vonChristian Ihle & Horst Motor 09.06.2007

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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Nostalgie ist für Arschlöcher.

Die zweite Hälfte des Himmels könnt ihr haben
doch das hier und das jetzt
das behalte ich.

Admiralspalast, Berlin. Bier 5 Euro. Im Erdgeschoß eine Comedy-Veranstaltung für die Massen, Fehlfarben im 4. Stock für die altgewordenen Punks. Es passt zu Fehlfarben wie zu keiner anderen Band: sie sind unbequem, sie passen sich nie ein, sie sind unberechenbar. Und all das konzentriert sich in der Person Peter Hein.

Das Nein als Prinzip

Das Konzert beginnt eigenartig genug: „Das war vor Jahren“ – die Hymne des vermuteten Sieges auf dem 1980er „Monarchie & Alltag“ – Werk – spielen sie hart an der Easy Listening Grenze gleich zu Beginn. Und so wird es den restlichen Abend weitergehen. Peter Hein hasst die Vorstellung, dass diese Menschen gekommen sind um 27 Jahre alte Lieder zu hören. Er will nicht deine verdammte Jukebox sein und lässt dich das in jeder Sekunde spüren. Beinahe mit Abscheu spielt er die alten Songs, provoziert das Publikum nach den aktuellen Liedern ständig mit höhnischen „Danke für die Geduld“-Phrasen bis er den Fehlfarben-Song ankündigt: „So, jetzt kommt der Song, den ihr alle so mögt“ – Publikum jubelt – „Nein, nicht den Song, den ihr alle so mögt und wir gar nicht, sondern den Song, den ihr alle so mögt und wir auch ganz ok finden.“. Paul Ist Tot. Wie immer zersingt Hein die adoleszente Wucht, die er damals in diese Sätze legte. Aber es muss vielleicht auch so sein, wenn wir Heins Logik folgen. Wie ein von Lowtzow heute nicht mehr Teil einer Jugendbewegung sein kann und Jochen nicht mehr in der Ghettowelt lebt, kann Hein nicht mehr die Desillusion der Jugend besingen, sondern muss diesen Text in die Abscheu des Alters transportieren. Mit 21 Jahren war in „Paul Ist Tot“ die Angst, etwas zu versäumen und nicht das zu Bekommen, was man doch eigentlich will. Mit 49 Jahren ist es das Wissen darum.

Das Nein als Person

Und es gibt niemanden, niemanden in diesem ganzen Land, der dir so zugleich die Abscheu vor dem Jetzt, vor dem Altern, vor dem Sein entgegenschleudern kann und trotzdem aufrecht steht. Ohne Pathos, ohne Stolz. Hein macht es immer noch auf seine Weise, er verweigert sich. Hein verweigert sich in Teilen sogar so konsequent, dass er sich der Verweigerung verweigert: „So schön dass ihr alle da seid. Ich hoffe ihr macht guten Umsatz. Also für uns, die Theke ist mir egal.“

Im Grunde: Philosophie.

Genau aus diesem Punkt sind Fehlfarben-Konzerte Lehrstunden: in ihnen wird die Absurdität des Punk in ihrer Gänze aufgefächert. In Hein kulminieren alle Widersprüche, die Punk in sich trägt. Punk ist angetreten, um die Regeln zu brechen. Wenn das Regeln brechen, aber zur Regel wird, ist das Regel einhalten das Regeln brechen. An diesem Irrsinn arbeitet sich Punk seit 30 verdammten Jahren ab und stellvertretend wie kein zweiter: Peter Hein. Von der Unmöglichkeit seinen eigenen Weg zu gehen, ohne sich umzubringen.


Du siehst Peter Hein auf der Bühne stehen, komplett in weiß gekleidet, aber mit ranziger Lederjacke, aber mit strassbesetzten schwarzen Anzugschuhen.

Du bist angewidert und angezogen. Es ist eine Freakshow ohne Show. Es ist nie Act, aber natürlich weiß Hein andererseits darum, dass hier alles eben doch Show ist. „Der Zeitgeist soll mich am Arsch lecken“ sprach Claus Peymann einst und man darf sicher sein, dass Hein diesen Satz unterschreiben würde. Aber wahrscheinlich würde Hein sehr viele Sätze mit diesem Fazit unterzeichnen. Er ist die personifizierte negative Energie.

Durch Peter Hein werden die Fehlfarben undurchdringbar, intransparent. Alles ist möglich. Das Bedienen der Erwartungen in der einen Sekunde wie die radikale Verweigerung desselben in der nächsten. Sie spielen „Wilde 13“. Ein Hit der Fehlfarben, aber aus der Phase ohne Peter Hein. Hein: „Ja, jetzt spielen wir eben was zum Tanzen. Ich musste den Song auch erst lernen für euch. Das war nicht meine Welt.“
Es ist verwirrend wie nichts, in sich selbst gleichzeitig das Begehren zu spüren, nie werden zu wollen wie Peter Hein und das Bedauern, letzten Endes nie wie er werden zu können.


