vonDarius Hamidzadeh Hamudi 26.06.2023

Zylinderkopf-Dichtung

Essays, Glossen, Kommentare und Neuigkeiten aus der Menagerie der kleinen Literatur.

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Braucht der Kanzlerwahlverein CDU ein Grundsatzprogramm? Oder ist Machterhalt Programm genug?

Aufbruch in unsichere Gewässer

Kapitän Merz hat sein Schiff in die unsicheren Gewässer eines Grundsatzkonvents manövriert. Die Union geht in den Dialog mit der Zivilgesellschaft und lädt Claudia Pechstein ein. Die Olympiasiegerin, das personifizierte goldene Gendersternchen der versammelten Konservativen, nutzt die Gelegenheit, um eine Lanze für das traditionelle Familienbild und das Z*schnitzel zu brechen. Außerdem sorgt sie sich um die Sicherheit in »öffentlich-rechtlichen Verkehrsmittel[n]«. – Friedrich Merz ist tief beeindruckt von ihrem schneidigen Auftritt: »Brillant!« Er kurbelt, auf der Brücke stehend, hektisch am Steuerrad. Unterdessen besingt Ministerpräsident Daniel Günther auf der Kieler Woche nicht nur Schönheit und Jugend der »Puffmama Layla«. Jens Spahn tritt staatsmännisch an die Reling und mahnt mehr »Corpsgeist« an. Was ist da los?

Ein Blick in die Seele der Union

Norbert Walter-Borjans skizziert im Jahr 2021 die Mechanik der Macht, die die Union auszeichnet, folgendermaßen:

»Wenn die Strippen zu Gönnern und Geldgebern und der Einfluss auf Ämter verloren zu gehen drohen, war der Partei mit dem C im Namen selten etwas heilig.«

Nicht nur Jens Spahn ist ein versierter Fundraiser, wie das Spendendinner des damaligen Gesundheitsministers bewiesen hat (– trotz öffentlicher Mahnungen zur Kontaktreduktion). Auch Hendrik Wüst ist ein ausgewieser Experte in Sachen Strippenziehen zu Gönnern und Geldgebern, Stichwort: »Rent-a-Rüttgers«. – Die Älteren werden sich erinnern.

»Stinkstiefeligkeit« oder »Blutgrätsche«?

In der Vergangenheit wurde schon einmal ein CDU-Machtkampf in der FAZ eingeläutet. Angela Merkel höchstselbst hatte dereinst mit Erfolg in der großformatigen Zeitung mit dem markanten Frakturlogo am Stuhl des damaligen CDU-Vorsitzenden Wolfgang Schäuble gesägt. Pünktlich zum kleinen Parteitag bringt sich Hendrik Wüst ebenda gegen Friedrich Merz in Stellung: »Das Herz der CDU schlägt in der Mitte«. Der Rheinischen Post verrät Wüst, seine Aufgaben lägen aktuell in Nordrhein-Westfalen. So ähnlich hatte auch Markus Söder sich vor der letzten Bundestagswahl geäußert. Die Süddeutsche Zeitung bezeichnet Wüsts Statement als »politische Stinkstiefeligkeit«. Robin Alexander spricht von einer »Blutgrätsche«. Rüstet sich der Steuermann für eine Meuterei?

Keilerei an Deck

In der TV-Sendung »Berlin direkt« zog Kapitän Merz seinem Offizier schlankerhand eins mit dem Logbuch über: »Die Unzufriedenheit auch in den Ländern, auch leider in Nordrhein-Westfalen (…) mit der Landesregierung ist fast genau so groß wie die mit der Bundesregierung.« Verschafft man sich mit solchen Rempeleien Respekt in der Partei?  – Auch Daniel Günther empfiehlt einen »Kurs der Mitte«. Wird die fröhlich singende Stimmungskanone lachender Dritter sein? Oder gelingt Jens Spahn der Sprung auf die Kommandobrücke?

Narrenschiff-Metapher wird zum Bumerang

Die CDU scheint wieder da angekommen zu sein, wo sie beim Duell zwischen Laschet und Söder aufgehört hatte. Das Ringen um die Kanzlerkandidatur hat begonnen. Vorbei die Zeit, als die aufgetakelte Fregatte der Christdemokraten einträchtig und oft siegreich von einer Landtagswahl zur nächsten segelte. Damals im September 2022 entblödete Friedrich Merz sich nicht, dem Bundeskanzler zuzurufen: »Stoppen Sie dieses rot-grün-gelbe Narrenschiff!«

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Bildnachweise

Thomas Bühler: »Das Narrenschiff« mit CC BY-SA 3.0 de-Lizenz via Wikimedia Commons. | Der Bildhintergrund wurde bearbeitet und das Motiv beschnitten.

creozavr: »Pirat« via pixabay.

Vielen herzlichen Dank!

 

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