vonChristian Ihle 26.12.2010

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

Mehr über diesen Blog

10. Christiane Rösinger: „Songs Of L & Hate“ (Indiepedia)

Von Kleinkunst-Pastiche (der Song „Berlin“) bis zu Dylan-Hommage (das Albumcover) reichte Christiane Rösingers überraschendes Spätwerk „Songs Of L & Hate“ (das im Titel wiederum Leonard Cohen zitierte). Andreas Spechtl, Mastermind der österreichischen Wahlberliner und letztjähriger Album-Des-Jahres-Gewinner Ja, Panik, unterstützte in den Arrangements, gibt Rösingers Ein-Mann-Backing-Band und verheiratet so die Scheitern-als-Kunst-Texte Rösingers mit der zart antreibenden Energie seiner Hauptband.

Höhepunkte:
* Berlin
* Desillusion
* Es Ist So Arg

Charts:
D: – / UK: –

9. Television Personalities: „A Memory Is Better Than Nothing“ (Indiepedia)

Hier wurde ein eingebetteter Medieninhalt blockiert. Beim Laden oder Abspielen wird eine Verbindung zu den Servern des Anbieters hergestellt. Dabei können dem Anbieter personenbezogene Daten mitgeteilt werden.

Die selbst für TVP-Heads unübersichtliche Diskographie der britischen Do-It-Yourself-Legende Dan Treacy erfuhr in diesem Jahr einen Neuzugang, den wir – ehrlich gesagt – nicht mehr erwartet hatten. Das konziseste Werk, das Treacy seit den 80ern veröffentlicht hat, erstmals seit langem wieder mit einer durchgängig überzeugenden Band und einer ausgefeilten Produktion, die dennoch nie Treacys Verrücktheit zu verstecken sucht. Wahrscheinlich das beste Album des Jahres, das von niemandem gehört wurde. Brillant.

Höhepunkte:
* The Good Anarchist
* Walk Towards The Light
* A Memory Is Better Than Nothing

Charts:
D: – / UK: –

8. Laura Marling: „I Speak Because I Can“ (Indiepedia)

Man muss sich immer wieder bewusst daran erinnern: Laura Marling ist 1990 geboren. Gerade 20 Jahre alt geworden. Und hat trotzdem schon das zweite hervorragende Album ihrer Karriere veröffentlicht. Die unprätentiöse Göttin der britischen Folkszene, die von wirklich allen nur mit Bewunderung betrachtet wird, die selbst einen Jack White um Worte ringen lässt (und eine ebenfalls bemerkenswerte kleine Single spontan bei ihrem Studiobesuch aufnimmt), die mit „I Speak Because I Can“ den minimalistischen Sound von „Alas I Cannot Swim“ behutsam erweitert ohne ihn gleich der Stadion-Folk-Behandlung des Lebensabschnittpartners Marcus Mumford (& Sons) zu unterziehen.

Höhepunkte:
* Goodbye England (Covered In Snow)
* Alpha Swallows
* Devil’s Spoke

Charts:
D: – / UK: 4

7. Wave Pictures: Susan Rode The Cyclone „ (Indiepedia)

Das schlecht gehütetste Geheimnis Englands? Die unterschätzteste Band Britanniens? Die Wave Pictures veröffentlichen im Jahrestakt beeindruckende Alben, schreiben die besten Texte des Landes und die schönsten Melodien. Eine jener Bands, die nie für große mediale Aufregung sorgen, aber am Ende des Jahres dann doch immer wieder das meistgespielte Album in unseren iTunes-Ordnern stellen. Die einzig legitimen Nachfolger der Indie-Heroen Hefner!

Hier wurde ein eingebetteter Medieninhalt blockiert. Beim Laden oder Abspielen wird eine Verbindung zu den Servern des Anbieters hergestellt. Dabei können dem Anbieter personenbezogene Daten mitgeteilt werden.

Höhepunkte:
* Blind Drunk
* Cinnamon Baby
* I Just Want To Be Your Friend

Charts:
D: – / UK: –

6. LCD Soundsystem: „This Is Happening“ (Indiepedia)

Wenn es tatsächlich das letzte LCD Soundsystem Album gewesen sein sollte, dann verabschiedet sich James Murphy nicht mit einem Wimmern, sondern einem großen Paukenschlag. Wir hatten schon anlässlich des Vorgängeralbums „Sound Of Silver“ geschrieben, dass es außer Murphy niemanden im Schnittbereich von Electro/Post-Punk gibt, der es schafft, nicht nur brillante Singles, sondern auch überwältigende Alben zu veröffentlichen. Dass er dazu noch den wahrscheinlich besten Plattenbeginn des Jahres mit „Dance Yrself Clean“ geschrieben hat und im Folgenden mit Ausnahme von „Drunk Girls“ keinen einzigen schwachen Track folgen lässt, qualifiziert ohne langes Nachdenken für eine erneute Top-Ten-Platzierung in den Popblog-Jahreslisten (und übrigens seine erste Top-Ten-Platzierung überhaupt in den amerikanischen Verkaufscharts!).

