In den letzten Wochen hört man aus der Verlagsbranche verstärkt Warnungen, Papier werde knapp, möglicherweise müssten gar Umfang und Menge von Zeitungen reduziert werden. Der Bundesverband der Zeitungsverleger BDZV und der Europäische Wirtschaftsdienst EUWID beobachten bedenkliche Ressourcenverschiebungen bei den Papierfabriken. Denn die Herstellungsbetriebe haben ihre Produktion in den letzten Jahren in erheblichem Umfang von Papier auf Pappe umgestellt. Der Prozess ist eine leicht nachvollziehbare Konsequenz aus sinkenden Auflagen bei den Zeitungsverlagen und steigender Nachfrage von Paketzustellungen, Amazon und Co lassen grüßen. Eigentlich aber eine normale Anpassung des Angebots an Veränderungen bei der Nachfrage.
Doch dann kam die Pandemie und damit bisher ungekannte Rhythmusstörungen. Die Schließung von Läden und des öffentlichen Lebens brachte den Kreislauf von Lieferung, Gebrauch und Einsammeln von Altpapier nahezu zum Erliegen. Jetzt fehlt den Papierherstellern mit dem Altpapier ein wichtiger Rohstoff. Denn 7- bis 10-mal kann Altpapier wiederverwendet werden, um frisches Recyclingpapier herzustellen. Alte Pappe hingegen eignet sich nicht zur Papierproduktion.
7- bis 10-mal kann Altpapier wiederverwendet werden
Mit dem Ende der Eindämmungsmaßnahmen steigt nun die Nachfrage in genauso ungewöhnlichen Dimensionen wie sie vorher sank. Mit dem Effekt, dass die Angebotsmenge nicht ebenso schnell wieder angepasst werden kann wie die Verlage es gerne hätten. Ungleichzeitigkeiten wie beim Schweinezyklus, also dem aufeinanderfolgenden Auseinanderklaffen von Angebot und Nachfrage, sind die Folge. Die Auswirkungen sind vor allem bei jenen spürbar, die kurzfristig Mengen ordern, weil sie eher unregelmäßige Mengen und Umfänge zu steuern haben.
Die taz ist derzeit noch nicht von den Irritationen betroffen. Ihre großen Druckereien mit mehreren Auftraggebern bevorraten sich mit Jahresverträgen und können die Schwankungen der Angebotsseite zunächst noch abwartend zur Kenntnis nehmen. Etwas schwieriger stellt sich die Lage für unsere Magazine FuturZwei und Edition LeMonde diplomatique dar, bei denen wir gegenwärtig deutliche Papierpreissteigerungen hinzunehmen haben.
Doch auch für die Zeitung bleibt es ratsam, die Unberechenbarkeiten des Marktes in Zeiten der digitalen Transformation aufmerksam zu verfolgen. Jedenfalls bestärken uns die Verwerfungen in unserer Strategie, uns mit der Diversifizierung unserer Angebote auf eine Zukunft vorzubereiten, in der Druck und Vertrieb der täglich gedruckten Zeitung eines Tages nicht mehr möglich sein könnte. Wenn Sie mögen, testen Sie doch mal das Angebot, das sich aus unserer Sicht am besten dafür eignet, auf Dauer Ihr Interesse als Lesende und unseres als Produzierende in Deckung zu bringen: das Kombiabo aus taz am Wochenende und digitaler taz unter der Woche.
Von Andreas Bull, Geschäftsführer der taz. An dieser Stelle erörtert er normalerweise die wirtschaftlichen Gegebenheiten unseres Medienhauses.