vonChristian Ihle 08.10.2014

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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„Urban Priol ist der Mann mit den sehr bunten Hemden und den vor lauter Empörungspotenzial struwwelpeterhaft zu Berge stehenden Haaren. Bei diesen Haaren kann man sich fragen, ob Satire wirklich alles darf – also zum Beispiel auch eine zum Sich-auf-die-Schenkel-klopfen inspirierende Frisur sein, wobei sich die Satire in solch clownesker Maskerade erschöpft. (…)

Urban Priol hat den Blondinenwitz in die Politsatire gebracht. Das ist bedingt angriffsfähig im Sinne der Satire. Eigentlich ist es eher holzhammerpeinlich. (…) Priol hat sich für sein politsatirisches „Comeback“, das nun allmonatlich in Form der ZDF-Sendung „Ein Fall fürs All“ dräut wie der Einschlag eines ganz und gar humorfreien Meteoriten, das Setting eines Raumschiffes ausgedacht. Man hätte sich daher denken können, dass diese Sendung nur als intergalaktische Bruchlandung enden kann. (…) Immer wenn Priol nun auf- und abtritt, und er tritt leider unentwegt auf und ab, schließt sich die Tür mit jenem einst futuristischen Ssssssp-Sound, den man Captain Kirk zuordnet. Mit anderen Worten: Priol befindet sich in der Vergangenheit der Zukunft. (…) Dieter Hildebrandts „Scheibenwischer“war schon vor Jahrzehnten um Lichtjahre voraus. (…) Priols All-Gegenwart dagegen ist von vorvorgestern. (…)

Praktisch ist es so, dass er nur die Holzhammer-Politwitz-Studiolacher findet, weshalb die Frage wohl noch nicht zu beantworten ist: Gibt es intelligentes Leben auf der Erde – oder in der Politsatire? (…) Man hat bei Priol immer das Gefühl, einen Witz zu hören, der einfach durch ist. (…)
Was Priol in seinem Raumschiff angerichtet hat, das ist ein dreiviertelstündiger Warnstreik der Satire.“


…und Gerhard Matzig legt mit einem zweiten Text bei SZ Online noch einmal nach:


„Es gab einmal das Cabaret, das war vor allem nackt. Daraus entwickelte sich dann das Kabarett, und das war vor allem politisch. Beide sind tot. Das Cabaret wurde letztlich von Youporn erledigt – und das politische Kabarett von Urban Priol.

Youporn und Priol sind Geschwister im Geiste als Produzenten von Überdeutlichkeit. Wobei Priol womöglich glaubt, er sei ironisch. Tatsächlich ist er so ironisch wie Youporn. Beide finden sich aufregend und anstößig – und beide sind tödlich erwartbar und nur absolut anstößig insofern, als sie absolut anstößig langweilig sind. Das ZDF bezeichnet das nun monatlich uns drohende neue Urban-Priol-Format unter dem Titel „Ein Fall fürs All“, dessen gewalttätig Reimwollendes schon Programm genug ist, als „Comeback“. Richtig daran ist: Es ist eine Heimsuchung.
(…)
Wenn man Priol nun einen kleinen Schubs gäbe, er würde fliegen und fliegen und fliegen durch das All. Bis in weit entfernte Galaxien. Wo er verstummte. Man sähe nur noch, unendlich einsam und weit entfernt im Nichts der Sterne: den Haarkranz eines Clowns. Wie traurig, trist und öde. Schön eigentlich.“

(Gerhard Matzig in der Süddeutschen Zeitung bzw. bei SZ Online)


Die SZ war auch schon früher nicht gerade Fan von Urban Priol wie diese Schmähkritik beweits:
* #406: SZ über Urban Priol



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* 500 Folgen Schmähkritik – Das Archiv (1): Musiker, Bands und Literaten
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https://blogs.taz.de/popblog/2014/10/08/schmahkritik-589-urban-priol/

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kommentare

  • PISPERS vergessen !!!

    der macht eben seine hausaufgaben in sachen riester-rente

    und nicht nur dazu !°!!

    gm

  • @wagenknecht: was sie meinen, ist undifferenziertes stammtischgelaber und nicht satire. gibt´s immer und überall, muss man wohl den fernseher nicht für anmachen. ich will jedenfalls nicht, dass mir jemand mit nem holzhammer offensichtliches erklärt, da bekomme ich vor fremdscham eine gänsehaut.

  • Ich war auch ganz schön enttäuscht von der neuen Sendung. „Neues aus der Anstalt“ hat der Priol aber hervorragend gemacht. „Ein Fall fürs All“ ist definitiv flachwitzig, aber grundsätzlich muss sich Politsatire empören und den Holzhammer rausholen, für Subtilität ist das einfach das falsche Genre. Und dass politisches Kabarett an sich tot ist, stimmt auch nicht so ganz. Es gibt genug gute Leute wie Jürgen Becker, Wilfried Schmickler und alle aus der neuen „Anstalt“, auch wenn vielleicht nicht jede ihrer Nummern ein Glanzstück ist.

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