vonAchmed Khammas 17.12.2021

Der Datenscheich

Erneuerbare Energie, Science Fiction, Technikarchäologie und Naher Osten – verifiziert, subversiv, authentisch.

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Diesmal ist der Stapel etwas größer – schließlich rückt Weihnachten auch immer näher. Dabei handelt es sich um eine gesunde Mischung aus Klassikern und neu erschienenen SF‘s, von denen einige über die Grenzen des Genres hinausgehen. Beginnen will ich mit zwei schon früher einmal rezensierten Büchern – die allerdings so spannend sind, daß ich sie inzwischen ein weiteres mal herausgeholt und gelesen habe.

The Colony – Ein neuer Anfang von Patrick S. Tomlinson (2016/2019) gehört zu den First-Contact-Romanen mit Anspruch. Als das Generationenraumschif The Ark mit den letzten Überlebenden der Menschheit nämlich Tau Ceti erreicht, stellt sich der dort anvisierte Zielplanet als bewohnt heraus – von den ebenfalls intelligenten, technisch aber weit unterlegenen G‘tel. Nun müssen ein Mensch und ein Wahrheitssucher der G‘tel den Weg zu einem friedfertigen Miteinander finden, da sonst Massaker, Kriege und eventuell sogar der Untergang beider Völker drohen.

Kryptogramm von Donald Nolet (2016/2017) befaßt sich mit dem 600 Jahre alten, mysteriösen und bislang als unübersetzbar geltenden Voynich-Manuskript. Eigentlich ein Jugendbuch, läßt es sich genauso gut von Erwachsenen lesen und genießen. Besonders nett: Es sind einige Seiten des Original-Manuskript faksimiliert, die einen Eindruck von den graphischen Elementen vermitteln und belegen, daß es sich um ein wahrlich fremdartiges Stück Literatur handelt – das auch ausgesprochen gut zu einem Thriller paßt.

The Passengers von John Marrs (2019/2020) behandelt das Thema der autonomen Autos, die gegenwärtig überall ihre ersten Einsätze haben, über ein recht gewalttätiges Szenario. Hacker bemächtigen sich der Steuerung einer Reihe von Fahrzeugen und schicken sie samt ihren recht unterschiedlichen Passagieren von verschiedenen Orten aus auf eine öffentlich übertragene Reise zum Punkt ihres endgültigen Zusammenstoßes bei 100 km/h. Das Perfide: Die zugeschalteten Zuschauer dürfen für das Überleben eines – aber nur eines – Passagiers votieren.

The Watchers von John Marrs (2020/2021) befaßt sich dagegen mit der Datensicherheit auf dem Gebiet der ‚staatlichen schmutzigen Geheimnisse‘ in Großbritannien. Eine stationäre digitale Speicherung ist zu riskant, doch das ganze Material auf ununterbrochen herumfahrenden LKWs, einem Schiff und einem Solarflugzeug zwischenzulagern, erweist sich auch nicht als nachhaltige Lösung. Weshalb ein mutig erdachtes bio-basiertes Programm gestartet wird, das dann allerdings noch viel gravierende Resultate zeigt.

Dariwinia von Robert Charles Wilson (1998/2001) gehört zu den älteren, aber stets lesenswerten Romanen. Die Geschichte eines unbegreiflichen Geschehens, bei dem plötzlich der gesamte europäische Kontinent verschwindet und statt dessen eine fremdartige und mysteriöse Landschaft zurückbleibt, wirkt wie eine Blaupause für die Trilogie von Jeff Vandermeer von 2014 (Auslöschung, Autorität und Akzeptanz), deren erster Band 2018 verfilmt wurde. Diese Ehre wurde Dariwinia bislang nicht zuteil – dafür jedoch der Philip K. Dicks-Award – aber wer seinem inneren Regisseur freie Hand läßt, wird durch die Lektüre mit einem Feuerwerk an bizarren Vorstellungen belohnt, die bis ins Herz der Finsternis führen…

Fools in Space von Calin Noell (2021) ist hingegen ganz frisch und leicht druchgeknallt, sympathisch aber etwas zu breit ausgewalzt. Ansonsten ist die Story einer KI auf dem Selbstfindungstrip durchs All recht amüsant, besonders, weil sie 400 Menschen mit an Bord hat, die – so die offizielle Bezeichnung – minderschwere Fälle von Fehlfunktionen darstellen und ganz gewiß nicht dem Ideal erfolgreicher Raumfahrer entsprechen. Doch das ist noch lange nicht alles, denn ein Kriegsschiff mit einem Eliminierungsbefehl ist ihnen bereits auf den Fersen.

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