vonAchmed Khammas 14.07.2013

Der Datenscheich

Erneuerbare Energie, Science Fiction, Technikarchäologie und Naher Osten – verifiziert, subversiv, authentisch.

Mehr über diesen Blog

Danke an die Autoren, Übersetzer, Verlage – und den Buchladen meines Vertrauens: Otherland. Denn in den letzten Wochen konnte ich dort wahre Schätze abholen und mich über die Äonen und Galaxien der niedergeschriebenen Phantasiewelten ausbreiten… was für mich immer wie ein 3-Wochen-Urlaub auf Bali wirkt (nur viel günstiger, bequemer und ohne braun zu werden).Calibans Krieg von James S A Corey

angen wir also mit den neuen Büchern an, auch wenn sie teilweise nur in der Übersetzung neu sind. Im Planetenwander von George R. R. Martin (2013, 1986) merkt man dies jedenfalls nicht im Geringsten, wenn man den skurrilen Abenteuern des nicht minder seltsamen Haviland Tuf quer durchs Universum folgt. Wobei das Buch für Katzenfreunde besonders geeignet ist – denn auch Tuf ist ein ebensolcher. Während mir Martin selbst ausgesprochen sympathisch ist, weil er die Entropie einfach nur als das ‚ultimativ Böse’ (S. 191) … und außerdem noch als ‚geschmacklos’ (S. 342) betrachtet – herrlich! Eine ebenso tolle Unterhaltung bildet Kris Longknife – Die Rebellin von Mike Shepherd (2004/2013), bei der wir eine ziemlich eigensinnige Navy-Angehörige bei ihrem Aufstieg und der Bewältigung ihrer Konflikte innerhalb der Offiziers-Hierarchie begleiten. Im Grunde handelt es sich bei diesem Buch um Werbung fürs Militär, wie sie nur aus den USA kommen kann. Aber ganz ehrlich: Es läßt sich verdammt gut lesen.

Unter den neuen neuen Büchern sind einige Space Operas, die sich äußerst genußvoll lesen lassen, wie beispielsweise Calibans Krieg von James Corey (2013, 2012). Auch wenn es äußerst befremdlich wirkt und (mir) unangenehm aufstößt, daß es in einer Zukunft, in welcher sich die Menschheit im ganzen Sonnensystem ausgebreitet hat, noch … Schlipse geben soll. Auch nicht schlecht ist der dritte Roman der Planetenkrieg-Rreihe von John Ringo Planetenkrieg – Das letzte Tor (2011/2013). Es ist einfach toll, in dieser fiktiven zukünftigen Welt Menschen zu begegnen, die richtig GROSS denken können – da diese in unserer Realität bis auf wenige Ausnahmen augenscheinlich ausgestorben sind. Und wenn die Menschheit, wie in diesem Roman, auch noch ein halbwegs akzeptables Standing hat, dann verdient das Buch auf jeden Fall eine zwei plus. Oder eine zwei minus, denn auch Ringo läßt seine Protagonisten weit in der Zukunft Krawatten tragen Oder vielleicht doch eine Eins, da der Autor den Energieerhaltungssatz auf Quantenebene eher als eine Art ‚Empfehlung’ betrachtet – was man aus ganzem Herzen begrüßen kann. Mit Vorbehalt zu empfehlen ist auch der neue Roman Versunkene Städte von Paolo Bacigalupi (2012/2013), den mein Freund Hannes Riffel übersetzt hat. Das Buch ist gut und spannend geschrieben, weist einige interessante globalpolitische und andere nachdenklich machende Aspekte auf, ist aber dennoch sehr düster und dystopisch. Im Vergleich dazu wirkt die Welt der Schiffsdiebe, dem vorherigen Roman Bacigalupis, regelrecht gemütlich.

Obwohl schon letztes Jahr erschienen, habe ich Error von Neal Stephenson (2011/2012) erst jetzt gelesen, als ich ihm von einem Freund geliehen bekommen habe (denn wir reden hier von der Hardcover-Ausgabe, und solche lege ich mir aus Gewichts- und Platzgründen prinzipiell nicht zu). Selbstverständlich ist es ein mitreißender Roman, ein typischer Stephenson, der diesmal im Umfeld eines Online-Computerspiels angesiedelt ist, das perfide als Übergabeort von Lösegeldern herhalten muß. Ebenfalls aus einem Computerspiel muß die junge Jazz-Sängerin Ella Thomas die dort verlorengegangene Tochter des amerikanischen Präsidenten in dem interessant und spannend geschriebenem Demi Monde – Welt Außer Kontrolle von Rod Rees retten (2011/2013) . Eine Alternativrealität, die ursprünglich als Trainingssimulation für Soldaten entworfen wurde, und in welcher sich die schlimmsten Fehlentwicklungen der bisherigen Menschheit eines virtuellen Nachlebens erfreuen.

