vonHelmut Höge 29.04.2008

Hier spricht der Aushilfshausmeister!

Helmut Höge, taz-Kolumnist und Aushilfshausmeister, bloggt aus dem Biotop, dem die tägliche taz entspringt. Gonzo-Journalismus der feinen Art.

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Siemens ist wieder jeden Tag in irgendwelchen Zeitungen, vor allem geht es darum, dass eventuell der Ex-Siemenschef von Pierer auch „was gewußt“ haben soll. Immer wieder heißt es, „es wird eng um Pierer“, „Wußte er mehr als er zugibt“ usw.. Was für ein bürgerlicher Wichsjournalismus!

Die Siemens- und die Osram-Chefs waren immer – seit 1920 – in den Entscheidungsgremien des Internationalen Elektrokartells, sie waren federführend im Kartell, dass sich angeblich Ende 1989 selbst auflöste. Und das Elektrokartell bestimmte, wieviel Schmiergelder wer wofür zahlte. Das waren aber noch die harmlosesten Entscheidungen der IEA, vormals Phoebus S.A. genannt. Aus ihrer „Kriegskasse“ wurden noch ganz andere Feldzüge – gegen unliebsame Konkurrenten, Patentbesitzer, etc – finanziert.

Aber im bürgerlichen Idiotenjournalismus geht es um Personen, ihre eventuellen Verfehlungen, ihre Unschuldsvermutung bis zur Verurteilung und dergleichen Mumpitz. Das System – in diesem Fall der im Kartell organisierten Elektrogroßkonzerne – interessiert keinen. Dabei bräuchten diese Dumpfmeister aus den Kapitalmedien nur mal ins Berliner Landesarchiv zu fahren, um dort die zentnerweise gestapelten „geheimen“ Unterlagen des Elektrokartells zu studieren. Auf nahezu jedem Blatt dieser endlosen Korrespondenzen zwischen den Geschäftsführern der einzelnen Elektrokonzerne und den Kartellvorständen würden sie auf – in marktwirtschaftlicher Hinsicht – Riesensauereien stoßen.

Aber nicht einmal einer der vielen Unileute interessiert sich dafür. Neulich blätterte ein spanisches TV-Team lustlos ein paar der Elektrokartell-Akten durch, weil es Material über „Sollbruchstellen/Geplanten Verschleiß“ suchte – und natürlich auch sofort darin fand. Ich könnte mir jedoch auch vorstellen, dass hinter diesem spanischen „Team“ etwas ganz anderes steckte – und kein Film daraus wird, sondern eine ganz andere Scharade. Das wäre mehr als ärgerlich, denn ich half ihnen einen ganzen Tag lang dabei. Egal, nun ist es zu spät.
Der Spiegel kommt sich mit seiner Siemens-Titelgeschichte schon wahnsinnig mutig vor (mutig sind jedoch meistens die Dümmsten, Scharfsinnigkeit und Analysefähigkeit ist dagegen gefragt!), wenn er schreibt: Die Siemens-„Regeln ähneln denen „der Mafia“. Es geht hier aber gar nicht um Konzern-„Regeln“, sondern um Kartellvereinbarungen, die die Geschäftspolitik der Kartellmitglieder bestimmten – in jedem Bereich, vom Turbinenbau über die Kabelproduktion bis zur Glühbirne.

Noch verdummender als die Spiegel-Titelgeschichte ist das Time Magazine-Interview mit Siemenschef Löscher: „Where we failed was leadership culture, not company culture.“ Ein wahrer Kulturkritiker und schaffender – dieser Löscher!
Am dümmsten, geradezu verbrecherisch blöde ist das Tagesspiegel-Interview mit dem neuen Siemens-Vorständler Peter Solmssen, ein lobotomisierter Ami und ein bescheuerter Jurist oberdrein, der – wie könnte es anders sein – aus der Idiotenbrutanstalt Harvard kommt:

Über Siemens sagt er:

„Wir sind zu stolz, um zu betrügen“

und auf Berlin angesprochen sagt er das, was noch jeder Amidummbeutel gesagt hat, nämlich das allerschlimmste und allerdämlichste:

„Fantastisch. Ich war im Sommer 1975 für die Recherche meiner Harvard-Abschlussarbeit teilweise am Institut für Publizistik der Freien Universität. Seitdem habe ich verfolgt, wie sich Berlin entwickelt. Es ist eine Stadt mit unglaublicher Energie. Sie erinnert mich an New York. Man spürt diese Energie einfach, diese Kreativität, die wahren, die wichtigen Dinge zu erfinden und zu gestalten.“

Man spürt diese unglaubliche Energie einfach! Das ist es, was diesem unglaublichen Einfaltspinsel zu Berlin einfällt. Das würde ihm auch zu New York, Tokio, Sao Paulo, Bombay, Peking und Moskau einfallen – also zu allen Großstädten, die geradezu bestürmt werden von Verbrechern, Massenmördern, Mafiosi, Drecksäcken und ähnlichem Gesindel. „Die Mauer hat auch sein Gutes gehabt,“ meinte Wolfgang Neuss immer, „denn die schlimmsten Leute haben die Stadt verlassen!“ Jetzt – nach dem Mauerfall – kommen sie jedoch alle wieder, und sie bringen noch weitaus „schlimmere“ mit. Dieser Solmssen ist da in seiner unglaublichen Dummbeutelhaftigkeit leider bloß einer von vielen.
Auf die Frage, ob noch mehr Mitarbeiter bei Siemens rausgeschmissen werden, d.h. Leute im Produktionsbereich, nicht in den Bestechungsabteilungen, antwortet dieser armselige Mensch – Solmssen:

“ Man muss flexibel sein. Wir müssen uns der globalen Konkurrenz stellen, wir müssen intelligent und wertschöpfend arbeiten. Sich auf eine exakte Zahl von Arbeitsplätzen festnageln zu lassen, wäre dumm. Wir müssen strategisch denken, wo wir etwas aufbauen können.“ Ach nee!

