Wissen Sie eigentlich, was mit Ihrem Geschäft passiert, nachdem Sie sich mit einem letzten kritischen Blick in die Kloschüssel davon verabschiedet haben? Rümpfen Sie ruhig die Nase! Die Fäkalien landen nämlich auf dem Acker – jedenfalls, wenn Sie in den nördlichen Bundesländern wohnen. Sie haben richtig gelesen; wir reden noch gar nicht vom Vieh-Dung. Und nein, das betrifft nicht nur die paar Hanseln auf dem Land mit ihren Kleinkläranlagen.
Fäkalschlamm ist als Nährstoffquelle Gold wert. Allerdings hat er ein paar Nebenwirkungen, wenn er nicht richtig behandelt wird. Die richtige Behandlung wäre die Monoverbrennung – so sieht es die Klärschlammverordnung vor. Und so machen es die Hamburger und Berliner bereits. Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Meck-Pomm geben sich nicht so viel Mühe. Hier landen 35 bis 45 % der Schlammmassen mehr oder weniger direkt im Gemüse. Dabei führt das 6-Millionen-Volk Niedersachsens mit enormem Abstand und einer Ausbringungsmenge von 57 Tausend Tonnen jährlich, als Trockenmasse gerechnet, sagt das Statistische Bundesamt. In den südwestlichen Bundesländern, die noch weit mehr zu entsorgen haben, setzt man schon länger auf Verbrennung, allerdings mit diversen Abfällen vermischt. Eine kontrollierte Rückführung der wertvollen Nährstoffe sieht anders aus.
Und warum nicht einfach direkt düngen? Klärschlamm ist in seiner Zusammensetzung sehr inhomogen. Aus Haushalten, Gewerbe und diffusen Quellen stammend enthält er eine ganze Palette von organischen, hormonell wirksamen Verbindungen und diversen Krankheitserregern sowie Schwermetalle und Arzneimittelrückstände. Damit stellt Klärschlamm bei einer direkten landwirtschaftlichen Verwertung eine Schadstoffsenke dar, über deren Umweltrelevanz und Wirkung noch sehr wenig bekannt ist – soweit die Erkenntnis des Umweltbundesamts schon 2013. Darüber hinaus ist wegen der unregelmäßigen Zusammensetzung eine kontrollierte Düngung, wie sie nach der Düngeverordnung vorgesehen ist, kaum machbar. Um den Schadstoff-Kreislauf zu unterbrechen und gleichzeitig die kontrollierte Verwertung zu fördern, wurde die Klärschlammverordnung schließlich 2019 novelliert. Dabei erhält die thermische Verwertung von Schlamm aus großen Kläranlagen inklusive Phosphorrecycling mehr Gewicht (BMUV 2023). Erste Anpassungen werden für 2029 erwartet. Mit dieser Zielsetzung ist man hinter die aktuelle Deadline zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie – 2027 – gerutscht, wobei das EU-Gesetz eine (erneute!) Verlängerungsmöglichkeit von 6 Jahren offen lässt, von deren Gebrauch man schon mal ausgehen kann (siehe Empörung beim BUND).
In den Exkrementen steckt neben dem begehrten Phosphat auch der Pflanzennährstoff Nitrat. Die Stickstoffverbindung ist inzwischen in den Gewässern im Überfluss vorhanden – ein Resultat, das sich durch Jahrzehnte des Überschuss-Düngens etablierte. Was Böden nicht aufnehmen können, sickert in die Gräben und ins Grundwasser. Der menschlichen Produkte nicht genug; auch das Vieh macht Mist. Intensive Viehwirtschaft erzeugt entsprechende Güllemengen, die ebenfalls entsorgt werden müssen. Man will die Suppe auch nicht sonst wohin karren, sondern bringt sie da aus, wo sie gemacht wird. Es wundert daher kaum, dass das UBA einen Zusammenhang zwischen enorm belasteten Grundwasserspeichern und intensiver Viehzucht fand.
