vonfrida 19.02.2025

Frida, ich und du

Intimer Umgang mit Schmerz und Leid des Menschen in ihrer jeweiligen Rolle: Sozialisation, mothering, Feminist

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Liebe Fini,

ich bin heute durch Niedersachsen gefahren, um mein Auto in eine Werkstatt zu bringen. Am kommenden Wochenende sind ja die Bundestagswahlen und meine Aufmerksamkeit richtete sich auf die Wahlplakate am Straßenrand der Städte und Dörfer, durch die ich gefahren bin.

Schon zuhause, in meiner Stadt, war mir unangenehm aufgefallen, wie massiv sich z.B. die große, eigentlich linker orientierte Partei mit nationalistischen Farben und Begrifflichkeiten präsentiert. Der Kanzlerkandidat ist vor einer, den oberen Teil komplett einnehmenden Flagge in den Farben schwarz-rot-gold frontal abgebildet, wie bei einem Verbrecherfoto oder einem Passbild. Darüber stehen Worte, die das Individuum ansprechen „für dich“ und dies mit einem Nationalgefühl verbinden „Deutschland“.

Also nicht nur die Farben, sondern auch der Slogan lassen mich gruseln, was mein Erinnerungsempfinden an den Ton einer nationalen Normalität in Verbindung mit alten, weißen Männern, bei dem Versuch an der Macht zu bleiben, angeht.

Während der Fahrt heute sind mir zwei weitere Maker bei den Wahlplakaten in den Kleinstädten und Dörfern aufgefallen:

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Zum Einen war da eine Lückenhaftigkeit, eine wahrscheinlich anwohnerbedingte Vorsortierung der sichtbaren Parteien-nicht-Vielfalt. Entweder fanden sich nur die zwei großen Parteien (oder auch nur eine davon) und die aufstrebende Rechte noch hängend oder, in allerdings auch nur einem Ort, die großen Parteien und eine der deutlich linken Parteien. Alternativen, andere Parteien waren so gut wie gar nicht (mehr) sichtbar und jeder Ort schien sich durch das noch-hängen der Wahlplakate schon zu positionieren.

Zum Anderen sind mir zwei Schlagworte wiederholt und bei allen, wirklich allen Parteien aufgestoßen, die mir nach knapp 30 Jahren Wahlplakatregistrierung bisher noch nicht so untergekommen waren: Frieden und Freiheit.

Freiheit“ wird dabei als Schlagwort für unterschiedliche Zusammenhänge verwendet und bleibt irgendwie schwammig. Geht es um die Freiheit des Landes, der Nation? Oder die Freiheit der Demokratie oder um eine Freiheit der Wirtschaft, für wirtschaftliches Wachstum?

Oder geht es gar um eine individuelle Freiheit, eine Freiheit des Individuums?

Das Schlagwort „Frieden“ lese ich in meinem Leben das erste Mal auf Wahlplakaten. Darauf wäre in den 90iger und 2000ern keine Werbeagentur als zweckdienlich gekommen, obwohl es damals schon deutsche Kriegsbeteiligung und auch Auslandseinsätze gegeben hat.

Aber jetzt ist es präsent und Thema: Frieden!

Und das macht, sicherlich nicht nur bei mir im Gefühl, eine neue Dimensionspalette meines bisherigen privilegierten weißen Lebens auf: Angst

Bei mir eine Angst um meine individuelle Freiheit, meine sexuelle, geschlechtliche und meine geistige Freiheit, aber auch, und das ist massiv neu, eine Angst um meine körperliche Freiheit.

Gleichzeitig empfinde ich dabei ein Anklingen an etwas Bekanntes, an eine Einschränkung meiner körperlichen Freiheit, die ich doch auch schon einmal in meinem Leben erfahren habe, nämlich während der letzten Pandemie, während der Lockdowns. Und diese Kombination ist richtig perfide.

Ich bekomme eine Gänsehaut und mir zieht sich der Magen zusammen, wenn ich jetzt Wahlplakate sehe.

Am Sonntag öffnen sich die Wahllokale in allen Gemeinden und ich überlege, ob ich da überhaupt hingehen kann/will. Ich bin eigentlich immer gerne in diese Nachbarschaftsverbindungen meiner Wohnregion gegangen, habe das als gemeinschaftsbildenden Spaziergang ins Wahllokal empfunden. Dieses Jahr ist das auch irgendwie anders, irgendwie bedrückend. Weil es klingt an die unterschiedlichen Reaktionen mir naher Menschen während der Lockdowns an – von stayathome, über Blockwartmentalität, bis hin zu gesperrten Spielplätzen und gleichzeitig vollgestopften Bussen zu Schichtarbeitszeiten im öffentlichen Nahverkehr.

Ich überlege sogar, die letzten verbleibenden Tage, genauer bis Freitag 15:00 Uhr, noch zu nutzen, um meine Stimmabgabe bei einer lokalen Ausgabestelle für Briefwahlunterlagen direkt zu machen.

Ich freue mich auf deine Reaktion!

Herzlichen Gruß
Nena

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