Die UN-Kommission für Suchtstoffe (Suchtstoffkommission, Commission on Narcotic Drugs, CND) hat am Mittwoch, 2. Dezember 2020, eine Reihe von Entscheidungen getroffen, die zu Änderungen in der Art und Weise geführt haben, wie Cannabis international reguliert wird. Die Suchtstoffkommission der Vereinten Nationen folgt damit einer WHO-Empfehlung und streicht sie von der Liste der höchsten Kategorie von Drogen, die als extrem riskante Narkotika gelten. Somit gehören von nun an Marihuana und und Haschisch nicht mehr zu den gefährlichsten Drogen.
WHO-Empfehlung 5.1.
Gemäß Pressemitteilung der Vereinten Nationen (UNO) vom 2. Dezember 2020 hat bei der Überprüfung einer Reihe von Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu Marihuana und seinen Derivaten die UN-Kommission für Suchtstoffe die Entscheidung getroffen, Cannabis aus Anhang IV des Einheitsakommens über die Betäubungsmittel von 1961 zu streichen, wo es neben tödlichen, süchtig machenden Opioiden aufgeführt wurde. Mit knapper Mehrheit stimmten die 53 Mitgliedstaaten des CND für diese WHO-Empfehlung 5.1. Die WHO-Empfehlung 5.1 lautet:
„Das Expertenkomitee empfiehlt Cannabis und Cannabisharz aus der Tabelle IV des Einheitsabkommens über die Betäubungsmittel von 1961 zu streichen.“
Mit 27 Stimmen bei 25 Gegenstimmen und einer Enthaltung hat die Suchtstoffkommission die Tür auf internationaler Ebene geöffnet, um das medizinische und therapeutische Potenzial der häufig verwendeten, aber in vielen Ländern immer noch weitgehend illegalen Freizeitdroge anzuerkennen.
Folgende Länder stimmten jedenfalls gemäß Mitteilung vom 2. Dezember 2020 des CND-Monitors von Kenzi Riboulet-Zemouli und Michael Krawitz für diese Empfehlung der WHO: Australien, Österreich, Belgien, Kanada, Kolumbien, Kroatien, Tschechien, Ecuador, El Salvador, Frankreich, Deutschland, Indien, Italien, Jamaika, Mexiko, Marokko, Nepal, Niederlande, Polen, Südafrika, Spanien, Schweden, Schweiz, Thailand, Vereinigtes Königreich, Vereinigte Staaten und Uruguay.
Folgende Länder stimmten gegen diese WHO-Empfehlung: Afghanistan, Algerien, Angola, Bahrain, Brasilien, Burkina Faso, Chile, China, Elfenbeinküste, Kuba, Ägypten, Ungarn, Irak, Japan, Kasachstan, Kenia, Kirgisistan, Libyen, Nigeria, Pakistan, Peru, Russland, Togo, Türkei, Turkmenistan.
Die Ukraine hat weder pro noch contra Stellung bezogen und enthielt sich der Stimme.
Darüber hinaus könnte die Entscheidung laut Nachrichtenberichten zusätzliche wissenschaftliche Untersuchungen zu den seit langem genutzten medizinischen Eigenschaften der Pflanze vorantreiben und als Katalysator für Länder dienen, um das Medikament für medizinische Zwecke zu legalisieren und Gesetze über seine Freizeitnutzung zu überdenken. Derzeit haben mehr als 50 Länder medizinische Cannabisprogramme verabschiedet und umgesetzt – Cannabis als Medizin gehört mehr und mehr zur Normalität. Und diese historische Abstimmung in Wien könnte weitreichende Auswirkungen auf die weltweite medizinische Cannabisindustrie haben, die von der Aufsicht über die Regulierung bis zur wissenschaftlichen Erforschung der Pflanze und ihrer Verwendung als Arzneimittel reicht.
