vonMartin Kaul 30.08.2017

taz Hausblog

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[Update 01.09.2017] Verlegerregierung verlagert Verleger: Am 30. August 2017 berichteten wir im nachfolgenden Text über die beachtliche Nähe der CDU-geführten Landesregierung zu Nordrhein-Westfalens Verlegern und über den Medienminister, der Mitbesitzer des mächtigen Funke-Medienkonzerns ist. Auch andere Medien problematisierten diesen Interessenkonflikt. Rund 24 Stunden später, am 31. August 2017, teilte die Staatskanzlei in Düsseldorf schließlich mit, dass dem Funke-Gesellschafter und Medienminister Stephan Holthoff-Pförtner die Zuständigkeiten im Bereich Medien entzogen werden.



In NRW ist der Medienminister gleichzeitig Verlagsbesitzer. Auch ein anderer Minister ließ sich jahrelang von den Verlegern bezahlen. Wir hätten da ein paar Fragen.

Ist ja klar, dass auch immer etwas Neid dabei ist: Wir hätten das doch auch gern – unseren eigenen Verleger im Ministerrang! Einen, der alle in der Regierung kennt und sich um unsere schöne taz-Genossenschaft kümmern kann. Wir, die 17.157 und bald noch mehr Genossinnen und Genossen der taz – oder nicht?

Die NRW-CDU, Hendrik Wüst und die Verleger

In diesem – Achtung: langen! – Hausblogeintrag geht es um die Frage, welche Fragen ein Minister (nicht) beantworten muss; es geht um Nordrhein-Westfalen, um Medienmacht und um das Selbstverständnis einer schwarz-gelben Landesregierung, die diese Medienmacht in ihrem eigenen Kabinett bündelt. Es geht um 24 fest angestellte Fotografen, denen gekündigt wurde, damit sie sich beim gleichen Unternehmen neu bewerben können. Beim Unternehmen des Medienministers.

Denn in Nordrhein-Westfalen, da gibt es sowas ja: Dort ist die neue schwarz-gelbe Landesregierung, die unter der Führung von CDU-Ministerpräsident Armin Laschet am 30. Juni 2017 ihre Arbeit aufnahm, eine echte Verlegerregierung. Der Verkehrsminister zum Beispiel: Der heißt Hendrik Wüst, ist 42 Jahre alt und schon lange Mitglied in der CDU. Einmal, das war 2010, musste er da sogar zurücktreten, weil er sich als Generalsekretär des Landesverbands dafür verantwortlich zeigte, in Briefen an Unternehmen gegen Geld vertrauliche Gesprächszeiten mit dem damaligen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers (auch CDU, „Kinder statt Inder“) angeboten zu haben. „Rent a Rüttgers“ – das war die „Sponsoring-Affäre“, das roch nach Wirtschaft, Politik, Geklüngel, das war gar nicht gut.

Schon zuvor hatte die CDU unter Wüst für Schlagzeilen gesorgt als die Partei ihre SPD-Konkurrentin Hannelore Kraft von einem Videoteam verfolgen ließ, um gezielt deren Ausrutscher zu dokumentieren und diese medial gegen sie zu nutzen. Generalsekretär Hendrik Wüst? Medienprofi, mit niedriger moralischer Lattenhöhe. Im Februar 2010 trat Wüst als Generalsekretär zurück, sein Landtagsmandat behielt er aber.

Warum Hendrik Wüst auch die Interessen der nordrhein-westfälischen Verleger ganz gut kennt? Nun ja: Bereits einige Monate nach seinem Rücktritt und wenige Tage nachdem er im Oktober 2010 wieder in den erweiterten Parteivorstand der Bundes-CDU gewählt wurde, erklärte der nordrhein-westfälische Zeitungsverlegerverband (ZVNRW) ihn zum Geschäftsführer. Gönnerhaft teilten damals die Verleger mit, dass ihm für die Ausübung seines Landtagsmandats die notwendigen Freiräume zur Verfügung stünden. Mit seinem neuen Job vertrat Wüst damit hauptberuflich und sicher auch ordentlich bezahlt die Interessen der Verleger. Damit saß er im Zentrum eines Netzes von dutzenden Lokalredaktionen und Lokalradios in Nordrhein-Westfalen, die im Besitz weniger Hände sind – organisiert wiederum im Verlegerverband.