Höhepunkte:
* Dance Yrself Clean
* Pow Pow
* I Can Change

Charts:
D: 58 / UK: 7 / US: 10

5. Sleigh Bells: „Treats“ (Indiepedia)

Dass im Summer Of Lo-Fi von allen Veröffentlichungen ausgerechnet der barsche Pop der Sleigh Bells das beste Album wird, war so nicht zu erwarten. Während Best Coast oder die Dum Dum Girls hinter den (sehr hohen) Erwartungen auf Albumlänge etwas zurückblieben, gelang es Sleigh Bells trotz der scheinbaren Übersimplizität genügend Songs zu schreiben, die eine Haltbarkeitsdauer haben, die den ersten Adrenalin-Rausch überlebt. Neben den Mördergitarren von „Crown On The Ground“ oder „Infinity Guitars“ deuten Sleigh Bells mit „Rill Rill“ an, dass sie auch zu richtigem Pop fähig sind. Es wird nicht überraschen, ginge das zweite Album von Sleigh Bells durch die Decke.

Höhepunkte:
* Crown On The Ground
* Infinity Guitars
* Rill Rill

Charts:
D: – / UK: – / US: 39

4. 1000 Robota: „UFO“ (Indiepedia)

Es gibt wohl kaum eine Band hierzulande, die derart polarisiert wie Hamburgs 1000 Rotzlöffel. Von den einen als Ansammlung unreifer Soziopathen (zurecht) mit müde zusammengeschustertem Post-Punk (zu Unrecht) abgetan, von den anderen als Deutschlands bemerkenswerteteste junge Band gefeiert, die nicht nur die richtigen Vorbilder hat (DAF, Fehlfarben, Neu!), sondern auch die musikalischen Fähigkeiten, auf deren Niveau zu spielen. „UFO“ verliert wenig von der Dringlichkeit des Debüt-Postpunkwirbels, baut aber geschickt und überraschend Krautrockelemente bei „Fahr Weg“ ein – in England wurden die Horrors für eine derartige Entwicklung auf die Cover, in den Himmel gehoben…

Höhepunkte:
* Wir reissen uns zusammen
* Alter Mann
* hidden track

Charts:
D: – / UK: –

3. Manic Street Preachers: „Postcards From A Young Man“ (Indiepedia)

Ja, „Postcards From A Young Man“ klingt wie 1996. Ja, die erste Single war eine platte Radionummer. Ja, ein Song wie „Golden Platitudes“ wäre eine todsichere Nummer-1-Single-Ballade für Oasis 1997 gewesen. Aber: hätte ein Noel Gallagher einen populistischen Song wie „Golden Platitudes“ denn tatsächlich als beißende Kritik an die verratenen Ideale von New Labour formulieren können? Hätte irgendeine, irgendeine andere Band mit der Geschichte der Manic Street Preachers den Mut und die Kraft in dem 23. und 24. Jahr ihres Bandbestehens einmal das wildeste und härteste Album seit 15 Jahren („Journal For Plague Lovers“, 2009) und darauf folgend die melodischste, im besten Sinn radiotauglichste Platte seit ebenfalls eineinhalb Jahrzehnten zu veröffentlichen? „A last shot at mass communication“, so Nicky Wire, war „Postcards From A Young Man“. Und was für einer. Ihr bestes Album seit 1996.

Höhepunkte:
* Don’t Be Evil
* Golden Platitudes
* Some Kind Of Nothingness
* A Billion Balconies Facing The Sun

Charts:
D: 65 / UK: 3

2. Girls: „Broken Dreams Club EP“ (Indiepedia)

Keine Band schafft es derzeit so eindrucksvoll Einfachheit und Langlebigkeit zu verbinden wie Girls. Bereits das Debüt „Album“ weigert sich bis heute die Plattenspieler zu verlassen und das flugs hinterhergeschobene Mini-Album „Broken Dreams Club“ folgt diesem Beispiel. Ohne Übersingles wie „Lust For Life“ oder „Hellhole Ratrace“ ausgestattet, verlässt sich „Broken Dreams Club“ noch mehr auf das Erzeugen von Atmosphäre und Stimmung, verliert aber nie seine Unmittelbarkeit. Selbst beim achtminütigen Schlußstück „Carolina“, das beim ersten Anhören noch ziellos zu mäandern scheint, wird bei mehrfachem Zuhören klar, dass die ersten viereinhalb shoegaze-lite Minuten dazu dienen, der im Folgenden einsetzenden Melodie nur noch mehr Raum zu geben.
Erneut brillant produziert von Chet White sind die von Christopher Owens geschriebenen Songs von einer musikalischen wie textlichen Eingängigkeit ohne dabei je Plattheit zu streifen, so dass Girls nun nach Platz 3 im letzten Jahr mit Platz 2 nach Hause gehen. Album des Jahres 2011 dann, Jungs?