Völlig unverständlich ist mir, wie eine dermaßen schwache Leistung wie Das Testament der Jessi Lamb von Jane Rogers mit dem Arthur C. Clarke Award werden konnte: Eine Erwachsene, die krampfhaft versucht wie ein Teenager zu schreiben, und einen dystopische Geschichte, die mit viel Gefühlsduselei versucht, irgendwie besonders zu sein. Ein Buch, das weder schräg, noch witzig oder gar spannend ist. Schade um die Druckerschwärze.

Wunderbar auch, wie sich deutsche Autoren immer weiter nach vorn schreiben – denn Der letzte Regent von Andreas Brandhorst (2013) ist ebenfalls Space Opera vom Feinsten. Hatte mich schon der Vorläufer Das Artefakt begeistert, so tut es erst recht der neue Roman, in dem das irdische Endurium, von lebenden Toten regiert, seit zweitausend Jahren gehen die Ayunn kämpft, weil… nee, das verrate ich nicht. Jedenfalls wird die Energie der Raumschiffe aus dem Vakuum des Raumes und den Fluktuationen im Quantenschaum gewonnen – eine innerhalb der SF-Literatur inzwischen so häufig genannte Technologie, daß man davon ausgehen kann, sie bald auch in realita erleben zu dürfen. Das Buch ist jedenfalls eine Empfehlung! In die gleiche Kategorie fällt Drake von H. D. Klein (2013) aus dem 23. Jahrhundert, in welchem ein gewaltiges Raumschiff sich auf die Suche nach der ‚zweiten Erde’ macht, und dabei – wie es sich für einen deftigen SF gehört – auf allerlei Überraschungen stößt. Und um das Trio komplett zu machen, ist hier noch Collector – Operation Vade Retro von Markus Heitz (2013) zu nennen, der zweite Band eines großartigen Epos, der mit einer nicht ganz so angenehmen, aber dennoch nicht von der Hand zu weisenden Vorstellung verbunden ist, daß es möglicherweise Mächte gibt, für die wir Menschen primär leckere Fleischbällchen darstellen. Und das mit ‚nicht von der Hand zu weisen’ meine ich in Bezug auf die vielen verfetteten Menschen, die ich sehe, wenn ich durch die Stadt ziehe – was mich immer zuversichtlicher macht, daß die Jungs vom Schlachthof bald vorbeikommen werden (müssen!).

Nicht ganz auf dem Niveau der drei vorangegangenen Romane, aber dennoch gediegene Unterhaltung, bildet Elysion von Thomas Elbel (2013), ein Dark-Future-Thriller, der einige ziemlich schräge Ideen verfolgt und beschreibt. Ich denke, besonders Zombie- und Vampir-Freunde werden ihren Genuß bei dieser Lektüre finden – meine Kragenweite ist es nicht ganz.

Eigentlich kein richtiger Science Fiction, aber dennoch ein Thriller der es ganz gewaltig in sich hat, ist Black Out – Morgen ist es zu spät von Marc Elsberg (2012/3013). Über Manipulationen der (gegenwärtig real gehypten) Smart Meter-Stromzähler und Mithilfe einiger bösartiger Programmzeilen in der Steuersoftware größer Kraftwerke gelingt es einem unbekannten Angreifer, zuerst dem europäischen und später auch noch anderen Stromnetzen fast tödliche Schläge zu versetzen. In dem Buch werden die dramatischen Ereignisse während der drei Wochen beschrieben, in denen der Kampf um Licht und Dunkelheit – im ganz wortwörtlichen Sinne – tobt, während nach und nach die zivilisatorische Tünche von den Gesichtern fällt und es nur noch um das pure Überleben geht. Besonders interessant: kurz vor Fertigstellung des Manuskripts wurde der Autor im Mai 2011 durch eine für die Bundesregierung angefertigte Studie in allen seinen Angaben bestätigt. Daher: Buch lesen, Kurbeltaschenlampe kaufen, und sich mit Bauern in 200 km Entfernung von der Stadt gut anfreunden. Unter sich – wie ich – mit neuartigen, alternativen und netzunabhängigen Energien beschäftigen. Wie z. B. hier.

Zu den Romanen, die mit einem wirklich verblüffenden Plot aufwarteten, gehört Combat Planet von Andy Remic (2011/2013), zu denen mit einer nachdenklich machenden Story Human von Alan Dean Foster (2012/2013), in dem es um eine neue Technologie von Nano-Implantaten geht, die Menschen ohne ihr Wissen eingepflanzt worden sind.

Und natürlich habe ich mich in der Zwischenzeit auch noch durch einige meiner alten SFs hindurchgefressen, wie ich jetzt aber im Einzelnen nicht mehr kommentieren möchte: Die lebenden Statuen von Surayana von Mária Szepes (1971/1998); Überleben von Jack Williamson (1984/1993); Die Lebens-Sonde von Michael McCollum (1983/1996): Antares erlischt von Michael McCollum (1986/1996); Die Entführung des Serails von Thomas R.P. Mielke (1986/1992); Nach dem ZAP von Michael Armstrong (1987/1992) sowie Sternenspringer von Nancy Kress (2000/2005).

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/datenscheich/2013/07/14/literatur-wandernd/

aktuell auf taz.de

kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert