vonAchmed Khammas 13.04.2021

Der Datenscheich

Erneuerbare Energie, Science Fiction, Technikarchäologie und Naher Osten – verifiziert, subversiv, authentisch.

Mehr über diesen Blog

KLIMA – Deine Zeit läuft ab von David Klass (2020/2021) brachte mich wirklich zum Schwitzen. Und dazu, mich zu fragen, ob dieses Buch zu einer Radikalisierung beitragen kann, bzw. ob dies das wahre Ziel des Autors war. Laut Klappentext sind es Gespräche mit seiner Tochter über den Klimawandel gewesen, die ihn zu seinem Thriller inspiriert haben, in welchem eine anonyme Person namens ‚Green Man‘ mehrere Attentate auf Objekte und Anlagen durchführt, deren Betrieb katastrophale Auswirkungen auf die Umwelt haben, wie beispielsweise ein gewaltiges Ölfeld, auf dem Fracking betrieben wird.

Doch blicken wir kurz zurück: Es waren insbesondere Bücher wie Der stumme Frühling (Silent Spring) von Rachel Carson (1962) über die verheerenden Folgen des Einsatzes von Pestiziden in der Landwirtschaft; das Europäische Naturschutzjahr 1970 als erste europaweite Umweltkampagne mit über 200.000 Aktionen; sowie die Gründung des Club of Rome und die von ihm in Auftrag gegebene Studie Die Grenzen des Wachstums (1972), welche das Bewußtsein für die Probleme schärften.

Einen beträchtlichen Schub bekam die Umweltbewegung dann im Oktober 1973 infolge des sogenannten Ölkriegs, als die OPEC-Staaten einen Lieferboykott gegen jene Länder beschlossen, die sie im kurz davor stattgefundenen Krieg als Israel-freundlich einstuften. Deutschland erlebte am 25. November seinen ersten autofreien Sonntag, den wir hier Berlin mit einer friedlichen Besetzung des Kurfürstendamms feierten.

Wobei dies keinesfalls der ‚Beginn der Umweltbewegung‘ war, denn hatte nicht schon Goethe selbst vor der Luftverpestung durch die kohlebetriebenen Dampfzüge seiner Zeit gewarnt? Der ‚Deutsche Bund für Vogelschutz‘ war 1899 gegründet worden (und 1990 in den ‚Naturschutzbund Deutschland‘ NABU umbenannt), 1920 entstand der erste deutsche Naturschutz-Park (Lüneburger Heide), und 1924 hob in Hamburg Jakob von Uexküll das ‚Institut für Umweltforschung‘ aus der Taufe. Nein, meine Nachkriegsgeneration war es nicht, die als erste aktiv wurde.

Natürlich freue ich mich über die heutige Jugend, die sich so vehement für den Fortbestand des Planeten einsetzt – Stichworte Extinction Rebellion, Schulstreiks für das Klima und Fridays for Future. Da sie uns alte Säcke jedoch genauso ignoriert, wie wir es damals getan haben, schaffen sie es nicht, auch nur das Geringste zu tun, das man ‚innovativ‘ nennen könnte. Abseilen? Farbe ausschütten? Fassaden bewerfen <gähn>. Denn nichts anderes haben wir vor inzwischen über 50 Jahren auch getan: Demos, Bürgerinitiativen, Brokdorf, Wackersdorf, Whyl, Blockaden der Atommülltransporte usw. Doch was hat es tatsächlich gebracht? Die Sitze im Bundestag waren nämlich nicht das eigentliche Ziel…

Und selbst den etwas ‚radikaleren‘ Gruppierungen wie z.B. Robin Wood, die sich 1982 von Greenpeace Deutschland abspalteten, haben das Ruder nicht herumreißen können. Zu mächtig ist der Filz aus wirtschaftlichen und politischen Interessen. Und deshalb sieht es so aus, als müsse sich das Ganze in jeder Generation erneut wiederholen. Wie blöd nur, daß alle mitspielen.

Was mich dazu bringt, auf meinen eigenen weiteren Weg zu verweisen – nachdem weder Greenpeace noch die frisch gegründeten Grünen oder irgend eine der vielen anderen Gruppen Verständnis für meine Forderung gezeigt hatten, mindestens 51 % der aufgewendeten Energie in konstruktive Ansätze zu stecken anstatt in Nein!-Kampagnen.

Vereinfacht ausgedrückt: Was hätten wir wohl erreichen können, wenn die Hälfte der damals gelaufenen Protest-Kilometer – umgerechnet – in den praktischen Bau von Solarkollektoren, Windrädern und ähnlichem geflossen wären! Doch auch hier scheint alles in einer Zeitschleife festzustecken. Und selbst einem so packenden Thriller wie KLIMA mangelt es an der zweiten Hälfte der Medaille – den tatsächlich existierenden positiven Ansätzen und Umsetzungen.

Statt also Dinge in die Luft zu jagen, wie der Green Man, habe ich das Material über die vielfältigen Technologien, das ich seit vielen Jahrzehnten sammle, in Form einer Chronologie der Erneuerbaren Energie zusammengefaßt und erstmals 2007 unter dem Namen Buch der Synergie (< hier klicken) digital veröffentlicht – damit nicht auch hier jede Generation immer wieder bei (fast) Null anfangen muß. Die Arbeit umfaßte u.a. das Durcharbeiten Hunderter Bücher aus der Vor-Internet-Zeit, die teilweise noch in Fraktur gedruckt waren und noch nie digitalisiert wurden (was für die neue Generation mithin bedeutet, daß sie gar nicht existent sind).

Einen guten Eindruck von diesem Bemühen um die leichtere Verfügbarkeit relevanter Informationen vermittelt das 13-seitige Interview (< hier klicken) im Magazin NEXUS (Ausgabe 89 vom Juni/Juli 2020, pdf). Es trägt den Titel ‚Der Bibliothekar der Synergie‘… der nun darauf hofft, mit seiner Arbeit einen TNT-freien aber dennoch effektiven Beitrag leisten zu können – falls die junge Generation diesen zur Kenntnis nimmt und nutzt…!!

Und zum Abschluß noch ein Zitat des österreichischen Künstlers und meines langjährigen Freundes Arge Kugelstein (Rudolf Ellmeyer):

Die einen Forscher sagen: „Alles ganz normal“ – die anderen sagen, das ist nur der Anfang und wird immer schlimmer. Wer hier recht hat, weiß ich wohl – natürlich beide. Denn es war schon immer so, daß es ganz normal ist, daß alles immer schlimmer wird.

 

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/datenscheich/2021/04/13/literatur-klimatisch/

aktuell auf taz.de

kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert