vonDonata Künßberg 12.10.2022

Buchmesseblog

taz-Autor*innen bloggten live von den Buchmessen in Leipzig und Frankfurt. Ein Schmöckerladen für Buchliebhaber*innen.

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„Man muss sich das so vorstellen, dass da innerhalb von ein, zwei Wochen eine komplette Stadt aufgebaut wird – und danach wieder abgebaut.“ Ich habe meinen Freund Bodo* (*Name nicht geändert) angerufen, um zu erfahren, was sich in den Hallen der Buchmesse wohl abspielt, bevor ich rein darf, um von dort zu bloggen. Bodo hat zwar nie in Frankfurt als Messebauer gearbeitet, aber dass dort seit Tagen Menschen Traversen an die Decken hängen, Kabel für Beleuchtung und Stromversorgung der Messestände verlegen, Teppich verkleben, Wände errichten und Stände aufbauen, übertrage ich freimütig von einer Messestadt auf die andere, das hier ist ja kein Investigativblog, sondern sozusagen ein Reiseblog: Bericht aus der temporär errichteten Stadt am Main, von der wichtigsten Buchmesse der Welt.

Heijeijei. Ich bin ja nicht so cool, dass mich das nicht einschüchtern würde. Vielleicht stelle ich mir die Messehalle deshalb gern nackt vor, im Zustand des Bekleidetwerdens, statt an die ganzen Bringer*inner zu denken, deren Gespräch ich dort suchen möchte. Apropos Bringerinnen!

Bevor die Messe am kommenden Mittwoch betreten werden darf, erwartet uns schon am Montag ein Highlight: Mit Fatma Aydemir hat (nach meinem bescheidenen Wissen) erstmals überhaupt ein Mitglied der taz-Redaktion Aussicht auf den Deutschen Buchpreis. Die Jury schreibt über den nominierten Roman: „Dschinns vereint Fragen nach Identität, Geschlecht und Herkunft ebenso wie die Themen Rassismus und Diskriminierung, während gleichzeitig ein Teil jüngerer deutscher Geschichte behandelt wird, der bisher kaum in der Literatur zu finden ist.“ Ich werde die Preisverleihung im Kaisersaal über eins der hier genannten digitalen Angebote live mitverfolgen und das könnt ihr auch tun und Fatma Aydemir die Daumen drücken.

Besondere Aufmerksamkeit für Übersetzungskunst

Am Dienstag, meinem Anreisetag, sehe ich mir, soweit die Internetverbindung im Zug das zulässt, die Pressekonferenz zur Eröffnung der Buchmesse an. Eine meiner Hausaufgaben bis dahin: Das Buch „Der letzte weiße Mann“ des pakistanisch-britischen Autors Mohsin Hamed lesen, der dort mit auf dem Podium sitzen wird. (Sein Buch beginnt wie folgt: „Eines morgens wachte Anders, ein weißer Mann, auf und stellte fest, dass seine Haut sich unleugbar tiefbraun gefärbt hatte.“) Da diese Buchmesse der Übersetzungskunst besondere Aufmerksamkeit zukommen lässt und die Werke von Hamed in mehr als 30 Sprachen gelesen werden können, bin ich gespannt auf seine Gedanken zum Auftakt. 

Was die Kunst des Übersetzens betrifft, erinnere ich mich immer an meinen persönlichen „Ach, jetzt blicke ich es auch!“-Moment: Ich war 20 und besuchte mit meiner Theatergruppe eine Veranstaltung mit Swetlana Geier, wahrscheinlich eine der bekanntesten Übersetzerinnen im deutschsprachigen Raum, die ich bis dahin natürlich nicht kannte. Sie riss mir regelrecht die Augen auf, als sie über die Unübertragbarkeit des Wortes Sühne in die russische Sprache vortrug.

Ich hoffe jetzt, das richtig zu erinnern: Sühne sei eine katholisch-religiöse Praxis, das könne der im russisch-orthodox geprägten Russland aufgewachsene Dostojewski so nicht gemeint haben, weshalb sie sich für das sachlichere „Verbrechen und Strafe“ im Titel der Neuübersetzung entschied. (Zur Untermauerung meines brüchigen Gedächtnisses knallhart von Wikipedia kopiert: „Anzumerken ist allerdings, dass der russische Originaltitel des bekanntesten Dostojewski-Romans Schuld und Sühne tatsächlich nicht exakt zu übersetzen ist und dass bereits Alexander Eliasberg 1921 und Gregor Jarcho 1924 den Titel mit Verbrechen und Strafe übersetzten.“)

Ich hoffe, in der nächsten Woche mehr solcher Beispiele zu hören und hier davon berichten zu können. Bis dahin haben die fleißigen Messebauer*innen und Verlagsmitarbeitende eine Stadt gebaut, Kisten hineingetragen und Büchertische gedeckt. Viele von ihnen werde ich nicht bei der Arbeit beobachten oder antreffen können, deshalb hier mein inniger Dank. Dann packe ich mal.

 

Die taz auf der Buchmesse: Seien auch Sie dabei, direkt vor Ort in Halle 3.1 Stand D72 oder digital. Mit 12 taz Talks präsentieren wir live on stage einen Querschnitt der Literaturneuheiten des Herbstes. Sie können die Talks unbegrenzt im Nachhinein auf dem taz Youtube-Kanal nachschauen. Alle Informationen und das Programm finden sie unter taz.de/buchmesse

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https://blogs.taz.de/buchmesse/2022/10/12/frankfurter-prequelschau/

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kommentare

  • Nur eine klugscheißerische Anmerkung: entweder heißt es…“meines Wissens“ ( Genitiv/ wessen) oder…“ nach meinem Wissen“ (Dativ/ nach wem) . Die Kopplung beider Ausdrücke ist zwar sehr gebräuchlich, wird davon aber nicht schöner und vor allem nicht grammatikalisch richtiger. Und es geht immerhin um Literatur;-)

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