Bundeskriminalamt, dort viel beschäftigt mit dem Innenleben der DHKPC. Während die Vorsitzende Richterin Aussagen und Gutachten des BND so ernst zu nehmen scheint, dass sie  sich ernsthaft damit beschäftigt, tat Zeuge Koch einmal mehr kund, was man in seiner Behörde, dem BKA, von dem Geschreibsel der Schlapphütte hält.  Man nimmt es nicht einmal zur Kenntnis. Auf den Hinweis  der Richterin, der BND habe doch alle zwei Monate an die Innenbehörden berichtet, bekundete Koch seine Unkenntnis. Außerdem dürfe er zur Zusammenarbeit zwischen BKA und BND nichts sagen. Dieses „Nichts sagen dürfen“ ist ein fester Bestandteil der Prozesse, die auf Vorwürfen nach § 129 b fussen.

Aus Dialogen zwischen Gericht und Verteidigung ging hervor, dass auch dieses Gericht auf die Kooperationsbereitschaft des BND angewiesen ist. So erklärte die Richterin, der Senat habe dem BND in aller Deutlichkeit mitgeteilt, dass sie bestimmte Auskünfte und Aussagegenehmigungen bräuchten. Einzelheiten wurden nicht erläutert, schließlich ist fast  alles geheim, was vom BND kommt und darauf achtet das Gericht stengstens.
Vielleicht mag die Richterin auch deshalb keine Journalisten im Saal – vielleicht ist es ihr einfach peinlich, wenn bekannt wird, wie sehr der BND diese Art Prozesse bestimmt. Aus dem Dialog zwischen Gericht und Verteidigung ging nämlich auch hervor, dass nicht einmal der Angeklagte in seinem eigenen Prozess frei aussagen kann, weil er sich an die offenbar ebenfalls beschränkte Aussagegenehmigung des BND gebunden fühlt. Bekannt wurde auch, dass die Düsseldorfer Polizei wochenlang auch Gespräche zwischen einem, gegenüber dem Angeklagten Weisung gebenden BND-Mann und dem Angeklagten abhörte. Dieser Aspekt der (Nicht)-Zusammenarbeit zwischen den Geheimen und der ordentlichen Polizei bleibt interessant und entbehrt bei näherer Betrachtung nicht einer gewissen Komik.
Ich frage mich, bzw. besser, ich werde die Pressestelle des OLG fragen, wer in solchen 129b-Vefahren den Hut auf hat – der BND oder die Richter. Die Antwort gibt es ggf. an dieser Stelle zum Nachlesen für alle.

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