* Klima, Wahl, Klimawahl: An vielen Stellen herrscht gerade Freude oder doch zumindest hoffnungsvoller Optimismus, was die Regierungsbeteiligung der Grünen angeht – auch ihre Verbindung zur FDP verheißt hier eigentlich Gutes. Die Parteien haben es die Tage ja schon prima >geframet<: Die Alten sind abgewählt, die Neuen kommen – und was an Neuem notwendig erscheint, ist auch irgendwie klar: eine innovative, zukunftsträchtige und damit immer auch grüne Wirtschaft. Was in dieser Emphase freilich ein bisschen untergeht, sind Umweltprobleme im weiteren Sinne. Der Wahlkampf, und damit auch die öffentliche Bewusstseinsstiftung, haben sich sehr auf Klima und das CO2-Problem eingeschossen. Man sollte aber nicht müde werden zu betonen, dass es hier andere und ebenfalls sehr drängende Probleme gibt. Pestizide, Mikroplastik, oder Biodiversität sind Themen und Probleme von ähnlich großer Tragweite und Brisanz. Eine Klimaregierung ist freilich nicht automatisch eine Ökoregierung – fokussiert man sich hier zu stark auf das CO2, läuft man Gefahr die anderen Themen zu verschleppen – natürlich verkompliziert das eine ambitionierte grün-liberale Wirtschaftspolitik durchaus.
* Hier kann man rückblickend auch ein bisschen mit dem >Grünen-Wahlkampf< schimpfen. Natürlich macht es wahlkampfstrategisch Sinn, dass Baerbock/ Habeck immer wieder betont haben, man dürfe grüne Politik nicht gegen Sozialpolitik ausspielen, denn beides könne zusammen gehen. Und es stimmt sicher – irgendwie geht auch beides zusammen. Was man aber schon sagen kann, ist, dass grüne und soziale bzw. linke Politik trotzdem auch schwer vereinbar bleiben, oder sich gerade entgegensteht. Es ja geradezu ein Gemeinplatz, dass umweltbewusstes und gesundes Leben (Nahrung, Ökostrom etc.) kostspielige Angelegenheiten sind – diese Spannung geschickt aufzulösen und als grüne Politik immer noch irgendwie wirksam zu sein, ist alles andere als trivial (sich also nicht in Symbolpolitik zu verlieren und grüne Oasen in den von Baubeton verunstalteten Großstädten anzulegen – wie nett das auch wäre). Die Grünen erleben das gerade in Verhandlungen mit den Liberalen, wobei sie hier eher wohl das soziale Pendant darzustellen versuchen – eine Koalition mit den Linken hätte sie stärker in eine liberale Rückzugsposition gedrängt. Tendenziell aber steht auch bei Grün/Gelb das soziale Motiv im Schatten, weil der Diskurs wohl vor allem zwischen klimaschutzstrategischen Steuereingriffen der Umverteilung und wirtschaftlicher Selbststeuerung (qua Anreizsysteme) verlaufen wird.
* Pandora-Papers & Babis: Die Veröffentlichung der Pandora-Papers, der durch Briefkastenfirmen am Fiskus vorbei geschmuggelten Gelder von Andrej Babis (bald vermutlich ehemaliger Premier der Tschechischen Republik) entblößt sicher dessen kritikwürdige Seite. Täuschen sollten sie freilich aber nicht darüber hinweg, dass mit Andrej Babis, ähnlich wie mit Silvio Berlusconi damals, ein Großunternehmer und Medienmogul auch die obersten, politischen Plätze besetzt hat und damit ein kleines Imperium errichten konnte. Ich denke, man kann getrost sagen, dass hier das viel größere Problem liegt – auch wenn man natürlich beide Entwicklungen als Folge einer Entdemokratisierung und ihrer Effekte deuten kann.
Der Umstand, dass Babis nun vermutlich durch verbündete Kräfte anderer (nicht populistischer) Parteien ersetzt wird, ist zwar ein gutes Zeichen. Man muss aber auch sehen, dass diese Parteien mehrheitlich wirtschaftsliberal ausgerichtet sind und damit für einen politischen Trend stehen, der die Entdemokratisierung samt Leuten wie Babis, ihren Netzwerken der Macht und Trickserei, erst möglich gemacht hat.
* Demokratie = Regierung = Kanzler/in: Kurz kündigt keinen völligen Rückzug aus der Politik an, sondern bleibt ÖVP-Chef und wechselt als Fraktionschef ins Parlament. Diese Bemerkung von Sebastian Kurz und ihre weitläufige, unkritische Wiedergabe hat mir wieder die stechende Wirklichkeit vor Augen geführt, was für eine geringe Bedeutung die Parlamente in unseren Demokratien haben. Auch wenn allseits nun betont wird, dass Kurz wohl Schattenkanzler und mächtiger Mann bleibt – man bekommt den Eindruck, als hänge diese Macht von der Person Kurz und der Möglichkeit einer Bühne für sie ab. Das Parlament scheint hier geradezu zweitrangig zu sein und der Wechsel ins Parlament klingt so, als bewege sich Kurz damit auf den institutionellen Abgrund einer Instanz zu, die gerade noch mal so politische Relevanz besitzt.
Ist das Parlament oder die Gesetzgebung für die moderne (neoklassische) Demokratietheorie immer der Kern der Demokratie gewesen, das Moment oder der Ort, an dem Demokratie eigentlich stattfindet, stellen sich Demokratien historisch betrachtet unheimlich exekutivlastig dar. Das merkt man schon daran, dass mit der Regierung gemeinhin die Exekutive, und nicht die Gesetzgebung gemeint ist. Darüber hinaus haben es schließlich die Realdemokratien noch geschafft, den Blick auf Regierungen um einige Einzelpersonen zu zentrieren, so dass der Mehrteil der politischen Aufmerksamkeit bei Wahlen und danach auf eine Handvoll von Leuten zielt: Merkel, Scholz, Baerbock, Lindner, Kurz etc. Ein irgendwie sehr fürstliches Moment.