Auf der Homepage von Hendrik Wüst heißt es:

„Von Ende 2010 bis Juni 2017 führte er die Geschäfte des Zeitungsverlegerverbandes Nordrhein-Westfalen, des Verbandes der Betriebsgesellschaften Nordrhein-Westfalen und der Pressefunk GmbH & Co. KG. Von 2014 – Juni 2017 war Hendrik Wüst auch Geschäftsführer der dein.fm Holding GmbH & Co. KG.“

Im Zeitungsverlegerverband Nordrhein-Westfalen sind die wichtigen großen Zeitungsverleger des Bundeslandes zusammengeschlossen – etwa die Rheinische Post, der Verlag DuMont Schauberg, die Funke Mediengruppe. Der Verband repräsentiert eine Marktmacht, die nach eigener Aussage 41 Tageszeitungen verlegt und täglich rund 2,5 Millionen Menschen erreicht. Interessant: Zu den Aufgaben des CDU-Landtagsabgeordneten und CDU-Bundesvorstandsmitglied, der für den Verband die Geschäfte führte, gehörte „insbesondere die Wahrung der unabhängigen demokratischen Presse„.

Im Vorstand des Verbandes – übrigens eine ziemliche Männerangelegenheit – saßen Vertreter aller relevanten Verlagshäuser Nordrhein-Westfalens; wichtige Persönlichkeiten in diesem Bereich wie, um nur einige zu nennen, Lambert Lensing-Wollf (Ruhr Nachrichten), Karl Hans Arnold (Rheinische Post) und, als Vorsitzender, Christian DuMont Schütte (DuMont), aber auch aus der Funke Mediengruppe, die früher als WAZ-Konzern agierte und im Ruhrgebiet die zentrale publizistische Macht stellt, saßen Vertreter im Gremium. Diese Verlage teilen sich große Teile des Verbreitungsgebietes der Tageszeitungen in Nordrhein-Westfalen auf.

Eine Besonderheit in Nordrhein-Westfalen: Auch die Lokalradios in dem Bundesland sind weitestgehend in diesen Verlegerhänden. Die Titel und Radiosender dieser Verlage erreichen in Nordrhein-Westfalen täglich Millionen von Menschen. Es gibt ein Detail, das veranschaulicht, was dies mit der heutigen schwarz-gelben Landesregierung in NRW zu tun hat: Um 2014 gründete sich aus diesen Reihen eine Initiative, die ein weiteres Feld erschließen wollte. Als die Landesmedienanstalt Nordrhein-Westfalen frei gewordene UKW-Frequenzen vergeben wollte, gingen die Verleger des Verlegerverbandes mit einem eigenen Konzept für ein Jugendprogramm ins Rennen – genannt: „deinFM“; der Markt versprach neue Werbeeinnahmen und direkten Zugang zu jüngeren Zielgruppen. Zwar bekam „deinFM“ nicht den Zuschlag für die Frequenzen – die unabhängige Kommission befand das Konzept eines Konkurrenten für besser. Aber bis heute klagt das Unternehmen der Verleger aus formalen Gründen gegen die Entscheidung. Es geht um einen lukrativen Markt. So blockieren die Verleger die Frequenzen, auf denen ansonsten schon längst wieder gesendet werden könnten – schlechte Verlierer. Der Kampf ist noch nicht entschieden. Noch immer hoffen die Verleger auf den Zuschlag.

Warum das wichtig ist? Weil der heutige Verkehrsminister Hendrik Wüst mittendrin die Geschäfte führte – er war sowohl beim Verlegerverband an Bord als auch bei DeinFM. Heute gehört er der schwarz-gelben Landesregierung und dem Kabinett von Ministerpräsident Armin Laschet an.

Wenn es um die Interessen der Verleger geht, dann haben diese also in der neuen nordrhein-westfälischen Landesregierung einen gut bekannten Ansprechpartner, der vormals auf ihrem Gehaltszettel stand. Und wenn es, umgekehrt, um die Interessen der CDU gegenüber den Verlegern geht, dann hat auch die CDU einen guten Draht in die Chefetagen der Verlagshäuser.

Das ist interessant – aber was soll’s? Immerhin ist Herr Wüst in Düsseldorf ja nicht für Medien zuständig, sondern Verkehrsminster. Es gibt auf Nordrhein-Westfalens Straßen so viele Baustellen, da dürften die Verlegerinteressen vielleicht ja nur am Rande eine Rolle spielen. Die Geschichte ist aber noch nicht zu Ende.

Der Medienminister und die Funke-Mediengruppe

Denn für alles, was mit Medien zu tun hat, ist in der nordrhein-westfälischen Landesregierung ein eigener Minister zuständig. Dieser Mann heißt Stephan Holfthoff-Pförtner – allerdings, Moment mal: Ist das nicht selbst einer der mächstigsten Verleger Nordrhein-Westfalens?

Doch.

Denn Holthoff-Pförtner war nicht nur bis neulich noch Präsident der Deutschen Zeitschriftenverleger, einem wichtigen Verlegerverband auf Bundesebene, sondern ist auch Mitbesitzer der im Ruhrgebiet mächtigen Funke-Mediengruppe. Es gehört schon eine ordentliche Portion Chuzpe dazu, gleich zwei Lobbyisten aus der selben Branche auf Ministerrang in eine Regierung zu berufen.

Daher gibt es, anders als bei Hendrik Wüst, bereits seit Wochen Debatten darüber, ob Herr Holthoff-Pförtner ein geeigneter Medienminister ist. Immerhin hält er selbst 16,7 Prozent an der Funke Mediengruppe, die 2015 einen Umsatz von 1,3 Milliarden Euro machte, und war dort auch Sprecher der Gesellschafterversammlung des Medienkonzerns. Kann so jemand unbefangen seinem Amt als Medienminister nachgehen?

Das kommt ganz auf den Standpunkt an. Eine Sprecherin seines Ministeriums in Nordrhein-Westfalen verweist darauf, dass Holthoff-Pförtner

„am 19. Juli 2017 mit sofortiger Wirkung sein Amt als Mitglied des Gesellschafterausschusses der Funke Management GmbH und sein Amt als Mitglied des Aufsichtsrats der Funke Mediengruppe GmbH & Co KGaA niedergelegt“ hat.

Sie sagt:

„Seine Funke-Stimmrechte hat er an seinen Adoptivsohn Georg Scheid übertragen. Mit der Übertragung ist keine Weisungsbefugnis verbunden.“

Georg Scheid, Jahrgang 1971, dem Holthoff-Pförtner offenbar nicht seinen Besitz, sondern lediglich seine Stimmrechte abgetreten hat, ist ein Anwaltskollege in Holthoff-Pförtners eigener Kanzlei. Die Sache mit der Adoptiererei ist Holthoff-Pförtner nicht fremd. Weil es im einstigen WAZ- und heutigen Funke-Konzern traditionell „familiär“ zugeht, mussten dort schon oft Adoptionen vorgenommen werden, um Macht und Besitz weiter zu reichen. Auch bei ihm selbt.

Damit Stephan Pförtner in Besitz der millionenschweren Anteile geraten konnte, wurde er selbst 1993, im Erwachsenenalter, eigens adoptiert – von der reichen Verlagsgesellschafterin Gisela Holthoff, die ihm ihre Unternehmensanteile an der früheren WAZ- und heutigen Funke-Gruppe übergeben wollte; seitdem trägt er den Doppelnamen.  Gisela Holthoffs Vater Jakob Funke hatte 1948 gemeinsam mit Erich Brost die WAZ gegründet. Holthoff-Pförtner ist als Adoptivsohn also Teil des Funke-Flügels. Auch auf dem anderen Flügel, unter den Brost-Nachfolgern, gab es ebenfalls einen interessanten Adoptivsohn: Erich Schumann. Der einstige WAZ-Geschäftsführer wurde 1985 von Erich Brost adoptiert – und geriet in die Schlagzeilen als im Jahre 2000 bekannt wurde, dass der einstige SPD-Mann 800.000 Euro „privat“ an Helmut Kohl gespendet hatte – um diesen bei der Wiedergutmachung der CDU-Spendenaffäre zu unterstützen.

Auch zwischen Holfthoff-Pförtner und Helmut Kohl waren die Bindungen eng. Holfthoff-Pförtner, Sohn einer Gärtnersfamilie und Rechtsanwalt aus Essen, hat seinen Freund und späteren Trauzeugen Helmut Kohl in der Parteispendenaffäre vor Gericht vertreten und dabei erreicht, dass das Verfahren gegen Kohl 2001 gegen eine Geldbuße von 300.000 DM eingestellt wurde. Mit Helmut Kohl verband Holfthoff-Pförtner unter anderem, dass beide bei einem gemeinsamen Urlaubsaufenthalt in Thailand Augenzeugen des Tsunamis wurden. Auch Baden-Württembergs Ex-Ministerpräsident Stefan Mappus wurde von Holthoff-Pförtner in einem Verfahren wegen des Verdachts der Untreue vertreten. Holfthoff-Pförtner erhielt das Bundesverdienstkreuz am Bande und ist Honorarkonsul des Königreichs Thailand für Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Es gibt also Gründe dafür, warum viele in der CDU ihm noch zu Dank verpflichtet sind.

Naja und dann ist da eben noch sein Netzwerk in die Verlegerbranche und die Medienmacht der Funke-Gruppe.

Es sind nicht nur SPD-Abgeordnete, sondern auch zahlreiche Staatsrechtler, die die Personalentscheidung daher für äußerst bedenklich halten. Das bringt, so oder so, auch die Redaktion der Funke-Zeitungen unter Druck. Die WAZ-Redaktion, Aushängeschild der Funke-Gruppe, muss sich nun  gegen den Verdacht wehren, nicht kritisch über den eigenen Besitzer zu berichten. Sie wird so selbst zum Dampfkessel der Landesregierung und der Entscheidungen ihres Verlegers. Wie unabhängig können Journalisten so noch berichten? Auch innerhalb des Funke-Konzerns ist der Unmut über die Entscheidung daher groß. Egal was die Journalisten schreiben – sie stehen automatisch unter Generalverdacht.

Und so empfiehlt CDU-Ministerpräsident Armin Laschet, der auf eine sogenannte Ehrenkommission verweist, die sich die Einkommensverhältnisse aller Minister mal anschauen soll, dass Holthoff-Pförtner sich aus Entscheidungen heraus halten soll, die die Funke Mediengruppe betreffen. Dann, fragen dagegen Politiker der Opposition, soll er sich also aus so gut wie jeder Entscheidung heraus halten?

Die ‚Hire-and-Fire‘-Politik der Funke-Gruppe und eine einfache Frage: Wie bewertet Herr Holthoff Pförtner das?

Es steht also viel im Raum und es gibt berechtigte Zweifel daran, ob die schwarz-gelbe Landesregierung mit ihrer Verlegermacht wirklich vor allem die Interessen der Wählerinnen und Wähler im Blick hat – oder vielleicht doch eher die eigenen Machtinteresseren an der Seite der Meinungsmacher.

Warum das hier steht? Im taz-Hausblog? Weil wir hier den Fortgang einer einfachen Frage dokumentieren wollen. Wir wollen wissen: Kann Herr Holthoff-Pförtner als schwergewichtiger Funke-Besitzer gleichzeitig unbefangen seiner Arbeit als Medienminister nachgehen?

Dazu gibt es im Journalismus ganz einfache Mittel: Man stellt Fragen und erhält Antworten. Anhand dieser Antworten können sich JournalistInnen und ihrer LeserInnen ihre eigenen Urteile bilden und am Ende einer Wahlperiode informierte Entscheidungen treffen. Zum Beispiel die, ob es okay war, bestimmte Leute in bestimmte Ämter zu wählen.