Die Süddeutsche Zeitung berichtet fast täglich gleich mehrseitig – und verliert sich immer mehr in dumme Fakten:

„Über dem alten Management lastet ein schwerer Verdacht.“

Die Highclass-New-York-Juristen von Debevoise und Plimpton „gewinnen im Konzern an Einfluss“ – sie jetten um den Globus, „vernehmen hochrangige Manager in zermürbenden Sitzungen, haben Siemens dafür bisher schon mehr als 500 Mio Euro in Rechnung gestellt“ – und kriegen doch nicht mehr in all ihrer harvardverblödeten Intransingenz heraus als noch mehr Bestechungsfälle. Doch darum geht es überhaupt nicht, wenigstens wenn man noch ein bißchen Grips im Kopf hat und Denken kann:

Es geht um die Genealogie des Siemens-Geschäftemachens, und dabei muß man die Geschichte bis zu den Hohenzollern und zu Rathenaus Kriegskapitalismus zurück begreifen, es zumindest versuchen. Was interessiert es, ob noch ein paar mehr Manager am Ende verurteilt werden, einschließlich dieses verlogenen von Pierer. Dadurch verstehen wir die Welt kein bißchen besser. Und sowieso gehören alle Manager der Welt nach Sibirien. Wir leben im 21.Jahrhundert – und kein Mensch ist mehr derart vegetable, dass er gemanaged werden muß! Wir müssen uns selber managen, besser noch: dieses bescheuerte Amiwort verschwände überhaupt aus unserem  Schädel, unserem Wortschatz.

Genug aufgeregt über die jämmerlichen Charaktermasken des Kapitals und ihre uns verblödenden Journalistenknechte. Hier ein etwas trockenerer Bericht über das selbe Thema, für den sich natürlich wieder kein Schwein interessierte:

Dunkle Machenschaften im Lichtkartell

Mit „Kartell“ bezeichnete man einst die Kampfregeln im Duell- und Kriegswesen. Bei einem Kartell von Wirtschaftsunternehmen richtet sich der Krieg zum einen gegen außenstehende Konkurrenten und zum anderen gegen die Kunden/Endverbraucher. Deswegen verschärfte man im marktwirtschaftsgläubigen Amerika seit 1890 ständig die Antikartellgesetze, während die Zahl der Kartelle in Deutschland bis 1930 nahezu ungehindert auf 2000 steigen konnte. Die „Deutsche Kartellverordnung“ von 1925 änderte daran nichts: Die Kartelle verlegten ihre Geschäftssitze einfach ins Ausland. Die Kalikonzerne z.B nach Wien und die Elektrokonzerne in die Schweiz. Letztere domizilierten ihre „S. A. Phoebus, Compagnie industrielle pour le développement de l’éclairage“ am 24.12. 1924 in Genf. Die einflußreichsten Kartellmitglieder waren: aus Deutschland (Siemens/Osram), den USA (General Electric – GE), Holland (Philips), Frankreich (Compagnie des Lampes), England (Associated Electrical Industries), Ungarn (Tungsram), daneben noch Firmen aus Skandinavien, Italien und Japan. Nach 1945 verboten die Alliierten jegliche Kartellbildung, die BRD übernahm mit der Gründung seines „Kartellamtes“ wenig später dieses Verbot. 2003 tönte ihr Präsident Ulf Böge: „Die Kartellbekämpfung ist griffiger und effizienter geworden.“ Seine „Kartellwächter“ hatten gerade der Kabel- und der Zementindustrie wegen Preisabsprachen saftige Geldbußen aufgebrummt.

Rudolf Mirow, der brasilianische Kritiker des Elektrokartells, das sich in „International Electrical Association“ (IEA) umbenannt und nach Pully bei Lausanne gezogen war, meinte jedoch nach einem Gespräch im Kartellamt: „Die sind da eher Kartellschützer!“ Er hatte dem Kartellamt jede Menge Dokumente vorgelegt, die bewiesen, dass das IEA die Welt in „producing“ und „non-producing countries“ aufteilte, dass sie „Heimatschutzabkommen“ treffen (so gab es hier z.B. bis in die Neunzigerjahre keine GE-Produkte zu kaufen), dass sie mit Dumpingpreisen, die sie aus ihrer „Kriegskasse“ bezahlen, ganze aufstrebende Branchen (z.B. die brasilianische Elektroindustrie) ruinierten, dass sie unliebsame Konkurrenten mit absurden Patentrechtsprozessen überziehen (Erich Fried hat dies am Beispiel von Wiener Lampenfirmen dargestellt), dass sie unliebsame Firmen aufkaufen, um sie still zu legen usw.. Die „Kartellwächter“ meinten demgegenüber vorsichtig, das Mirow „wohl ein bißchen paranoid“ sei.