Experten gehen davon aus, dass es ein kleiner Schritt hin zu einer weiteren internationalen Lockerung sein könnte und ein kleiner Beitrag sein könnte zur Befriedung des weltweiten Drogenkrieges (war on drugs). Unter anderem Kanada und Uruguay wie auch knapp ein Drittel der US-Bundesstaaten erlauben den Verkauf und die Nutzung von Haschisch und Marihuana nicht nur für den medizinischen Bereich sondern auch für den Freizeitgebrauch. Mexiko und Luxemburg stehen kurz davor, die dritte und vierte Nation zu werden, die dies tun. In diversen weiteren Staaten wird der Besitz für den Eigengebrauch nicht mehr oder kaum noch strafrechtlich verfolgt.
„Die Welle des medizinischen Cannabis hat sich in den letzten Jahren bereits beschleunigt, aber dies wird einen weiteren Schub geben“ ,
sagte Martin Jelsma, Programmdirektor für Drogen und Demokratie am niederländischen Transnational Institute, gegenüber Marijuana Business Daily.
Langes Warten auf die Entscheidung
Bereits im November 2018 hatte die WHO sechs Empfehlungen zur Planung von Cannabis in UN-Verträgen zur Drogenkontrolle beschlossen. Eigentlich waren die Vorschläge ursprünglich für die Sitzung des CND im März 2019 zur Abstimmung vorgesehen, jedoch hatten viele Länder laut Medienberichten mehr Zeit angefordert, um die Vorschläge zu studieren und ihre Positionen zu definieren. Auch in der Sitzung in Wien im März 2020 wurde beschlossen, die Abstimmung zu verschieben – abgestimmt und entschieden wurde jetzt im Dezember 2020.
Unter den sechs Punkten der WHO wurde unter anderem klargestellt, dass Cannabidiol (CBD) – ein nicht berauschendes Cannabinoid – keinen internationalen Kontrollen zu unterliegen habe. CBD habe in den letzten Jahren eine herausragende Rolle in der Wellness-Therapie übernommen und eine Milliarden-Dollar-Industrie ins Leben gerufen.
WHO-Empfehlung 5.2.
Die WHO-Empfehlung 5.2, THC von der Konvention von 1971 in den Vertrag von 1961 zu verschieben, konnte mit 23 Stimmen bei zwei Stimmenthaltungen und 28 Gegenstimmen nicht die Zustimmung des Gremiums erhalten. Die WHO-Empfehlung 5.2. lautet:
„Das Expertenkomitee empfiehlt Dronabinol und seine Stereoisomere (delta-9-Tetrahydrocannabinol) in Anhang I des Einheitsabkommens über die Betäubungsmittel von 1961 einzugliedern. Das Expertenkomitee empfiehlt zudem die Streichung von Dronabinol und von seinen Stereoisomeren (delta-9-Tetrahydrocannabinol) aus Tabelle II des Übereinkommens von 1971 über psychotrope Stoffe, vorbehaltlich der Annahme der Empfehlung Dronabinol und seine Stereoisomere (delta-9-Tetrahydrocannabinol) in Tabelle I des Einheitsabkommens von 1961 einzugliedern.“
WHO-Empfehlung 5.3. und 5.6
Die Empfehlungen 5.3 und 5.6 waren an die Genehmigung der Empfehlung 5.2 gebunden. Da 5.2 abgelehnt wurde, wurden diese beiden Empfehlungen ohne Abstimmung abgelehnt. In Empfehlung 5.6 ging es darum, bestimmte THC-Arzneimittelpräparate in Anhang III des Vertrags von 1961 aufzunehmen. Die WHO-Empfehlung 5.3 lautet:
„Das Expertenkomitee empfiehlt Tetrahydrocannabinol (bezogen auf die sechs in Tabelle I des Übereinkommens von 1971 aufgelisteten Isomere von THC) in Tabelle I des Einheitsabkommens über die Betäubungsmittel von 1961 einzugliedern, sofern die Empfehlung zur Eingliederung von Dronabinol in diese Tabelle I angenommen wurde.“
Die WHO-Empfehlung 5.6 lautet:
„Das Expertenkomitee empfiehlt, dass Zubereitungen mit delta-9-Tetrahydrocannabinol (Dronabinol), die entweder durch chemische Synthese oder als Zubereitungen von Cannabis, die als pharmazeutische Produkte mit einem oder mehreren anderen Inhaltsstoffen zusammengesetzt sind, und von solcher Beschaffenheit sind, dass delta-9-Tetrahydrocannabinol (Dronabinol) nicht mit leicht verfügbaren Mitteln extrahiert oder in anderer Weise eine Ausbeute gewonnen werden kann, in Tabelle III (Tabelle mit den geringsten Restriktionen) des Übereinkommens über Betäubungsmittel von 1961 aufgenommen werden, da sie unter den gegebenen Bedingungen kein Risiko für die öffentliche Sicherheit darstellen.“
WHO-Empfehlung 5.4.