Die neue Foto-Agentur

Am 17. August 2017 teilte die Funke Mediengruppe in einer Pressemitteilung mit, eine neue Foto- und Bewegtbildagentur zu gründen, „um so auch die Qualität seiner Bildsprache zu optimieren“. Das wäre nicht weiter der Rede wert, stünde hinter der Neugründung nicht eine interessante Geschichte. Denn bereits kurze Zeit später war klar: Hinter der vermeintlichen Neugründung steckt eine Kündigungsabsicht, die so aussieht: Die Funke-Gruppe kündigt ihren 24 Fotografen. Besonders dreist: Gleichzeitig empfiehlt sie ihnen, sich bei Bedarf doch gerne bei der neuen Agentur zu bewerben.

Wer sich mit Arbeitsrecht auskennt, weiß: Das ist ein beliebtes Mittel, um arbeitsrechtliche Hürden zu umgehen, um Arbeitnehmerrechte abzubauen und Gehälter neu zu verhandeln. Plus: Wer von den bisherigen Arbeitnehmern nicht genehm ist, muss ja nicht unbedingt neu angestellt werden. Diese Politik der permanenten Umstrukturierung ist ein beliebtes Instrument im Hause Funke. Es gibt dort Redakteure, die haben zwar immer das Gleiche gemacht – und trotzdem schon für die unterschiedlichsten Titel gearbeitet. Mal waren sie Westfalenpost-Redakteure, mal Redakteure der Westfälischen Rundschau oder der WAZ. Der Konzern verschob sie, wie er es gerade brauchte.

Im Fall der künftigen Foto-Agentur ist es ganz ähnlich: Viele der Fotografen, denen nun gekündigt wird, waren bereits in der Vergangenheit Adressaten von Umstrukturierungsprozessen. Einige arbeiten seit Jahrzehnten für die WAZ – einst als Redakteure bei einzelnen Zeitungen, dann wurden sie überführt in den heutigen „Foto-Pool“. Viele von ihnen verzichteten damals auf eine volle Stelle, um so dazu beizutragen, möglichst viele Kollegen übernehmen zu können: Spardruck auf Kosten von Arbeitnehmern.

Und so ḱritisiert etwa heute der nordrhein-westfälische Journalistenverband DJV die Kündigung der Fotografen scharf:

„Das ist der untaugliche Versuch, Kolleginnen und Kollegen unter Druck zu setzen“, sagt DJV-Landesgeschäftsführer Volkmar Kah. „Das hat nichts mit Neuausrichtung oder Qualitätssicherung zu tun. Das ist ‚hire and fire'“.

Zwar sagt die Funke-Gruppe, dass die neuen Stellen „branchenüblich bezahlt werden“. Aber es gäbe auch andere Wege, um eine Neustrukturierung zu organisieren, etwa als Betriebsübergang, von einem Unternehmen ins andere.

Und so sind auch die Funke-Betriebsräte empört. In einem Protestbrief an die Geschäftsführung, der der taz vorliegt, schreiben sie: „Dass sich Kollegen mit mehr als 30 Jahren Berufserfahrung auch noch auf eine Stelle in der neuen Firma bewerben müssen, halten wir für zynisch und rücksichtslos. Wie passt das zum, derzeit diskutierten Wertekatalog, der den respektvollen Umgang als eine tragende Saule ansieht?“

Nun, was hat das mit Stephan Holthoff-Pförtner zu tun?

Entweder gar nichts. Oder sehr viel. Wir als taz würden gerne von Nordrhein-Westfalens Medienminister wissen:

Wie bewertet Herr Holthoff-Pförtner das oben genannte Vorhaben der Funke-Mediengruppe politisch?

Wir denken: Ein Medienminister, der Verantwortung für den Medienstandort Nordrhein-Westfalen übernimmt, könnte sich dazu durchaus eine Meinung bilden und diese auch mitteilen. Manche ich Nordrhein-Westfalen sagen sogar: Sie würden diese Meinung gerne kennen, damit sie abwägen können, ob sie

a) diese Regierung noch einmal wählen würden und ob sie

b) Herrn Holthoff-Pförtner für einen unbefangenen Minister halten können.

Schließlich handelt es sich bei Funke um sein Unternehmen – und es könnte doch sein, dass Herr Holthoff-Pförtner eine solche Politik auf Kosten von Arbeitnehmern als Minister nicht mehr ganz so gut findet wie, nur unterstellt, vielleicht als Gesellschafter.

