vonHans Cousto 27.03.2020

Drogerie

Aufklärung über Drogen – die legalen und illegalen Highs & Downs und die Politik, die damit gemacht wird.

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Am 24. März 2020 gab die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Daniela Ludwig (CSU), die Zahl der sogenannten „Drogentoten“ bekannt, die in Deutschland im Jahr 2019 zu beklagen waren. Nicht in dieser Zahl sind die Todesfälle die aufgrund des übermäßigen Konsums von Alkohol und durch das Rauchen von Tabak zu verzeichnen waren. Die Zahl der sogenannten „Drogentoten“ aufgrund des Konsums von Substanzen, die im Betäubungsmittelgesetz aufgelistet sind und die umgangssprachlich als „Drogen“ bezeichnet werden, ist viel kleiner als Zahl betreffend alle Drogentote (inklusive Alkohol und Tabak) und entspricht einem Anteil von weniger als einem Prozent.

Die Pressemitteilung der Drogenbeauftragten, die am 24. März 2020 hierzu erschien, wurde unter dem Titel „1.398 Menschen an illegalen Drogen gestorben“ veröffentlicht. Es geht also nur um die sogenannten „Drogentoten“ die aufgrund des Konsums von illegalisierten Drogen gestorben sind. 1.398 Menschen starben 2019 gemäß den Angaben der Drogenbeauftragten an den Folgen ihres Drogenkonsums. Im Jahr zuvor waren es 1 276. Das ist ein Anstieg von 9,6%. Hauptursache sind, wie in den vergangenen fünf Jahren, Überdosierungen von Opioiden wie Heroin oder Morphin, sowie die Kombination mit anderen Substanzen. Besonders auffällig ist die Zunahme der Todesfälle aufgrund langjährigen Drogenmissbrauchs.

Sogenannte „Drogentote“ in Deutschland, Zeitreihe 1999 bis 2019, Datenquellen: 1999 bis 2017: BKA, 2018 und 2019: Drogenbeauftragte
Sogenannte „Drogentote“ in Deutschland, Zeitreihe 1999 bis 2019, Datenquellen: 1999 bis 2017: BKA, 2018 und 2019: Drogenbeauftragte

Im Gegensatz zu den entsprechenden Veröffentlichungen in den Vorjahren wurden im letzten Jahr wie auch dieses Jahr keine Angaben zu den Todesfällen in den einzelnen Bundesländern veröffentlicht. Offenbar will man im Gesundheitsministerium mittels weniger Transparenz die Recherche für Journalisten erschweren.

Das Saarland liegt bei Flächenstaaten vorn

Im Saarland gab es in den letzten Jahren einen ungewöhnlich starken Anstieg was die Zahl der sogenannten „Drogentoten“ anbelangt. Im Jahr 2014 wurden dort 8 sogenannte „Drogentote“ registriert und im letzten Jahr waren es 36 – innert eines halben Jahrzehnts hat sich dort die Zahl mehr als vervierfacht. Wie man der unten stehenden Grafik entnehmen kann, handelt es sich hierbei nicht um einen „Ausreißer“ sondern eher um einen Trend.

Häufigkeit von sogenannten „Drogentoten“ im Saarland und in Deutschland, Zeitreihe 1999 bis 2019, Datenquellen: 1999 bis 2017: BKA, 2018 und 2019: Drogenbeauftragte und Saarländischer Rundfunk
Häufigkeit von sogenannten „Drogentoten“ im Saarland und in Deutschland, Zeitreihe 1999 bis 2019, Datenquellen: 1999 bis 2017: BKA, 2018 und 2019: Drogenbeauftragte und Saarländischer Rundfunk

Naloxon

Die Todesfälle auf Grund von Opiatvergiftungen liegen seit Jahren konstant hoch. Seit einigen Jahren gibt es Naloxon, ein Antiopiat, als Nasenspray. Es kann die Wirkungen einer Überdosierung für einige Zeit aufheben und somit kurzfristig Leben retten. Obwohl Naloxon als Spray seit zwei Jahren verschrieben werden kann, ist es in der Szene noch nicht flächendeckend angekommen. Bayern erprobt aktuell in einem Modellprojekt, wie Naloxon besser in Praxis angewendet werden kann. Die Drogenbeauftragte unterstützt dieses Projekt und setzt sich dafür ein, dass die Szene deutschlandweit mit dem lebensrettenden Mittel ausgestattet wird. In Bayern gab es jedenfalls 2018 einen starken Rückgang betreffend der Todesfälle aufgrund des Konsums illegalisierter Drogen. Daten für 2019 wurden bisher nicht veröffentlicht. Bayern hatte in mehreren Jahren die größte Häufigkeit von Drogentodesfällen von allen Flächenstaaten in Deutschland. Im Jahr 2018 gab es eine markante Minderung der Fälle in Bayern, was wohl mit Naloxon-Projekt begründet werden kann.