Noch seltsamer war dann mein Besuch beim „Transparency International“-Gründer – dem Weltbankmanager Peter Eigen: Ihn interessierten keine Kartelle, und von der IEA hatte er angeblich noch nie etwas gehört! Dabei hatte z.B. Siemens/Osram es erst geschafft, dass der Ost-Konkurrent „Narva“ auf die Treuhand-Abwicklungsliste kam, aber als Teuhandchef Rohwedder das Werk dennoch privatisieren wollte, teilten sie allen potentiellen Interessenten weltweit mit: Sie bräuchten sich nicht zu bemühen, da Osram das Werk sowieso (wieder) übernehmen werde. Siemens/Osram hatte sich jedoch laut den Privatisierungsmanagern von Price-Waterhouse überhaupt nicht darum beworben. Als wenig später GE das DDR-Renommierwerk „Elpro“ von der Treuhand kaufen wollte, trafen sich einen Tag vor Vertragsunterzeichnung einige Siemens-Manager mit GE-Managern in Belgien: Sie einigten sich, GE trat von seiner Kaufabsicht zurück, dafür half Siemens GE, wieder im Iran ins Geschäft zu kommen. Die Elpro AG wurde daraufhin abgewickelt. Ähnliches geschah beim DDR-Kühlschrankhersteller Foron (dkk Scharfenstein): Als dieser Betrieb mit dem weltweit ersten Öko-Kühlschrank auf den Markt kam, versuchte u.a. Siemens ihm das Geschäft zu vermasseln: mit Briefen an alle Händler, in denen vor dem Öko-Kühlschrank gewarnt wurde. Als dann Samsung Foron zu übernehmen beabsichtigte, schrieb Siemens dem koreanischen Konzern, dass es diese Übernahme als einen unfreundlichen Akt ansehen würde. Samsung trat daraufhin vom Kauf zurück. Als das Elektrokartell mir aus Pully schrieb, dass sich die IEA Ende 1989 aufgelöst habe, meinte Mirow: „Wer’s glaubt wird seelig.“

Beide, sowohl das Kartellamt als auch „Transparency International“ sitzen in Berlin – und die Akten des Elektrokartells, d.h. des IEA-Vorläufers „Phoebus“, liegen im Berliner Landesarchiv. Als ich das letzte Mal dort war, stieß ich in einer der „Geheim“-Dokumentenmappen aus dem Jahr 1926 auf eine Übersichtsliste, mit der festgelegt worden war, wieviel Franken Strafe ein Kartellmitglied pro 1000 verkaufte Glühbirnen zahlen mußte, wenn seine Birnen 50, 100, 200, usw. Stunden länger als die festgelegten 1000 Stunden brannten; bis zu 200 Stunden Brenndauer weniger waren dagegen straffrei. Ursprünglich hatten die auf dem Edisonpatent fußenden Glühbirnen eine „Lebensdauer“ von 5000 Stunden gehabt, diese wurden dann sukzessive im Kartell auf bis heute gültige 1000 Stunden heruntergesetzt, wobei die Elektroingenieure ebenfalls bis heute behaupten: Diese Brenndauer sei in jeder Hinsicht optimal. In Wirklichkeit ging es jedoch nur um eine Absatz-Steigerung, der die Ingenieure dann „technisch gerecht“ werden mußten. In China wurden nach der Revolution Glühbirnen mit einer Brenndauer von 5000 Stunden hergestellt (wahrscheinlich bis heute) und im so genannten Ostblock waren von Tungsram/Budapest entwickelte „Langelebensdauerglühlampen“ im Handel, die 2500 Stunden hielten. Als Narva-Ingenieure sie 1981 erstmalig auf der Hannovermesse vorstellten, meinten ihre Osram-Kollegen: „Ihr wollt euch wohl alle arbeitslos machen!“ „Im Gegenteil,“ antworteten die Narva-Ingenieure. Neben der Kartell-Bußgeldliste für Lebensdauer-Überschreitungen schrieb ich mir aus den Phoebus-Dokumenten 1925-29 noch einige kleine Anekdoten raus:

1. „Beschluß: Die Propaganda soll dahin gehen, dass der Eindruck entsteht, es gäbe eine Konkurrenz zwischen den Lampen-Fabriken“.

2. „Propaganda zur richtigen Anwendung von mehr Licht: Die Wahl der Mittel bleibt jedem Mitglied vorbehalten, da es wünschenswert erscheint, dass keine Einheitlichkeit nach aussen besteht.“

3. „Es wird dem General Board vorgeschlagen, China eine spezielle zeitweilige Ausnahme für den Verkauf von Lampen mit Kerzenbezeichnung zu gestatten.“

4. „Tokio Electric Company darf Lampen nach China exportieren, aber nur solche, die 1000 Stunden halten.“

5. „Beschluß: Lampen für den Allgebrauch mit mehr als einer Wendel werden als unerwünscht eingestuft.“ (Weil sie damit länger halten.)

All diese Lebensdauer-Reduzierungen des Elektrokartells zur Absatzsteigerung sind jedoch bald Schnee von gestern, dachte ich, weil die wichtigsten Kartellmitglieder vor allem an der Weiterentwicklung von Leuchtdioden (LEDs) arbeiten, die bald – zu Clustern gebündelt – die Glühbirne ersetzen werden. Und diese LEDs halten mindestens 15 Jahre (wenn die IEA-Firmen keine lebensdauerverkürzenden Tricks dabei anwenden). Dann wurde jedoch plötzlich die Energiesparlampe überall ins Gespräch gebracht (die taz bietet sie neuerdings sogar als Abogeschenk an). Und nun soll diese hochgiftige Lampe (eine umgebogene Leuchtstoffröhre), die zudem sauteuer ist und ein Scheißlicht verbreitet, auch noch gänzlich die billige und dem Sonnenlicht am nächsten kommende Glühbirne ersetzen, die man nämlich ab 2009 in der EU sukzessive verbieten will, zusammen mit verschiedenen Halogenleuchten. Das Verbot soll erst einmal nur für Privathaushalte gelten! Aber gerade dort macht der Anteil der Stromkosten, die man für Licht ausgibt, nur noch rund 7% aus. Wo kann man da noch was sparen? Das EU-Verbot haben wir denn auch nicht irgendwelchen Klimaschützern zu verdanken, sondern dem Ende 1989 angeblich aufgelösten Elektrokartell: Die Produktion von Glühbirnen rentiert sich nicht mehr! Schon ab 2001 mußten sich z.B. die im Spandauer Osram-Glühlampenwerk Arbeitenden ständig von den Geschäftsführern anhören, dass man dort eigentlich nur noch produziere, damit sie ihren Arbeitsplatz behalten: Verdienen würde man mit ihren Birnen nur noch „Pfennigbeträge“.

