vonChristian Ihle 09.11.2010

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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„Sie sind jetzt seit fast einem Jahr im Amt. Seither warte nicht nur ich auf Taten und Zeichen von Ihnen, die die Lage der Familien verbessern und die Gleichberechtigung der Frauen weiter bringen könnten. (…) Wir warteten bisher allerdings vergebens. Die einzig aufregende Nachricht aus Ihrem Amt war Ihr Namenswechsel von Köhler auf Schröder.

Dafür haben Sie nun dem Spiegel ein aufschlussreiches Interview gegeben. Ein Interview, bei dem man nicht so recht weiß, ob man nun weinen oder lachen soll. Eines jedenfalls ist spätestens jetzt klar: Was immer die Motive der Kanzlerin gewesen sein mögen, ausgerechnet Sie zur Frauen- und Familienministerin zu ernennen – die Kompetenz und Empathie für Frauen kann es nicht gewesen sein.
(…)
Als erstes nehmen Sie sich den „frühen Feminismus“ vor. Da haben Sie als Jahrgang 1977 zwar die Gnade der späten Geburt, aber nicht das Recht, Stammtisch-Parolen zu reproduzieren. Stammtisch-Parolen aus den 1970er Jahren wohlgemerkt. Denn die Stammtische 2010 sind längst weiter, viel weiter als Sie. Der „frühe Feminismus“ habe „übersehen, dass Partnerschaft und Kinder Glück spenden“, für ihn sei die Homosexualität „die Lösung der Benachteiligung der Frau“ gewesen, behaupten Sie. Frau Ministerin, ein so billiges Klischee wagen Sie doch nicht allen Ernstes über die folgenreichste soziale Bewegung des 20. Jahrhunderts zu verbreiten?
(…)
Es ließe sich noch vieles sagen, Frau Schröder. Aber, darf ich offen sein? Ich halte Sie für einen hoffnungslosen Fall. Schlicht ungeeignet. Zumindest für diesen Posten. Vielleicht sollten Sie Presse-Sprecherin der neuen, alten so medienwirksam agierenden, rechtskonservativen Männerbünde und ihrer Sympathisanten werden.“

(Alice Schwarzer in einem offenen Brief ihrer Zeitschrift „Emma“ an Familienministerin Kristina Schröder)

Inhaltsverzeichnis:
* Die ersten 300 Folgen Schmähkritik
* Wer disst wen?

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kommentare

  • Kay Sokolowskyy in seinem Buch „Who the fuck is Aice?“, eine der schönsten Schmähkritiken ever:

    „Als Theoretikerin eine Niete, als Schriftstellerin ein Desaster, als Journalistin ein abschreckendes Beispiel”

    qed

  • Ach, Alice Schwarzer: In der Sache oft gut (wenn auch früher total überzogen bis höchst problematisch), aber in ihrer Vermessenheit, für alle Frauen zu sprechen und über alle Frauen bestimmen zu könnem, einfach krass daneben. Wir haben da auch gerade was zu geschrieben, sie Website

  • Frau Schröder stellt mit ihrem völligem Mangel an Kompetenz tatsächlich einen emanzipatorischen Fortschritt dar. Endlich darf eine Frau auch mal nichts können. Allerdings ist das gerade auf ihrem Posten tragisch. Als ich ihr erstes Interview hörte, hatte sie bei mir schon verloren. Sie sagte, man müsse sich verstärkt um die armen Jungen kümmern, die in der Schule so vernachlässigt werden und deswegen schlechtere Noten als Mädchen haben. Untersuchungen belegen, dass 80 Prozent der Lehreraufmerksamkeit bei den armen Jungen liegen.

    Natürlich schäumt Frau Schwarzer nach dem Interview von Frau Schröder. Die unglaublichen Leistungen der Frauenbewegung und von Frau Schwarzer werden eh nicht gewürdigt. Frau Schröder tritt auch noch mit den Füßen drauf.
    Wir sind noch lange, lange nicht angekommen. Das merke ich tagtäglich im Job.

  • ich finde man muss frau schröder auch mal zu gute halten, dass mit ihr jetzt erstmals eine völlig unfähige frau in einer hohen, für sie völlig ungeeigneten öffentlichen position sitzt.
    bis jetzt war das unfähigen männern vorbehalten; so gesehen ist das schon ein fortschritt in sachen gleichberechtigung.

  • Kristina Schröder: Nein. Ich muss mir nur angucken, welch starkes Konkurrenzdenken Männer oft haben und wie sehr sie sich in Meetings manchmal aufregen, wenn der Kollege was Kluges gesagt hat. Ich wage sogar die These: Säßen in der Arbeitswelt nur Frauen in den Konferenzräumen, kämen die Runden viel schneller zu Entscheidungen.

  • Ich unterstütze diese Frau Schröder nicht, ich finde sie ebenfalls nicht geeignet. Was ich aber viel schlimmer finde ist, wie Alice Schwarzer sich in der Öffentlichkeit äußert. Damit diskreditiert sie sich und die berechtigte Kritik an Leuten wie Schröder, denn im Grunde höre ich da nur das Geifern einer frustrierten, alten Frau heraus, die es einer anderen Frau nicht gönnt, von der Gleichberechtigung zu profitieren. Es gibt soviel männliche Nulpen in Ministerposten, die irgendwie immer durchgewunken werden, aber an eine Frau sollen höhere Maßstäbe angelegt werden? Damit widerspricht Alice Schwarzer ihrem eigenen Lebenswerk. Auch Frauen sollen ungestraft versagen dürfen.

  • Aeh, sorry, aber sehe ich richtig, dass ihr diese Frau Schröder unterstützt?

    Die will ja nur ihre ultrakonservative Klientel bedienen mit verzerrten Aussagen. Oder glaubt ihr etwas, dass ihre Behauptungen was mit dem Mainstream der Feminismusbewegung zu tun haben? Das wäre ja so, als würde man ihrem Schlag vorwerfen, sie wollten die Fußfessel für Frauen, damit sie nicht vom Herd wegkommen.

  • Alice Schwarzer hat völlig recht. Schröder fehlt einfach die Reife für den Job.

    Die Ziele der Frauenbewegung sind noch lange nicht erreicht. Voreiliges Geschwätz wie hier von Schröder und Koch Merin manifestieren die Zufriedenheit mit nicht ganz erreichten Zielen.

    85% erreicht und nun. Sind wir mal wieder lieb und freuen uns an den glücksspendenden Kindern…

    Die Ziele sind im übrigen auch für uns Männer erstrebenswert. Ich habe nach sechs Jahren die Rolle als Hauptverdiener an meine frau abgegeben und kümmere mich nun hlabtags um die Kinder.

    Man sollte immer mal die Rollen wechseln oder zumindest verändern.

    Bringen auch Glück für Männer die Zwerge!

  • Als Türkin und Feministin bin ich von Frau Schwarzer enttäuscht. Sie wird im großen und ganzen zur Mittelschichtsfeministin; und vergisst, welchen Beginn der Feminismus hatte. Sie wollte einst das patriarchale System beenden; jetzt unterstützt sie es, indem sie dessen Feindbilder annimmt.

  • Ministerin Schröder gibt sich Mühe. Ihre Ergebnisse sind auch gar nicht so schlecht. So in etwa Drei Minus.
    Dass Sie jetzt aber von A. Schwarzer geradezu geadelt wird! Das ist vielleicht zuviel der Ehre. Aber Alice’s Pamphlet ist trotzdem eine Delikatesse. So viel unfreiwillige Komik hat man selten.

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