vonChristian Ihle 20.04.2011

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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Die Smith Westerns haben den Popblog mit ihrem nur auf Vinyl veröffentlichten Debütalbum im Sturm genommen – so viel Pophits in krachender Verpackung hatten wir eine lange Zeit nicht mehr gehört. Album Nummer Zwei, das erstmals auf einem halbwegs großen Label (Domino) und nun auch offiziell in Europa erscheint, zeugt von einer erstaunlichen Weiterentwicklung für eine Band, deren Mitglieder immer noch kaum 20 Jahre alt sind. Erheblich mehr der Idee eines “Albums” anstatt einer “Songsammlung” folgend und deutlich beeinflußt von psychedelischerem Sound der 70er ist “Dye It Blonde” ein anderes Biest als das selbstbetitelte Debütwerk. Grund genug, sich mit unserer Album-des-Jahres-2010-Band über die Weiterentwicklung zu unterhalten.

Popblog: Euer erstes Album hatte einen Garage-Rock- und Lo-Fi-Sound, aber auch da konnte man schon Spuren von Bowie und T.Rex-Songwriting heraushören. Für euer zweites Album “Dye It Blonde” habt ihr einen viel feineren, klareren Sound gewählt – war das eine bewusste Entscheidung?

Smith Westerns: Ja, wir wollten bewusst weg vom Sound des Debüts, wobei ich nie verstanden habe, wo man da einen Garage-Rock-Sound heraushört. Aber es stimmt: unser erstes Album war dreckiger, war unser Versuch wie eine Power-Pop-Band aus den 70ern zu klingen.

Durch das Älterwerden verbesserst du eben auch deine musikalischen Fertigkeiten, man hört neue Musik, ist mit anderen Bands unterwegs, denen du zuschaust und zuhörst, das alles hatte Einfluß auf den Sound des zweiten Albums. Wir wollten einfach ein Album machen, das wir selbst so richtig lieben können.

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Popblog: Ihr mögt Euer Debüt nicht?

Smith Westerns: Naja, wir mochten es natürlich, als wir es geschrieben und veröffentlicht haben, aber wir sind jetzt schon ein wenig gelangweilt davon, die Songs wieder zu hören. Und jede Nacht spielen zu müssen. Wir hatten beim Debüt den Sound bewusst fuzzy gestaltet, ganz einfach weil wir so ein Scheiß-Equipment hatten, dass eine klarere Produktion total cheesy geklungen hätte. Also haben wir alle Instrumente so arg verzerrt, dass du gar nicht mehr hören konntest, wie billig die Teile waren… *lacht*
Aber auch das Debüt war schon eine Popplatte im Herzen, das war nicht einfach Akkorde runterreißen und ein wenig auf dem Schlagzeug trommeln wie das viele Lo-Fi-Bands heute machen.

Popblog: Hattet ihr euch denn je Sorgen gemacht, dass das neue Album zu glatt klingen könnte im Vergleich zur Verzerrerattacke des Debüts?

Smith Westerns: Von der ersten Platte haben wir 3.000 Stück weltweit verkauft, also ist die Gefahr nicht so groß, dass viele Leute Erwartungen an uns haben *lacht*
Wir sind schon eine richtige grassroots-Band: das Debüt wurde nur auf Vinyl gepresst, keine CD, wir hatten ein Indielabel aus Chicago, nie eine richtige Europa-Veröffentlichung, ja, wir hatten nicht einmal ein offizielles Release-Datum. Die Platte war einfach irgendwann da, dann hat Pitchfork über uns geschrieben, wir sind mit Girls auf Tour gegangen, dann mit MGMT… gerade auf Tour mit den beiden zu sein, hat uns eine Idee gegeben, was wir mit unserem Sound in Zukunft machen wollen.

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Wenn manche jetzt sagen, sie mögen das neue Album nicht, weil es “glatter” klingt, dann verdienen sie es eh nicht, das Album zu hören. Sie können das erste Album haben und tschüss…

Ich selbst würde auch nicht Bands zuhören wollen, die das immergleiche Album wieder und wieder veröffentlichen, die einfach den gleichen Song in verschiedenen Geschwindigkeiten und unterschiedlichen Tonarten aufnehmen!

Popblog: Wurdet ihr denn bisher schon dafür kritisiert wie ihr jetzt klingt?

Smith Westerns: Nein, ich glaube dass die Leute, die nur Lo-Fi-Musik hören eh auf keine Konzerte gehen, ihr Zimmer nicht verlassen und nur illegal Alben herunterladen *lacht*

Popblog: Beim Cover-Artwork des Debüts habt ihr das Cover von Nirvanas “Nevermind” zerschnitten und benutzt. Habt ihr da je Ärger mit Nirvana bekommen?

