vonfrida 24.12.2022

Frida, ich und du

Intimer Umgang mit Schmerz und Leid des Menschen in ihrer jeweiligen Rolle: Sozialisation, mothering, Feminist

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Hänsel und Gretel, zweieiige Zwillinge, wurden in sehr arme Verhältnisse geboren. Ihr Vater war nicht in der Lage, ein Kind, geschweige denn zwei, zu ernähren, von dem, was er mit seiner Hände Arbeit verdiente. Es reichte gerade so zum Überleben für sich und seine Frau.

Also beschloss er schweren Herzens, seine Kinder nicht dem direkten Hungertod auszusetzen, sie auch nicht selbst zu töten, sondern sie dem Schicksal zu überlassen.

Er stattete sie noch ein letztes Mal mit Kleidung und Essen aus und ging mit ihnen tief in den Wald. Dort verließ er sie heimlich und ließ sie im Unbekannten, im Chaos zurück.

Doch Hänsel, der eine unbestimmte Ahnung gehabt hatte, hatte das letzte Brot seines Vaters nicht aufgehoben, um es für den Erhalt seines Körpers irgendwann zu verzehren, sondern er investierte seine Brotkrumen, um Verbindung zur ordentlichen Welt, zu seinem Zuhause zu halten.

Und so konnten die beiden Kinder, als sie sich allein in der unbekannten Wildnis gewahrten, den Weg nach Hause finden.

Zuerst war auch alles wieder gut. Der Vater glücklich darüber, dass ihm das Schicksal diese Entscheidung erspart hatte, die Mutter glücklich, ihre Kinder doch wieder zu haben und Hänsel und Gretel glücklich wieder zuhause zu sein. Auch froh darüber, diese seltsame Prüfung, die sie nicht verstanden, gemeistert zu haben und so vergaßen sie, warum sie in den Wald gegangen waren und dass der Vater plötzlich verschwunden war.

Doch die Bedingungen der Zeit änderten sich für den Vater nicht und sie nagten alsbald alle wieder am Hungertuch, es ging um ihr Überleben, ihre Existenz.

Da beschloss er wieder, den einzigen ihm sichtbaren Ausweg zu nehmen und die Kinder ihrem Schicksal zu überlassen. Diesmal hatte er allerdings schon nichts mehr, was er ihnen mitgeben konnte. Also verließen sie das Haus, ohne Essen oder Trinken dabei, nur mit dem, was sie am Leib trugen.

Im Wald verließ der Vater seine beiden Kinder wieder und kehrte allein nach Hause zurück.

Hänsel und Gretel, nun völlig auf sich allein gestellt, irrten gemeinsam durch den Wald. Sie hielten aneinander fest und glaubten, nur gemeinsam überleben zu können.

Als sie schon fast verhungert waren, kamen sie an eine wundersame Lichtung. Dort stand ein Haus aus Pfefferkuchen. Es war über und über mit den köstlichsten Leckereien bedeckt, ja es bestand komplett aus Essen, die Fenster, die Mauern, das Dach, der Schornstein, ja sogar der Zaun, der das Haus umgab, alles war essbar und den Körper nährend.

„Wer mag der Herr wohl von diesem Häuschen sein?“, fragte Hänsel noch.

Doch ohne weiter darüber nachzudenken stürzten sich die beiden verhungerten Kinder auf das Essbare und fraßen und fraßen.

Drinnen wurde Hagazussa gewahr, dass jemand Hagazussas Haus aß, es nicht nur anknabberte oder etwas abbrach. Nein, Hagazussa befürchtete, dass Hagazussa das Haus überm Kopf weggefressen würde. Also stürzte Hagazussa wutentbrannt hinaus und stellte die Kinder zur Rede.

Diese, natürlich höchst erschrocken über Hagazussa, aber auch darüber, was sie dabei waren zu tun, gestanden Hagazussa wahrheitsgemäß, dass sie verloren, dass sie im Chaos lost seien und sich und ihrer schwindenden Existenz nicht mehr anders zu helfen gewusst hatten, als dieses wunderschöne Haus zu fressen.

Da hatte Hagazussa Mittleid mit diesen verloreneren Seelen. Hagazussa lud die Kinder in Hagazussas Haus ein, versorgte ihre Körper mit Essen und Schlaf und fand sogar Gefallen an ihrer Gesellschaft. Also blieben die zwei Kinder und Hagazussa gab ihnen nicht nur Futter für den Körper, sondern auch für den Geist. Hagazussa weihte sie in die Geheimnisse der Zauberei ein, lehrte sie, das Chaos zu erkennen und von der Ordnung zu unterscheiden und die Weisheiten von Zeit, Raum, Gesellschaft und Kultur.

Hänsel wurde sich dabei bewusst, dass er anders war als Gretel, dass er männlich war. Ihm wurde auch bewusst, dass Hagazussa anders war als er oder Gretel und er bemerkte, dass er eigentlich seinem Vater sehr viel ähnlicher war, als es Gretel jemals sein konnte.

Dies äußerte er auch und er stellte die Forderung, dass sich Hagazussa mehr um ihn kümmern müsse, dass er im Haus etwas zu sagen habe, dass er die Entscheidungen zu treffen habe, da er doch der Mann im Hause sei.

Gretel, die ihn liebte, und es auch nicht besser wusste, stand zu ihm und fand sein Ansinnen richtig. Hagazussa versuchte ihr und auch Hänsel klar zu machen, dass sie dabei waren, dieses Paradies, diese Existenz in diesem Hexenhäuschen, zu gefährden, ja zu zerstören.

Deshalb erzählte Hagazussa ihnen eine Geschichte über das größte Geheimnis der Menschheit.

 

Märchen 2.Teil: Hänsel und Gretel Oder die Suche nach dem Sinn des Lebens II

Märchen 3.Teil: Hänsel und Gretel Oder die Suche nach dem Sinn des Lebens III

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