2006 wurde die Glühbirnenfertigung dann auch nach Molsheim ins Elsaß verlegt, was wahrscheinlich mit einer dicken Wirtschaftsförderung der Region verbunden war. Der Berliner Tagesspiegel freute sich 2007: „Glühbirnen verbieten? Kein Problem, kein einziger der knapp 2000 Berliner Arbeitsplätze wäre gefährdet,“ in Spandau stellt man jetzt nämlich u.a. die „vielfach bewunderte Kinoprojektionslampe XBO“ her. „Der weltweit aktive Branchenriese findet ein Glühlampenverbot sogar sinnvoll: ‚Wir machen heute schon mehr Geld mit Energiesparlampen‘, meint Reglindis Pfeiffer aus der Münchner Konzernzentrale.“

Wegen des Quecksilbergehalts der Energiesparlampen haben Osram und Philips schon mal Recycling-Organisationen gegründet: Sie heißen „Olav“ und „Lars“. Diese sollen die kaputten Birnen dann entsorgen – auf der Grundlage einer „Rücknahme-Verordnung“ aus dem Jahr 2006. Zahlen wird das der Endverbraucher: Denn die in den letzten Jahren gesunkenen Preise für Energiesparlampen (ESL), die das Elektrokartell zum großen Teil in China fertigen läßt (80% aller ESL kommen bereits aus Asien), werden nach dem Glühbirnenverbot wieder um rund 30% steigen. Außerdem wird das Energiesparlampen-Rücknahmesystem so wenig funktionieren wie das für Gerätebatterien, Getränkedosen und Verpackungsmaterial (das „Duale System“) – mit dem Unterschied, das bei jeder „wild entsorgten“ oder schon im Haushalt zerbrechenden Energiesparlampe hochgiftiges Quecksilbergas frei wird.

„Wir haben uns da auch ein bißchen von den Herstellern irreführen lassen,“ gab der für Lampen zuständige Mitarbeiter der „Stiftung Warentest“ zu, als ich mit ihm über die allzu positive Beurteilung einiger Energiesparlampen durch seine Stiftung diskutierte. Und am 18.März 2008 meinte eine Mitarbeiterin der Bundesanstalt für Materialprüfung (BAM) auf einer Konferenz in Berlin über das anstehende Glühbirnenverbot zum Osram-Ingenieur Alfred Wacker, dass sein Konzern die neuen „Halogen-Energesparlampen“ wegen Irreführung der Verbraucher nicht „Energiesparlampe“ nennen dürfe. Wacker verteidigte sich mit dem Argument „Wir haben doch den Begriff Energiesparlampe vor 25 Jahren überhaupt erst erfunden.“

Mit dem Glühbirnen-Verbot werden nicht nur die Privathaushalte belastet (für die allein das Verbot vorerst gelten soll), es gibt dabei auch noch ein Privatisierungsproblem: Bisher mußten allein in Berlin 140 orangene Siemens-Mitarbeiter tagaus tagein die maximal 1200 Stunden brennenden Osram-„Signallampen“ in den etwa 2000 Ampeln austauschen, was der Stadt jährlich 14 Millionen Euro kostete. Anfang der Achtzigerjahre hatte der Weddinger Erfinder Dieter Binninger u.a. dafür eine Glühbirne erfunden, die 140.000 Stunden brannte (und 5 DM kostete), er ließ sie in Kreuzberg in einer kleinen Fabrik produzieren. Die Bewag fing 1981 an, sie in einigen ihrer Straßenlampen zu testen: Sie brannten Jahrzehnte – und sahen danach immer noch wie neu aus. Als Binninger sie ab 1991 bei Narva produzieren lassen wollte – und dazu gemeinsam mit der Commerzbank eine Kaufofferte für einen Teil des Narva-Werkes an der Warschauer Brücke abgab, stürzte er einige Tage vor Vertragsunterzeichnung mit dem Flugzeug ab.

Daraufhin versuchte es 2003 der ehemalige Vorsitzende des deutschen Erfinderverbandes, Wolfgang Bogen, noch einmal: Er besaß inzwischen das Patent für Binningers „Langlebensdauerglühlampe“: Es basiert – nach Art eines Dimmers – auf einer veränderten Wendelgeometrie, einer Gasfüllung des Kolbens statt Vakuum sowie einer Diode im Sockel. Auf diese Weise erhitzt sich die Wendel weniger, das Wolfram verdampft so gut wie gar nicht (und schlägt sich dementsprechend auch nicht an der Kolbeninnenseite nieder) – und damit bleibt die Wendel bei normalem Betrieb rund 42 Jahre intakt. Wolfgang Bogen wollte mit der „Binninger-Birne“ die Berliner Ampeln ausrüsten – und wandte sich mit seiner Idee an die Öffentlichkeit. Über die Springerpresse beschied ihm daraufhin der Siemens-Direktor Peter Schwerg, das ginge nicht: „Wenn die Berliner Ampeltechnik weiter federführend sein soll, muß die Reinrassigkeit erhalten bleiben.“

Der Berliner Senat stimmte diesem idiotischen Ampel-Rassentheoretiker aus dem Hause Siemens sofort zu. Und nicht nur das: Er gründete dann, 2005, auch noch eine „Ampel-Koalition“, die er völlig verlogen „Public-Private-Partnership“ nannte, d.h. er privatisierte einfach alle 2000 Ampeln! Sie werden jetzt von der „Stadtlicht GmbH“ betreut, d.h. gewartet, erneuert und sukzessive auf Leuchtdioden umgerüstet (bisher stecken in den Westampeln noch Glühbirnen und in den Ostampeln Halogenlampen). Die Firma ist eine Siemens-Gründung. Der Berliner Senat hat mit dem Konzern einen Zehnjahresvertrag geschlossen – und zahlt dessen „Stadtlicht GmbH“ dafür insgesamt über 100 Millionen Euro, genauer gesagt: 810.000 Euro monatlich. „Das bedeutet, dass die Abgeordneten künftig keinen Einfluß mehr auf den Ampelbau haben werden,“ schreibt die Berliner Morgenpost, die das für einen großen „Vorteil“ hält.