Leider haben wir darauf keine inhaltliche Antwort erhalten. Die Antwort aus seinem Ministerium lautete:

„Vielen Dank für Ihre Mail und Ihren Anruf. Zu Ihrer Anfrage unten werden wir – wie besprochen – keine einzelnen Unternehmensentscheidungen kommentieren.“

Das finden wir natürlich schade. Denn es aus unserer Sicht geht es hierbei nicht um eine „einzelne Unternehmensentscheidung“, sondern um

„die Bewertung dieser Praxis am Medienstandort Nordrhein-Westfalen, in diesem Fall durchgeführt von der Funke Mediengruppe. Hierbei werden einzelne Mitarbeiter im Laufe ihrer Berufskarriere bereits zum zweiten mal zur Umgehung von Tarif- und Vertragsrecht in neue Verträge gedrängt. Branchenverbände haben den Schritt bereits öffentlich thematisiert und kommentiert. Die Frage ist nicht nur deshalb von öffentlichem Interesse.

Fernerhin stellt die Funke Mediengruppe in Nordrhein-Westfalen eines der wichtigsten Medienhäuser des Bundeslandes dar. Unternehmenspolitische Entscheidungen können damit objektiv Signal- und Lenkungswirkung auch für andere Medienunternehmen in NRW und bundesweit haben. Daher geht der Hinweis auch künftig fehl, dass Herr Holthoff-Pförtner Entscheidungen „einzelner Medienhäuser“ nicht kommentiere, wenn es sich um die Funke Mediengruppe handelt.“

Wir haben deshalb nochmal nachgefragt:

1. Wie bewertet Herr Holthoff-Pförtner im Allgemeinen unternehmenspolitische Schritte, die darauf zielen, Medienschaffenden zu kündigen, bei gleichzeitiger Aufforderung, sich in neue Anstellungsverhältnisse zu bewerben?

2. Wie bewertet Herr Holthoff-Pförtner im konkreten Fall der FUNKE Foto Services GmbH die unternehmenspolitischen Schritte, die darauf zielen, Medienschaffenden zu kündigen, bei gleichzeitiger Aufforderung, sich in neue Anstellungsverhältnisse zu bewerben?

3. Ist Herr Holthoff-Pförtner der Einschätzung, dass eine solche Praxis den Medienstandort Nordrhein-Westfalen eher zuträglich ist – weil sie die Arbeitsbedingungen etwa zu Gunsten der Arbeitgeber flexibilisiert – oder eher abträglich ist? Warum?

Weil wir finden, dass die Antworten auf diese Fragen von öffentlichem Interesse sind, dokumentieren wir hier unsere Fragen. Die Antwort, die wir aus seinem Ministerium darauf erhielten, lautete:

„Zu den Fragen 1 bis 3 bleibt es bei der Auskunft, dass der Minister keine Unternehmensentscheidungen kommentiertet, weder einzelner Unternehmen noch abstrakt.“

Mitteilen, ob Herr Holthoff-Pförtner in direkter oder indirekter Form an der Entscheidung oder Strategie beteiligt war, Mitarbeitern zu kündigen und ihnen gleichzeitig zu empfehlen, sich neu zu bewerben, wollte sein Ministerium leider auch nicht. Dabei wäre es doch so einfach gewesen. Es hätte, zum Beispiel, mit „Nein“ antworten können.

Und so wird uns die Personalie auch künftig sicher noch weiter beschäftigen, denn eigentlich wollen wir doch nichts Böses. Wir wollen wissen, wofür die schwarz-gelbe Regierung in Nordrhein-Westfalen mit ihren Verlegern steht – und zwar konkret.

Update: Dieser Text erschien am 30. August 2017 um 15.08 Uhr. Einen Tag später, am 31. August 2017, gab Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet bekannt, seinem Medienminister Stephan Holthoff-Pförtner die Zuständigkeit für Medien zu entziehen. Mehr dazu – und wer es jetzt macht – lesen Sie hier.

Bild: Stephan Holthoff-Pförtner – dpa

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