Die WHO-Empfehlung 5.4 – ein Vorschlag zur Streichung von „Extrakten und Tinkturen von Cannabis“ aus dem Vertrag von 1961 – wurde mit 24 Stimmen bei zwei Stimmenthaltungen und 27 Gegenstimmen abgelehnt. Nach der Erklärung der WHO zu der Empfehlung sollte damit lediglich eine Doppelspurigkeit beseitigt werden, und es werde nicht versucht, „das Kontrollniveau für Substanzen im Zusammenhang mit Cannabis zu verringern oder den Kontrollbereich einzuschränken“. Die WHO-Empfehlung 5.4 lautet:
„Das Expertenkomitee empfiehlt Extrakte und Tinkturen von Cannabis aus der Tabelle I des Übereinkommens über Betäubungsmittel von 1961 zu streichen.“
WHO-Empfehlung 5.5.
Die WHO-Empfehlung 5.5 wurde mit sechs Stimmen bei vier Stimmenthaltungen und 43 Gegenstimmen abgelehnt. Die Ablehnung dieser Empfehlung stellt eine verpasste Gelegenheit dar, die verwirrende rechtliche Situation für CBD-Zubereitungen mit Spuren von THC zu klären. Die WHO-Empfehlung 5.5. lautet:
„Das Expertenkomitee empfiehlt der Tabelle I des Übereinkommens über Betäubungsmittel von 1961 eine Fußnote mit dem folgenden Text hinzuzufügen: „Zubereitungen mit überwiegend Cannabidiol und nicht mehr als 0,2 Prozent delta-9-Tetrahydrocannabinol fallen nicht unter die internationale Kontrolle.“
Viele Experten sind sich einig, dass trotz Ablehnung der WHO-Empfehlungen 5.2. bis 5.6. auf der CND-Tagung im Dezember 2020 in Wien, die Empfehlungen 5.2. bis 5.6. weiterhin den drogenpolitischen Diskurs beherrschen werden.
Unterstützer der WHO-Empfehlungen
Das Internetportal der Hanfparade gab unter dem Titel „Dezember-Entscheidung der Vereinten Nationen zu Cannabis: Eingabe von 193 NGO aus 53 Ländern“ bekannt, dass inzwischen 193 Organisationen aus 53 Ländern den Aufruf „Support patient access to medicine, vote yes!“ der European coalition for just and effective drug policies (ENCOD) und weiteren Organisationen mitgezeichnet haben. Der Aufruf wurde als UN-Dokument veröffentlicht (E/CN.7/2020/NGO/7).
Organisationen aus Deutschland, die bislang mitgezeichnet haben (28.11.2020): Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin; Global Marijuana March Freiburg; Grüne Hilfe Hessen; Grüne Hilfe Netzwerk; Hanf Museum; Hanfparade. Aus Österreich unterstützten den Aufruf die Arge Canna; Elternkreis Wien, Verein zur Förderung der Selbsthilfe für Angehörige von Suchtkranken und aus der Schweiz Cannabis Consensus Schweiz und die IG Hanf Schweiz.
Eine weitere Eingabe der im Politikfeld der Drogenpolitik tätigen Organisationen „Towards science-based scheduling of cannabis sativa and other controlled herbal medicines“ wurde von 55 NGOs aus 33 Ländern gezeichnet.
Vergleiche hierzu in diesem Blog
[03.02.2019] Neubewertung von Cannabis der WHO
[13.03.2020] Reklassifizierung von Cannabis erneut verschoben
was bedeutet die empfehlung 5.2 praktisch?