Hinzu kommt nun aber noch, dass die Siemensfirma demnächst auch noch die gesamte „ÖPNV-Beschleunigung“ übernehmen soll. Bei diesem schnellen Bindestrichwort aus München (sic) handelt es sich um eine „ganze Reihe von Maßnahmen“, die den Öffentlichen Personen-Nahverkehr (also die BVG) „attraktiver“ machen sollen: Neue Wartehäuschen, behindertenfreundlichere Haltestellen, Busspuren, Lichtzeichenanlagen, separate Tram-Gleisspuren, die Anschaffung von moderneren Fahrzeugen, kürzere Fahrzeiten usw. All dies läuft darauf hinaus, dass „Stadtlicht/Siemens“ bald das gesamte öffentliche Nahverkehrsnetz gehört, die BVG verwaltet dann nur noch das leidige Restpersonal.

„Die Instrumente des Staates zur Wirtschaftssteuerung sind in der sozialen Marktwirtschaft zum Glück gering“, meinte der Exbundesbankpräsident Helmut Schlesinger bei der Vorstellung eines Buches über das segensreiche Wirken der Treuhandanstalt in den Räumen der Konrad-Adenauer-Stiftung. Die bürgerlichen Politiker tun nun – angespornt von allen möglichen Amiexperten – alles, was in ihrer Kraft steht, um überhaupt keine „Instrumente zur Wirtschaftssteuerung“ mehr in der Hand zu haben. Berlin wird von den Kapitalmedien ständig als Zentrum der Macht bezeichnet: Nichts ist falscher! Die hier herumwuselnden Politiker können sich nur noch selbst wichtigtun. In dem z.B. der Ministerpräsident des Bundeslandes, in dem Nokia seine Fabrik zur Handyfertigung schließt, vor laufenden Kameras sein Nokia-Handy auf den Boden schmeißt und darauf herumtritt.

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https://blogs.taz.de/hausmeisterblog/2008/04/29/siemens-loescher-sein-name-ist-programm/

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kommentare

  • Nachsatz:

    Nachdem sich „Phoebus“ zur International Electrical Association (IEA) in Pully gewandelt hatte, ging es nicht mehr nur um Glühlampen, ihre Lebensdauer und die Strafberechnungen dafür bei Überschreitung, es wurden Sektionen gegründet, die von Kraftwerken und Turbinen über die Drahtherstellung und das Stromnetz bis zur Fassung und der Glühbirne alles kartellmäßig erfassten.

    Unabhängig davon, ob es stimmt, dass die IEA sich laut Auskunft ihres Sekretärs im Herbst 1989 selbst liquidierte, läßt sich die jetzt von der Justiz verfolgte Korruption bei Siemens ohne die Kenntnis der Geschichte des Elektrokartells nicht „aufklären“.

    Ebensowenig wahrscheinlich auch das jüngst von den Elektrokonzernen mit Hilfe von „Greenpeace“ durchgesetzte Glühbirnenverbot – und ihre Ersetzung durch „Energiesparlampen“ – ein Wort das laut Osramoberingenieur Dr. Wacker eine „Erfindung von Osram“ ist, wie ebenso auch die neuerdings dazugehörenden „Entsorgungsfirmen“.

  • Als ich das letzte Mal im Landesarchiv war,

    stieß ich in einer der “Geheim”-Dokumentenmappen aus dem Jahr 1926 auf eine große farbige Übersichtsliste, mit der festgelegt worden war, wieviel Franken Strafe ein Kartellmitglied pro 1000 verkaufte Glühbirnen zahlen mußte, wenn seine Birnen 50, 100, 200, usw. Stunden länger als die festgelegten 1000 Stunden brannten; bis zu 200 Stunden Brenndauer weniger waren dagegen straffrei.

    Ursprünglich hatten die auf dem Edisonpatent fußenden Glühbirnen eine “Lebensdauer” von 5000 Stunden gehabt, diese wurden dann sukzessive im Kartell auf bis heute gültige 1000 Stunden heruntergesetzt, wobei die Elektroingenieure ebenfalls bis heute behaupten: Diese Brenndauer sei in jeder Hinsicht optimal. In Wirklichkeit ging es jedoch nur um eine Absatz-Steigerung, der die Ingenieure dann “technisch gerecht” werden mußten.

    In China wurden nach der Revolution Glühbirnen mit einer Brenndauer von 5000 Stunden hergestellt (wahrscheinlich bis heute) und im so genannten Ostblock waren von Tungsram/Budapest entwickelte “Langlebensdauerglühlampen” im Handel, die 2500 Stunden hielten.

    Als Narva-Ingenieure sie 1981 erstmalig auf der Hannovermesse vorstellten, meinten ihre Osram-Kollegen: “Ihr wollt euch wohl alle arbeitslos machen!” “Im Gegenteil,” antworteten die Narva-Ingenieure.

    Den Namen „Langlebensdauerglühlampe“ übernahm Dieter Binniger für seine „Vilux“-Birnen, die 50.000, 100.000 und 150.000 Stunden hielten – von der Bewag getestet – allerdings nicht bis zu ihrem „natürlichen Tod“. Aufgrund einer Klageandrohung von Osram mußte Binninger irgendwann sein kleines Glühlampenwerk, das nur einen Arbeiter hatte: Herr Weinstock von Polam, von „Vilux“ in „Vilum“ ändern, weil der Name zu nah an den „Bilux“-Birnen von Osram war.