Nürnberg bei den Großstädten vorn

Wie die Zeitung Nordbayern am 1. Februar 2020 unter dem Titel „Immer mehr Drogentote: Die Stadt wagt einen neuen Vorstoß“ meldete, gab es in Nürnberg 2019 wieder mehr „Drogentote“ . Die Zahl der „Drogentoten“ in Nürnberg hat im vergangenen Jahr einen alarmierenden Spitzenwert erreicht: Laut Polizeipräsidium starben 34 Menschen (45 in Mittelfranken) wegen einer Überdosis (2018: 15 in Nürnberg und 26 in Mittelfranken). Im Vergleich zum Vorjahr hat sich die Zahl in Nürnberg mehr als verdoppelt, in Mittelfranken hat sich die Zahl um mehr als 70 Prozent erhöht.

Es gibt in der Drogenpolitik Dinge, die durchaus einer Kritik würdig sind, die jedoch von der Drogenbeauftragten Ludwig nicht thematisiert werden. In Nürnberg gab es im Jahr 2019 insgesamt 34 „Drogentote“ . Bei gut 530.000 Einwohner entspricht das einer Häufigkeit von 6,4 „Drogentoten“ pro 100.000 Einwohner – mehr als in jeder anderen deutschen Großstadt. Nürnberg besitzt zwar ein gut ausgebautes Hilfsnetz für Menschen, die abhängig von Drogen sind. Es gibt Notschlafstellen, Beratungsstellen, Substitutionspraxen, Entzugsstationen. Laut Sozialreferat aber fehlt ein Baustein im Hilfesystem: ein Drogenkonsumraum.

Bis heute gibt es in Bayern keine Fixerstuben, die Staatsregierung lehnte das bislang ab. In sieben anderen Bundesländern zählen sie allerdings zu den Regelangeboten der Drogenhilfe. Auf kommunaler Ebene wurde in Bayern die Einrichtung von Fixerstuben seit Jahren durch den Arbeitskreis Sucht wiederholt gefordert, erklärt Nürnbergs Sozialreferent Reiner Prölß (SPD). Bereits 2015 hatte sich der Hauptausschuss der Bayerischen Bezirke für Drogenkonsumräume ausgesprochen. Im Oktober 2019 folgte die Bayerische Ärztekammer. Nur die Staatsregierung in München will nichts davon wissen und verhindert die Etablierung solcher Einrichtungen. Die Landtags-CSU kriminalisiert die Abhängigen, statt irgendwie zu helfen. Und an der Haltung auf Landesebene scheint sich vorerst nichts zu ändern. Dem Vernehmen nach sieht man im Gesundheitsministerium von Melanie Huml (CSU) keinen Handlungsbedarf. Das ist unterlassene Hilfeleistung. So steht im Strafgesetzbuch § 323c: „Wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not nicht Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und ihm den Umständen nach zuzumuten, insbesondere ohne erhebliche eigene Gefahr und ohne Verletzung anderer wichtiger Pflichten möglich ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

Häufigkeit von Drogentodesfällen in Nürnberg und Berlin, Anzahl pro 100.000 Einwohner, Zeitreihe 1999 bis 2019 – Daten für Berlin liegen für 2019 noch nicht öffentlich vor.
Häufigkeit von Drogentodesfällen in Nürnberg und Berlin, Anzahl pro 100.000 Einwohner, Zeitreihe 1999 bis 2019 – Daten für Berlin liegen für 2019 noch nicht öffentlich vor.

In den Jahren 2013 bis 2015 war Nürnberg die Großstadt in Deutschland mit der größten Häufigkeit an Todesfällen wegen des Konsums illegalisierter Drogen, von 2016 bis 2018 war das Berlin und 2019 wieder vermutlich Nürnberg – die Daten aus Berlin und den anderen Großstädten wurden noch nicht veröffentlicht.

Fazit

Die Repression gegen die Konsumenten illegalisierter Drogen hat in den letzten Jahren massiv zugenommen. Von den 2019 in der polizeilichen Kriminalstatistik erfassten 359.747 Fälle betreffend Betäubungsmitteldelikte waren 284.603 reine auf den Konsum bezogene Delikte (79 Prozent). Die Zahl der erfassten Delikte erreichte 2019 einen absoluten Höchststand in der Geschichte der Bundesrepublik. Trotz der stetigen Intensivierung der Repression nimmt weder die Zahl der Konsumenten ab noch die Zahl durch den Konsum bedingten Todesfälle. Die angestrebten Ziele der Repression werden nachweislich nicht erreicht. Die vor allem auf Repression basierende Drogenpolitik muss als gescheitert klassifiziert werden.

Im Gegensatz zur praktizierten Repressionspolitik, die von Jahr zu Jahr intensiviert wird, wird der Informationsfluss betreffend die Folgen der Repressionspolitik gemindert. Nähere Angaben zu den Belastungszahlen (Repressionskoeffizienten) der Großstädte liegen mit wenigen Ausnahmen für die Datenjahre 2018 und 2019 nicht vor. Gleiches gilt für die Zahlen der „Drogentoten“ in den einzelnen Bundesländern und in den Großstädten. Mit einer solch lückenhafte Informationspolitik stärkt auf jeden Fall nicht das Vertrauen in die zuständigen Behörden wie beispielsweise die Gesundheitsministerien von Bund und Ländern oder den Gesundheitsämtern.

Vergleiche hierzu in diesem Blog

[11.05.2017] 2016 wieder mehr Drogentote
[30.04.2016] 2015 wieder mehr Drogentote
[30.12.2010] Die Tragödie von Nürnberg

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