Sorry, Niedersachsen! Hier ist die Belastung des Grundwassers an Viehzucht-Hotspots äußerst problematisch. Zusammen mit der Klärschlammentsorgung auf den Äckern ergibt sich ein immenses Nitrat-Problem, auch bekannt als Nitratkulisse.
Achja, Übeltäter Kleinkläranlagen (kurz KKA)! In Anbetracht dieser Kulisse möchte man (nach dem lokal-politischen Willen in Niedersachsen) die häuslichen Anlagen aufrüsten – und zwar nicht nur in Schutzgebieten, sondern darüber hinaus alle Anlagen, die in „organisch vorbelastete Gewässer“ einleiten. Wenn die Formulierung so ernst gemeint ist wie sie klingt, bedeutet das flächendeckend. Durch eine etwas kompliziertere Anlagensteuerung sollen Bakterien im Abwasser ermuntert werden, Stickstoff-Verbindungen unschädlich zu machen. Der finale Prozess dabei ist die Denitrifikation zum harmlosen Luftstickstoff – eine tolle Sache, eigentlich (mehr dazu im Blogbeitrag Ungeklärt!). In der Abwasserverordnung ist diese Reinigungsstufe D für Großanlagen mit mehr als einhunderttausend angeschlossenen Einwohnern vorgeschrieben. Abgesehen davon, dass Experten die Steuerung der Deni in Kleinkläranlagen als Herausforderung betrachten – zehn Finger zum Rechnen haben die KKA-Betreiber auch: Die Anlagen hinterm Häuschen können nicht auffangen, was en masse unkontrolliert in die Gegend geworfen wird.
Skepsis ist vorprogrammiert: Wird eine diffizile häusliche Abwasseraufbereitung vorgeschoben, um mittelfristig die Willigkeit zum teuren Anschluss an eine semizentrale Anlage zu befördern? – Befördert wird dadurch jedenfalls die bockbeinige Gemütslage der betroffenen Landbevölkerung.
Dabei gebührt den Kleinkläranlagen im Sinne des Umweltschutzes – Nitratkulisse hin oder her – tatsächlich mehr Aufmerksamkeit. Sie entwässern nämlich meistens in hydraulisch schwache Kleingewässer – Bäche oder Gräben an den Grundstücksgrenzen. Und sofern hier kein überdüngter Maisacker die Bilanz versaut, bestimmt die Nährstofffracht des gereinigten Abwassers den ökologischen Zustand dieses Gewässers. Dessen halbwegs naturnahe Wasserqualität ist für die Artenvielfalt enorm wichtig. Zur Erinnerung: Der Artenschwund ist – neben dem Klimawandel und der Bedrohung der Wasser-Ressourcen – eines der Hauptprobleme unserer Zeit. Falls man vor der Haustür nicht einseitig das Gedeihen von Mücken unterstützen möchte (die es in einer anoxischen Brühe wunderbar aushalten), sorgt man besser für Libellen, Frösche und Co. und belüftet sein häusliches Abwasser. Die angemessene Sauerstoffzufuhr sollte nicht einem falsch verstandenen Stromsparen zum Opfer fallen. Sie entspricht dem Stand der Technik von Kleinkläranlagen nach der Abwasserverordnung und führt zu Ablaufwerten nach C-Klasse, mindestens.
Und das Nitrat-Problem? Das ist – entsprechend Wasserhaushaltsgesetz – dringend entlang der Verursacher-Kette zu lösen, zusammen mit dem Schlamassel auf den Äckern!
Vorerst wälzen wir uns weiter in der Suhle – mehr im nächsten Teil von Geschäfte machen…
Öffentlichkeitsarbeit aus dem Forschungsprojekt des Antifouling-Alternative e. V. zur Performance von Kleinkläranlagen in der Praxis,
gefördert von der Bingo-Umweltstiftung