Smith Westerns: Wir haben nicht genug Platten verkauft, dass sich jemand dafür interessiert hätte. Courtney Love würde wahrscheinlich anfangen, uns zu verklagen, wenn wir 15 Millionen Platten verkaufen…

Popblog: Wie ihr schon erwähnt habt, seid ihr bereits ziemlich früh als Vorband von Girls, Jay Reatard oder MGMT aufgetreten. Wie kam es dazu?

Smith Westerns: Im Grunde durchs Internet. Girls waren Vorband von Los Campesinos! Gareth von den Campesinos hat einige Songs von uns online gehört und uns eine Nachricht geschrieben, ob wir nicht auch mit ihnen auftreten wollen – so haben wir dann eben Girls kennengelernt, die uns wiederum auf ihre nächste Headline-Tour mitgenommen haben. Girls sind wirklich gute Freunde von uns.

Popblog: Gibt es denn auch eine aktuelle Band, die ihr als Vorbild betrachtet?

Smith Westerns: MGMT sind die beste Band, die es derzeit gibt. Sie sind wirklich großartige, kluge Songwriter. Das erste Album war so eine gute Pop-Platte mit all dem elektronischen Zeug – so fröhlich! Und das Zweite! Das ist sogar noch besser! So interessant, mit so vielen Wechseln zwischen den Songs. Das ist ein Album, das dir wirklich viel gibt.

Popblog: Habt ihr euch eigentlich je als Teil der Lo-Fi-Szene Amerikas gefühlt, die ja in den letzten ein, zwei Jahren so aufgeblüht ist?

Smith Westerns: Nein, gar nicht. Weil wir einfach jünger als alle anderen sind, konnten wir nie auf irgendwelche Aftershowpartys oder in Bars mitgehen, deshalb hat sich da nie eine große Verbrüderung ergeben.

Popblog: Gibt es Unterschiede zwischen euren Konzerten in Amerika und in Europa?

Smith Westerns: Wir sind in der Zwischenzeit in den USA größer, weil dort das Album schon länger erschienen ist. Aber dafür behandeln dich die Promoter in Europa besser, kümmern sich mehr.

Popblog: Könnt ihr euch noch an euren ersten Auftritt in Berlin erinnern, als ihr im Restaurant des White Trash gespielt habt?

Smith Westerns: Oh Gott, ja. Das war fürchterlich. Es gibt wirklich nichts schlimmeres, als aufzutreten when people don’t give a shit and just want to eat.

Popblog: Auf dem neuen Album singt ihr “everybody wants to be a star on a Saturday night” – seid ihr deshalb auch in einer Band? Wolltet ihr reich und berühmt werden durch die Musik?

Smith Westerns: Für uns war die Band einfach eine Möglichkeit, eine kreative Perspektive zu haben. Es macht einfach Spaß, etwas zu erschaffen. Ich hatte nie ein Ziel wie “eines Tages will ich im Madison Square Garden” auftreten….

Popblog: Ist es in der Zeit einer fallenden Musikindustrie überhaupt möglich, als junge Band seinen Lebensunterhalt mit Musik zu verdienen? Macht ihr euch darüber Gedanken?

Smith Westerns: Wenn Du Dich selbst auf so eine geistige Haltung einlässt, dann bist du schon verloren. Musik machen zu wollen ist kein Berufsziel wie “Rechtsanwalt oder Arzt werden”. Ich bekomme meine Getränke jeden Abend umsonst, kann kostenlos die Welt bereisen… was mehr sollte ich in meinem Alter wollen?

(Fragen: Christian Ihle, Antworten: Smith Westerns – fast ausschließlich Sänger Cullen Omori, da Bruder Cameron zu verkatert und Gitarrist Max Kakacek zu zurückhaltend war)

Das Album “Dye It Blonde” erscheint am 29.4. in Europa erschienen, die Single “Weekend” bereits am 22.4.:

Die Smith Westerns im Popblog:

* Die zehn besten Songs 2010: Smith Westerns – Be My Girl
* Die zehn besten Alben 2010: Smith Westerns – Smith Westerns
* Bhang Bhang, It’s Lo-Fi! Der Summer Of Lo-Fi 2010
* Believe The Hype: Nuggets für die Neuzeit
* Believe The Hype, revisited: Smith Westerns, Girls und Ryan McGinley
* My Favourite Records mit Smith Westerns

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