Von Ebru Tasdemir
Den Turnschuh hat er verbummelt, aber dafür hatte Deniz Yücel, der „vielleicht meistgehasste taz-Redakteur aller Zeiten“, noch die Schnürsenkel parat. Der Schuh war als Zeichen der Verachtung geschickt worden, „wie es seiner Kultur entspräche“, so der Schuhabsender und Leserbriefschreiber. Als Deniz Yücel diese kleine Anekdote zum Besten gab, war das taz-Café am Montagabend bereits so voll, dass es nicht mal mehr Stehplätze gab. Mely Kiyak, Kolumnistin der Frankfurter Rundschau und Yassin Musharbash, Journalist und Autor des Thriller „Radikal“, warfen sich da bereits die Hassmail-Pointen nur so um die Ohren und das wirklich charmant moderiert von der taz-Redakteurin Doris Akrap.
Auf der Veranstaltung „Hate Poetry“ zitierten und kommentierten die drei Journalisten ihre schlimmsten Drohmails, krassesten Schimpfbriefe und andere nicht nett gemeinte Zuschriften, die sie im Laufe ihrer Arbeit von ihren liebsten und deutschesten Lesern erhalten hatten. Doch es war kein klassische Politveranstaltung, sondern eine große Show. Die drei Journalisten trugen die Texte mit großem schauspielerischem Einsatz vor und boten so dem Publikum zwei Stunden beste Unterhaltung. Dieses durfte zwischendurch, wie es sich für einen Poetry-Slam gehört, per Applaus in fünf Kategorien über die beste Hassmail abstimmen. Die Kategorien: 1. „Sehr geehrter Herr Arschloch, Sehr geehrte Frau Fotze“, 2. Abokündigungsdrohung“ 3. „Falsche Freunde“ 4. „Hot Shit“ und 5. „kurz und scheiße“.
Genial auch immer wieder die Einwürfe von Mely Kiyak, die sie als „Pausenkalauer“ zum Besten gab wie beispielsweise ihren Aktenordner, in dem sie die handschriftlichen Briefe sammelt, die teilweise sogar mit getrockneten Blumen geschmückt sind. Ernst ging es nicht zu, obwohl das Thema trotz Morddrohungen, Drohmails sowie öffentlichen Aufrufen 0zu Gewalt an AutorInnen mit Migrationshintergrund Alltag in Deutschland ist. Als „Katharsis“ resümmierte Yassin Musharbash den Abend: Endlich waren diese Dinger mal raus aus der privaten Schublade.
Der Sekt floss in Strömen, die Lachtränen auch und am Ende des Abends wurde eine Forderung immer wieder laut: „So was gabs noch nie. Bitte nochmal!“ Wir kommen dieser Bitte selbstverständlich nach. Dieses einzigartige Ereignis muss wiederholt werden. Wait for it, wir gehen bald auf Hate-Poetry-Tour!
Siehe auch
– Radiobericht von Kemal Hür für das Funkhaus Europa über die Veranstaltung: Download als MP3
– Hassvideo gegen Yassin Musharbash
[…] dieser antirassistischen Leseshow. Deshalb werden sie – drei Jahre nach der Premiere im taz-Café bei den “Journalisten des Jahres 2014″ des Branchenblatts medium magazin mit einem […]