    Neben der Kartell-Bußgeldliste für Lebensdauer-Überschreitungen schrieb ich mir aus den Phoebus-Dokumenten 1925-29 noch einige kleine Anekdoten raus:

    1. “Beschluß: Die Propaganda soll dahin gehen, dass der Eindruck entsteht, es gäbe eine Konkurrenz zwischen den Lampen-Fabriken”.

    2. “Propaganda zur richtigen Anwendung von mehr Licht: Die Wahl der Mittel bleibt jedem Mitglied vorbehalten, da es wünschenswert erscheint, dass keine Einheitlichkeit nach aussen besteht.”

    3. “Es wird dem General Board vorgeschlagen, China eine spezielle zeitweilige Ausnahme für den Verkauf von Lampen mit Kerzenbezeichnung zu gestatten.”

    4. “Tokio Electric Company darf Lampen nach China exportieren, aber nur solche, die 1000 Stunden halten.”

    5. “Beschluß: Lampen für den Allgebrauch mit mehr als einer Wendel werden als unerwünscht eingestuft.”

    (Weil sie damit länger halten. Als „Sonderlampen“ durften sie jedoch weiter produziert werden – z.B. für Orte, u.a. in Bergwerken, wo man die Birnen nur schwierig wechseln konnte.)

  • Einige Stichworte aus den Phoebus-Akten im Berliner Landesarchiv.

    Diese gelangten nach der Einnahme Berlins durch die Rote Armee in die Hände der Sowjets, als sie die Osram-Firmenzentrale in der Ehrenbergstrasse an der Warschauer Brücke einnahmen. Die leitenden Angestellten von Osram hatten sich schon vorher nach Süddeutschland abgesetzt. Weil Osram zuletzt ein „Wehrbetrieb“ gewesen war und Zwangsarbeiter beschäftigt hatte, die Firma hatte auf dem Gelände ein eigenes Arbeitslager, wurde der Betrieb von der sowjetischen Militärregierung enteignet. Die Phoebus-Kartellunterlagen blieben wo sie waren – und gelangten so in die Hände des Nachfolgetriebs VEB Berliner Glühlampenwerk. (BGW). Auf den Glühbirnen stand fortan nicht mehr Osram sondern Narva (ebenfalls eine Zusammensetzung aus mehreren abgekürzten Birnenbestandteilen). Einen Teil der Akten nahmen die Sowjets vorübergehend mit in die Sowjetunion, wo sie wahrscheinlich bei dem „Milchbruder“ der AEG – Elektrosawod – in Moskau landeten. Ein anderer Teil fand sich später in einem Bergwerkstollen im tschechoslowakischen Grenzgebiet. Die Akten wurden von Narva-Wissenschaftlern ausgewertet, und u.a. in die Narva-Werkschronik „Arbeiter machen Geschichte“ eingearbeitet.

    Die Sowjets hatten laut Rudolf Mirow als Glühbirnenexporteure (u.a. nach Indien) im Elektrokartell eine Art „Beobachterstatus“ (ab wann?). Schon ab 1926 ließ Phoebus sich von den Wirtschaftsprüfern „Price-Waterhouse“ die Bilanzen testieren. Und noch 1992 übergab die Treuhandanstalt das Narva-Werk an „Price-Waterhouse“, die den Betrieb den Elektrokonzernen weltweit zum Kauf anbieten sollte. Ihr Berlinchef, Krieger, wurde dabei vor allem von Osram ausgebremst. Später kam auch noch Philips dazu, die beiden verscheuchten dann den japanischen Interessenten „Phoenix“ mittels „Patentprobleme“.

    Der Kartell-Vorläufer der IEA in Pully bei Lausanne war die 1924 gegründete S.A. Phoebus in Genf. Ihre etwa 25 Mitglieder weltweit hatten Verträge bis 1955 unterschrieben. Die Verträge befinden sich im Landesarchiv, die meisten bei den Akten des Osram-Direktors.

    In vielen Akten geht es per Briefwechsel und Sitzungsprotokollen um die Ermittlung der „Mittleren Lebensdauer“ – sowie um die Strafsummen bei der Produktion und dem Verkauf von Glühbirnen mit einer Lebensdauer über 1000 Stunden.

    Dazu gehören Worte wie „Frühausbrenner“, Sätze wie „GEC hat ihre Versuche nicht totgebrannt“. Etliche Geschäftsberichte der im Kartell organisierten Berliner Firma Auer – von 1892 bis 1920, sowie von Osram 1884 bis 1934, dazu „persönliche Berichte“ und Fachaufsätze – die „Lebensdauer“ betreffend und Mahnungen von ganz oben, dass man dazu aber nicht allzu viel publizieren solle.

    In den Zwanzigerjahren Berichte über Streiks, Unbotmäßigkeiten von Arbeitern, Tarifauseinandersetzungen etc. Forderungen von Westinghouse – an Phoebus. Über die Omega-Werke in Leipzig, eine Metallfaden-Fabrik. Viele Patente und Debatten drehen sich um den Glühdraht – die Wendel, die nicht zufällig im Englischen „Seele“ genannt wird.

    Ab 1921 waren die bei Phoebus organisierten Elektrokonzerne „global player“. 1925 bis 1927 kommt es zu „Weltvertragsvereinberungen, aus dem Jahr 1932 gibt es einen „Pool-Vertrag“ in den unvollständigen Akten. In deren Jahrgang 1928 bis 1938 findet sich ein „Weltkartellvertrag“ – mit „Außenseiter“-Verzeichnis, anderswo auch noch eine Liste mit ihren gesamten Produkten.

    Da Phoebus sich die Welt aufgeteilt hat, wobei ihre sich Mitglieder Absatzkontingente für die Lampen, die sie herstellten, zugeteilt hatten, kam es in den stürmischen Jahren nach dem Ersten Weltkrieg laufend zu Unklarheiten – wie z.B.: ob zum Lieferkontingent England auch die Kolonien sozusagen automatisch dazuzählen und wenn ja, ob dann das Mandatsgebiet Palästina auch eine englische Kolonie ist. Und immer wurden alle Länder der Welt in bezug auf ihren Lampen-Markt auf den Phoebus-Sitzungen durchdiskutiert. Es kam anschließend zu „Sonderabkommen zum Weltvertrag“.

