Wenn ich irgendwo erzähle, dass die taz für 20 Millionen Euro bis zum Jahr 2017 ein neues Haus bauen will, höre ich immer:
Die Medien stecken doch in der Krise! Gibt es euch in ein paar Jahren überhaupt noch?
Nun, die Medienkrise ist an der taz bisher vorbeigegangen. Bei anderen Verlagen gingen in den letzten Jahrzehnten die Einnahmen zurück – durch das Platzen der Dotcom-Blase im Jahr 2000, durch die Verlagerung von Werbung aus den gedruckten Zeitungen ins Internet oder durch die Banken- und Finanzkrise seit 2007. Andere Verlage waren daher gezwungen, viele Mitarbeiter zu entlassen, die Redaktionen verschiedener Zeitungen zusammenzulegen oder sie gleich ganz zu schließen. Bei der taz sind wir dagegen in der erfreulichen Lage, dass unsere Einnahmen kontinuierlich wachsen: In den letzten 20 Jahren um 110 Prozent (und damit deutlich überhalb des inflationsbedingten Preisanstiegs von 42 Prozent in diesem Zeitraum). Derzeit nehmen wir rund 26 Millionen Euro pro Jahr ein. Verantworlich für dieses Wachstum sind drei wesentliche Faktoren:
– Stabile Werbeeinnahmen. Anderen Verlagen macht zu schaffen, dass sie ihr Geschäftsmodell zu einem großen Teil auf Anzeigenerlösen gebaut hatten dass und diese Erlöse in den letzten beiden Jahrzehnten massiv einbrachen. Nicht so bei der taz: Wir hatten schon immer wenige Anzeigen. Und diese wenigen Anzeigen sind nicht weggebrochen, sondern recht stabil geblieben: Unsere Anzeigenerlöse lagen zuletzt bei 2,5 Millionen Euro, das sind 23 Prozent mehr als 1992. Ursache dieser Anzeigen-Stabilität: Die taz hatte immer schon andere Anzeigenkunden. Bei uns werben kaum Konzerne mit großflächigen imageverbessernden Anzeigen. Wir hatten noch nie „Schweinebauch-Anzeigen“ mit den Sonderangeboten von Aldi und Media Markt. Die Anzeigenkunden der taz kommen eher aus dem alternativen, ökologischen und nachhaltig wirtschaftenden Sektor.
– Neue Angebote. Auch die taz verkauft weniger Print-Abos und verliert dadurch Einnahmen. Aber dieser Einnahmenrückgang wird durch neue Angebote mehr als ausgeglichen. Zu unseren neuen Umsatzbringern zählt das Wochenend-Abo (1,74 Millionen Euro), das ePaper-Abo (890.000 Euro), die Le Monde diplomatique (440.000 Euro) mit ihren Editionen und dem Atlas der Globalisierung (zusammen 700.000 Euro), der taz-Shop (800.000 Euro) und das taz-Café (300.000 Euro). Zusammen sind das 4,9 Millionen Euro oder 19 Prozent unserer Gesamteinnahmen. Unbedeutend ist dagegen im Vergleich das freiwillige Bezahlen für taz.de-Artikel mit aktuell rund 130.000 Euro im Jahr (entspricht 0,5 Prozent unserer Gesamteinnahmen). Übrigens ist uns nicht jedes neue Angebot geglückt: Den Versuch, mit einem Regionalteil für NRW dort viele zusätzliche neue Abonnenten zu gewinnen, haben wir 2007 wieder aufgegeben.
– Ein einzigartiges Geschäftsmodell. Wir haben solidarische Abonnenten, die ihren Abopreis frei wählen können und von denen 75 Prozent mehr zahlen, als sie müssten. Wir haben 13.493 Eigentümer, die keine jährliche Rendite wollen, sondern die jährlich mehr Geld an Eigenkapital zuschießen, um neue Investitionen zu finanzieren. Wir haben eine Redaktion voller Journalisten, die sich von keinem Anzeigenkunden beeinflussen lassen und die daher unabhängigen, kritischen und engagierten Journalismus machen. Dieses Geschäftsmodell ist nicht in der Krise. Dieses Geschäftsmodell floriert.
Und so ist die taz in einer glücklichen Situation: Seit 1992 konnten wir unsere Ausgaben für Löhne und Gehälter um 123 Prozent steigern. Das heißt aber nicht, dass die Gehälter der Redakteure so stark gestiegen sind. Für einen erheblichen Teil des Betrages haben wir zusätzliche Leute eingestellt, um besseren Journalismus zu machen und die Arbeit auf mehr Schultern zu verteilen. Dadurch wurde es natürlich über die Jahre immer enger im taz-Gebäude. Inzwischen sitzt ein Drittel der Belegschaft in angemieteten Flächen außerhalb des Haupthauses. In dem neuen Gebäude passen wir endlich wieder alle unter ein Dach. Das lohnt sich irgendwann auch finanziell, weil wir die Kosten für den Neubau ja mit den Jahren durch die gesparten Mietausgaben wieder hereinholen. Wir planen da ganz langfristig.
Siehe auch: Tabelle mit allen Umsatzerlösen, Anzeigenerlösen und Personalausgaben seit 1992
[…] Presse zeigen sich alle Merkmale einer existenziellen Krise. Eine Krise, von der die taz bisher nicht betroffen ist. Ohne die taz-Genossenschaft würde es die taz heute nicht mehr geben. Das alte Solidarmodell […]