Von links nach rechts: Alltag, Monarchie.

Ausblick aus dem vierten Stock des Admiralspalastes, kurz vor dem Fehlfarben-Konzert.

Christian Ihle

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https://blogs.taz.de/popblog/2007/06/09/das-nein-als-prinzip-fehlfarben-in-concert/

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kommentare

  • How is it on earth possible to make comments on the best german band ever. Just respect should be on it’s place. Don’t fall into populair critisisme. Whatever the commentator writes he never can stand in the shadow if this band.
    It’s lonely at the top and you can only make yourselve rediculous by making comments on fehlfarben, whatever they do.This music ist kein PUNK they are „evergreens“

  • Ja, das ist sicherlich auch etwas, das auf Peter Hein passt – wenn auch anders. Und falls das nicht so deutlich geworden ist: der obige Text drückt auch meine Faszination aus, mit der Art wie Hein mit all den Widersprüchlichkeiten umgeht. Auch mit dem Prinzip „Ikone“ zu sein für etwas, das fast 30 Jahre in der Vergangenheit liegt. Auch und gerade mit dem Prinzip „Ikone“ sein als Außenseiter. Im Punk. Wo der Punk doch das Prinzip Star/Ikone eigentlich negiert hatte, negieren wollte, aber die Ikonen natürlich trotzdem entstehen. Dadurch kommt im Punk beim Ikone/Star sein guilt zwangsläufig mit dem Genuß.

    Und dann kann man über Peter Hein die Brücke schlagen zum Punk in Gänze: Punk ist ja gerade das anders sein, das Schöne im Hässlichen zu sehen, sich gegen die Konventionen zu stellen. Aber immer wenn das bereits wieder gezielt geschieht, wird es ja schon wieder zur Konvention und muss daher wiederum gebrochen werden. Deshalb kann Punk nie ankommen, ist Punk immer unterwegs, wird Punk nie glücklich – oder besser: darf er nie glücklich werden, weil er er dann ja irgendwo angekommen wäre, wo er das doch per Definition nicht darf/kann. Die systemzersetzenden Kräfte sind beim Punk systemimmanent. Und mir scheint, dass Hein das immerzu transportiert, ob willentlich oder nicht.

    Deshalb muss man sich auch die Fehlfarben ansehen: das ist verstörend und das ist richtig so.

    Interessant ist in diesem Zusammenhang übrigens auch die Joe Strummer Dokumentation „The Future Is Unwritten“. Strummer, der ja passenderweise die „Ikone“ Peter Heins war (sein „Künstler“name „Janie Jones“ ist dem ersten Song des Clash-Debüts entnommen), wird auch von den systemzerrenden Kräften letzten Endes zerschmettert. Er ist nur in der Hinsicht anders, dass er lange Zeit die Widersprüchlichkeiten in positive Energie wandeln kann, während Hein die Misanthropie und den Selbsthass auslebt. Strummer ist die helle Seite zur dunklen von Hein (oder auch John Lydon, der Peter Hein in vielen Dingen nicht unähnlich ist)

  • Naja, Ihr schreibt hier den Musik-Blog, den ich ganz nett finde und der ja auch ganz nett sein muss, sonst liest es ja keiner.

    Ich habe mir die Plattenaufleger-, Club und Plattenladen-Szene mal genau angeschaut, auch den Journalismus darüber. Und sie ist in meinen Augen teilweise auf ähnliche Art Kapitalismus, Konsum, Meinung und Willfährigkeit wie das sehr schön bei dem Timberlake-Konzert beschrieben wurde.

    Der Grad, mit der der Fehlfarbensänger als Quasi-Außerirdischer dargestellt wird, sagt viel für mich. Mir ist er so gar nicht fremd, aber ich bin auch anders gestrickt und in meinem Umfeld auch oft nicht kompatibel bzw gelte ich als verrückt. Dabei gibt es philosophische und andere Schriften, Adorno z.B. glaube ich, die solche Menschen als eigentlichere, richtige und schöne Menschen beschreiben. Leute, die nicht annehmen, was ihnen da angeboten wird an Möglichkeiten. In dieser Sperrigkeit liegt sehr viel Herzensbildung und Schönheit. Man muss aber einen Schritt zur Seite machen, manchmal, um das erkennen zu können.

    FG

  • sollte dieser Kommentar im geiste Johan Cruyffs abgegeben worden sein („Wenn ich wollte, dass ihr das versteht, hätte ich es besser erklärt.“), dann ist dies gelungen. Meint: so ganz verstanden habe ich nicht, was Dein Anliegen nun war?

  • Ja, sexy szenekompatibel ist da schon gefälliger und einfacher.
    Geht Ihr eigentlich auch diese Plattenumhängetaschen in den Laden?

    MfG

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