    1931 bis 1973 (Akte 0.104) wird ein „Hydra-Comitee“ gegründet, und es gibt immer mehr „Hydra-Fabriken“. In verschiedenen Ländern werden „Hydra-Aktionen“ unternommen, wobei es um die „Aufteilung des Marktes“ geht. (Wir müssen noch rausbekommen, was das ist).

    1936 ging es um die „Ausschaltung der Meteor Lampenfabrik“.

    1928 bis 1932 wird über die „Amerikanische Lampenreklame“ diskutiert. Bei diesem Thema hatte es bereits zu Beginn der Zusammenarbeit zwischen der AEG und Siemens bei der Produktion und Vermarktung von Glühbirnen (bzw. des von Rathenau erworbenen Edison-Patents) einen Streit zwischen Rathenau und Siemens gegeben: Ersterer wollte die elektrische Beleuchtung amerikanisch bewerben, um von unten einen Bedarf dafür zu erzeugen, und letzterer die Regierungen beeinflussen, damit die Elektrifizierung von oben durchgesetzt wurde. Rathenau schied daraufhin aus dem gemeinsamen Unternehmen Osram aus. Seine AEG blieb gleichwohl im Elektrokartell.

    1926 werden zum x-ten Mal Klagen von Philips über Osram in den Phoebus-Sitzungen behandelt. „Vorbereitungen zum Glühlampenjubiläum“, u.a. hält jemand von Phoebus – der damalige Direktor Levy? – eine Vorlesung an der TH in Zürich.

    1926 bis 1935 geht es um die „Aufteilung UDSSR-Geschäft“ – d.h. welches Mitglied wieviel dorthin verkaufen darf. Später wird das dann noch präzisiert – an Beispielen wie Omsk, Wladiwostok, Sibirien usw..

    1923-28 geht es wieder mal um die „Verwendung von Wolframdraht“, diesmal in Verbindung mit den „Weltanteilen an Rohstoffen“. Dazu finden sich etliche „Reiseberichte“, deren finanzieller Aufwand findet sich anschließend unter „Reisekosten“ in den Geschäftsberichten – z.B. von Osram wieder.

    1919-41 (Akte 0.294) drehen sich die Diskussionen der leitenden Angestellten bei Osram u.a. um: „Arische Abstammung, Dienstmädchenfrage, SS-Reitersturm, Golfklub“

    1930/33/36 – Phoebus-Berichte über „Außenseiter, Konkurrenz und ihre Bekämpfung“, ferner über „freiwillige und gezwungene Liquidation“, wobei nicht selten auch Phoebus ein Werk aufkaufte, um es z.B. still zu legen.

    1928 bis 1934: Osram – „Errichtung von Glühlampenwerken in Argentinien, Brasilien und China“ – Berichte.

    1940 bis 1945 (Akte 0.300): „Verwarnungen an Arbeiter, Strafen, Prämie für Erfindungen“.

    Ferner: „Drohungen gegen Arbeiterschaft“, „Strafen wegen zu langer Lebensdauer“ – letzteres ein Dauerthema, weil die Wissenschaftler und Direktoren in den Phoebus-Betrieben sich ständig neue mathematische Berechnungen für die Lebensdauer-Prüfergebnisse einfallen ließen.

    1937-39/1943-44: Osram gehört das polnische Werk in Pianitz und das Warschauer Werk Polska Zarowka, weitere Werke besitzt die Firma in Madrid und Mailand. Die Phoebus Firma „Radium Elektrizitäts-Gesellschaft Wipperfürth wurde „NS-Musterbetrieb“.

    1933-1945: Kurzberichte über „Russeneinsätze“ (im Betrieb), „Volkssturm“, „Eisernes Sparen“ (mehrmals), „Appelle, Versammlungen, Osram-Chor“. Schließlich: „Lebensmittelkarten, Volksgasmasken, Glaube und Schönheit.“

    1933-45 (Akte 0.437): „Besprechung mit Speer“, „Verbesserungsvorschläge sind kriegswichtig“, „Freistellung Waffen-SS“, „Osram Wehrbetrieb seit 1939“, „Lohnsteuer für Juden“, „Spionageschutz“, „Bestrafung französischer Arbeiter wegen Werkdiebstahl“, „kriegswichtige Ferngespräche“

    „Verlagerung Plauen“ (dieses Werk produzierte als Teilbetrieb des Kombinats Narva Autoscheinwerfer, es gehört nun Philips, der Konzern kann dort aber weiter unter dem Namen „Narva“ produzieren lassen). „Beschäftigung von KZ-Häftlingen aus Flossenburg und Auschwitz“, „Jüdinnen“, „Impfung der Aufseher“, „Sonderglühlampen – Fertigungspläne“.

    1944-45: „taktische Räumung“ (des Betriebs), „Umlagerung nach Süddeutschland“

    1944-45 (Akte 0.504): „Dr. Kammler“ (ist das der SS-Offizier, nach dem Kittler geforscht hat?)

    1922 (Akte 0.655): „Arbeiterrat“, „Vertrauensrat“

    1934-37: „Judenfrage“, „Bekenntnis zur NSDAP“ (fortan sind die Briefe mit „Heil Hitler unterzeichnet), „Schönheit der Arbeit“

    1922-31: „Beschaffung Hochleistungsmaschinen aus USA“

    1933-34: „Bericht Wirtschaftslage Japan“

    1932-34: Liquidation der zu Osram gehörenden „Monopolska Fabrik“ in Lemberg.

    1925-44: „Verkaufsfragen“ – u.a. über die „Konkurrenz der Konsumgenossenschaft Stockholm“

    1940-42: „Arbeitskräfte aus Dänemark“, „Luftschutzfragen“

    1926-38: „Reiseberichte“, „Japan Dumping“, „Geheimbericht Leuchtmittelsteuer“. In Briefen an Politiker geht es immer um die Unterstützung der deutschen Elektroindustrie, dafür gibt es drei Maßnahmen: Patentverlängerungen, höhere Zölle für Importbirnen, Steuersenkungen.

    1931: Wird die „Beziehung zwischen Kartelle und Zollfragen“ diskutiert, sowie die „Einmischung der Regierung in Privatwirtschaft“

    1942 wird eine längere „Abhandlung über Lebensdauerfragen“ zu den Akten gelegt. Ferner ein Bericht über die „Osram Luftschutzlampe“.

    1937-38: ein „Fertigungsprogramm für die Wehrmacht“, „Patentstreit mit Außenseiter“ und „Osram-Maßnahmen gegen Außenseiter“.

    1937: Phoebus-Beschluß – Nicht-Mitglieder dürfen nur bedingt beliefert werden, nicht darf ihnen verkauft werden: „Getter“ (Paste), „matte Glaskolben“, „Gas“ und „Tungsten Wire“. Noch in den Achtzigerjahren bekam die kleine Kreuzberger Langlebensdauerglühlampen-Fabrik „Vilux“ von Dieter Binninger von den Kartellmitgliedern (u.a. Osram und Philips) diese Dinge nicht geliefert.

    Ebenfalls 1937 befaßte sich Phoebus mit „Russia Exports to Phoebus Territory“, ein „Thüringer Vertrag“ wird verabschiedet. Auf dem 23. Phoebus-Meeting wird die „Umrechnung von Phoebus-Einheiten in Thüringer“ vorgenommen. Ferner wird ein „Vertrag“ verabschiedet zwischen „Phoebus und neuen Mitgliedern“ – konkret dann: mit „Vasalampan Stockholm“. Das „Standardizing Committee“ von Phoebus nimmt immer wieder neue Standardisierungsanläufe.

    1939: Osram richtet die Phoebus- „Abrechnungsstelle für Lieferungen zu Kampfreisen“ in seiner Hauptverwaltung ein.

    1927: Wird bereits die Frage diskutiert: Sollen die Forschungsergebnisse der Wissenschaftler ein sozusagen Allgemeingut des Wissens sein oder soll man sie patentieren, und würde das viele Geld, das die Wissenschaftler dadurch bekämen, der Forschung gut tun?

    1927: „Price-Waterhouse Report“

    Die Reihenfolge der Akten, ausgedrückt hier durch ihre Jahreszahlen, entspricht der Reihenfolge, mit der wir sie bekamen – und durchsahen.

  • Die technischen Ungenauigkeiten kann man dem Autor vielleicht noch verzeihen. Dass die Stadtlicht GmbH eine Siemens-Gründung ist, ist einfach nur Unsinn. Die Stadtlicht GmbH ist eine Tochter der niederländischen Nuon, dem dort führenden Energieversorger. Die Betreuung der Ampelanlagen wurde in einem Ausschreibungsverfahren vergeben, bei dem Siemens (Branchenführer in D, mit ca. 70% Marktanteil) den Kürzeren zog.

    Michael Koch

  • die taz berichtete heute:

    „Ganz klar hatte ich dieses Ausmaß und die Breite nicht vor Augen, als ich meine Verantwortung übernommen habe“, erklärte Löscher auf die Frage nach dem immer größer werdenden Umfang der Siemens-Probleme.

    Verursacht hat die Probleme wohl hauptsächlich das Management seines Vorvorgängers Heinrich von Pierer, auch wenn er ihn gestern nicht namentlich belasten wollte. Hinter verschlossenen Türen überlegt Siemens jedoch inzwischen, ob ihr alter Chef Schadenersatz leisten soll.

    Und auch die Münchner Staatsanwaltschaft hat Vorermittlungen gegen von Pierer aufgenommen, in der kommenden Woche sollen erste Ergebnisse bekannt gegeben werden. Das Leid teilen wollen sich die alte und die neue Führung jedoch nicht. „Wir sprechen mit der Staatsanwaltschaft über Siemens-Angelegenheiten und Herr von Pierer spricht über seine eigenen Angelegenheiten“, sagte ein krätziger Peter Solmssen, der im Siemens-Vorstand für die Aufklärung der Schmiergeldskandale zuständig ist.

    Auch die Siemensarbeiter müssen dran glauben:

    „Es wird ganz klar zu einem Personalabbau kommen.“ Wann wie viele Leute gehen müssen, wollte Löscher nicht sagen.Erst im Februar hatte Siemens angekündigt, 7.000 Stellen in der Telekommunikationssparte zu streichen.

    Und weiter:

    Wir erwarten, dass der Umsatz von Siemens im Geschäftsjahr 2008 organisch doppelt so schnell wachsen wird wie das Welt-Bruttoinlandsprodukt.“

  • P.S.:

    Die Siemens-Tochter Osram verkauft schon mal ihre beiden Fabriken zur Herstellung von Wolfram an die österreichische Plansee-Gruppe. Schon seit einiger Zeit wurden die hergestellten Wolframprodukte von Osram zum überwiegenden Teil an „externe Kunden“ verkauft.

    Die Osram-Wolfram-Produktion mit Namen „Global Tungsten and Powders“ (GTP) beschäftigt 1000 Mitarbeiter und erzielte einen Umsatz von 280 Mio Euro. Eine Fabrik befindet sich in den USA – mit 930 Mitarbeitern, die andere in Tschechien – mit 70 Mitarbeitern. Osram will jedoch weiter Glaskolben und Lampenwendeln herstellen.

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