Höhepunkte:
* Substance
* Thee Oh So Protective One
* Carolina

Charts:
D: – / UK: –

1. The Smith Westerns: The Smith Westerns (Indiepedia)

Um ein Jahr verspätet erschien das Debüt der unverschämt jungen Smith Westerns endlich auch in Deutschland und hat bei den wenigen, die es gehört haben, die Herzen im Sturm genommen. Der so tatsächlich unvergleichliche Mix aus einer No-Fi-Produktion, Garagen-Nugget-Sounds und einer ganz offensichtlich großen Liebe zum Glam-Rock („Girl In Love“ = T. Rex! „Diamond Boys“ = Bowie!) schafft eine Melodiedichte, die einerseits überwältigen will, andererseits aber durch die geradezu absurd verwaschene Produktion immer genügend Distanz aufbaut, um nicht zu offensichtlich zu werden. Eine singuläre Erscheinung sind die Smith Westerns bereits bevor sie das 20. Lebensjahr erreicht haben – das im Januar erscheinende zweite Album mit einem klareren Sound wird dann der erste Angriff auf die Weltherrschaft im Indierock werden.

Höhepunkte:
* Be My Girls
* Diamond Boys
* The Glam Goddess
* My Heart

Charts:
D: – / UK: –

Auch empfehlenswert:

11. MGMT: Congratulations
12. Tocotronic: Schall & Wahn
13. Salem: King Night
14. No Age: Everything In Between
15. These New Puritans: Hidden
16. Strange Boys: Be Brave
17. Hot Chip: One Life Stand
18. Kath Bloom: Thin Thin Line
19. Gorillaz: Plastic Beach
20. Clinic: Bubblegum

21. Jens Friebe: Abändern
22. Crocodiles: Sleep Forever
23. Best Coast: Crazy For You
24. Crystal Castles: Crystal Castles (2010)
25. Vampire Weekend: Contra
26. Herpes: Das kommt vom Küssen
27. Frankie Rose & The Outs: Frankie Rose & The Outs
28. Blue Angel Lounge: Narcotica
29. Arcade Fire: Suburbs
30. The Drums: The Drums

31. Gaslight Anthem: American Slang
32. The Fall: Your Future Our Clutter
33. Fehlfarben: Glücksmaschinen
34. Robyn: Body Talk
35. Hans Unstern: Kratz Dich Raus
36. Gary: One Last Hurrah…
37. Local Natives: Gorilla Manor
38. Caribou: Swim
39. Morning Benders: Big Echo
40. MIT: Nanonotes

und 2009?

1. Ja, Panik – The Angst & The Money
2. The Horrors – Primary Colours
3. Girls – Album
4. Pet Shop Boys – Yes
5. Emmy The Great – First Love
6. The Wave Pictures – If You Leave It Alone
7. Manic Street Preachers – Journal For Plague Lovers
8. Let’s Wrestle – In The Court Of The Wrestling Let’s
9. La Roux – La Roux
10. Peter Doherty – Grace/Wastelands

und 2008?

1. Laura Marling – Alas I Can’t Swim
2. Glasvegas – Glasvegas
3. No Age – Nouns
4. Crystal Castles – Crystal Castles
5. Vampire Weekend – Vampire Weekend
6. Love Is All – A Hundred Things To Keep Me Up At Night
7. 1000 Robota – Er Nicht Du Nicht Sie Nicht
8. Johnny Flynn & The Sussex Wit – A Larum
9. Hot Chip – Made In The Dark
10. Santogold – Santogold

mit Text? hier

und 2007?

1. The Good, The Bad & The Queen – The Good, The Bad & The Queen
2. Die Türen – P-O-P-O
3. LCD Soundsystem – Sound Of Silver
4. Babyshambles – Shotters Nation
5. Tocotronic – Kapitulation
6. The White Stripes – Icky Thump
7. Jamie T – Panic Prevention
8. The Cribs – Men’s Needs, Women’s Needs, Whatever
9. Friska Viljor – Bravo!
10. The Rakes – Ten New Messages

mit Text? hier

und 2006?

1. Love Is All – 9 Times The Same Song
2. The Strokes – First Impressions of Earth
3. Two Gallants – What The Toll Tells
4. The Rapture – Pieces Of The People We Love
5. Die Goldenen Zitronen – Lenin

mit Text? hier

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/popblog/2010/12/26/die_zehn_besten_alben_2010/

aktuell auf taz.de

kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert