vonHelmut Höge 21.06.2010

Hier spricht der Aushilfshausmeister!

Helmut Höge, taz-Kolumnist und Aushilfshausmeister, bloggt aus dem Biotop, dem die tägliche taz entspringt. Gonzo-Journalismus der feinen Art.

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Von links nach rechts: lebende Poller in weiß, Zierpoller aus schwarzem Gußeisen und eingetopfte Natur in grüner Reihe

Zum Thema „Stadtnatur“ konnte man  am Wochenende gegen Eintritt unzählige Veranstaltungen und ausgewählte Orte abklappern. Berlin ist eine grüne Stadt. Als der Senat neulich eine Gruppe New Yorker „Urbanisten“ mit dem Schiff von Tegel abholte, fragte einer anschließend: „Where is the City?“ Vom Schiff aus hatten sie fast nur Grünanlagen gesehen. Nun waen diese  flächendeckend ins Stadtmarketing aufgenommen worden. „Stadtnatur“: Warum zieht es immer mehr Pflanzen und Tiere in die Stadt und warum werden die Städter immer pflanzen- und tierversessener?

Grad werden tausende von Baumscheiben von den Anwohnern aufs Liebevollste „begrünt“. In Kreuzberg gibt es immer mehr Imkerinnen. Man nimmt es bald leichter, wenn um einen herum dieser oder jener Mensch vor die Hunde geht, als wenn zwei, drei Pappeln gefällt werden. Dagegen gründet sich sofort eine Baumschützer-BI. Das ist vielleicht der Unterschied zwischen Stadt und Land: Während hier die Menschen vor allem damit beschäftigt sind, der Natur den Garaus zu machen, geht es in der Stadt vornehmlich darum, sich gegenseitig auszubeuten. Von Mensch zu Mensch. Die „Stadtnatur“, die sich vom Land in den urbanen Nischen einschleicht, läßt man in Ruhe, man braucht sie als Erholungsflächen und Lieferant guter Gefühle. Es wärmt das Herz, wenn ein Fuchs selbstbewußt die Manteuffelstraße entlangschlendert und die Platane am Görlitzer Bahnhof ihr Blätterdach zu einer wunderbaren Ründe formt.

Berlin gilt als Stadt der Nachtigallen und die „Nachtigallen-, sowie  auch die Bienenforschung ist hier stark vertreten. Etliche andere Einrichtungen, wie das Fischereiamt, die Revierförstereien und die Schwanenstation, kümmern sich um Bestandsschutz. Auch um die Verbreitung des Spatzes muß man sich keine Sorgen machen. Zu den „Highlights“ der Stadtnatur gehören der Botanische Garten und die Kreuzberger Kinderbauernhöfe. Sie waren jedoch nicht an diesem „langen Tag“ beteiligt. Vielleicht, weil sich jeder Bürger inzwischen in die (städtische) Botanik einmischt und sich auch immer seltsamere Tier-Mensch-Beziehungen entwickeln. Neben der Soziologie, die an einer „politischen Ökologie“ arbeitet, und der Kulturwissenschaft, die sich für die „Artenbildung durch den Gesang“ (bei Vögeln) begeistert, läßt das natürlich auch die Künstler nicht kalt.

Auf „arte“ widmete  sich neulich ein Filmemmacher der  Naturvielfalt in der menschenlosen „Todeszone“ von Tschernobyl: „Ein wahres Paradies,“ urteilen die Biologen. Ein noch unbebautes Stück „Todesstreifen“ (hinter der Bundesruckerei) hatte sich jetzt zum „langen Tag der Stadtnatur“ eine Gruppe von Kunststudenten vorgenommen: Sie steckten künstliche Blumen auf Gräser, flochten Pappelzweige zusammen und versahen Lindenäste mit gelben Armschützern. Es sah witziger aus als es sich hier anhört. An der Spree gerieten wir in ein ganzes Öko-Seminar, in dem es um „nomadisches“, „partisanisches“ und „immobiles Gärtnern“ ging. Der Künstler Winfried Schiffer begann hier seine Garten-Tour. Sein Vorbild ist der japanische Mikrobiologe und Bauer Masanobu Fukuoka, der beim Gärtnern  Wert darauf legt, dass es nicht in Arbeit ausartet: „Nicht fragen, was man tun sollte, sondern sich fragen, was man unterlassen kann.“ Der „Guerillagärtner“ Winfried Schiffer verteilte „Samenbomben“ an alle Teilnehmer seiner Rundtour, die zunächst zum Görlitzer Park führte, wo er hinter dem Säufertreff Kartoffeln anpflanzen will.

Am Moritzplatz ist man schon weiter: die Kartoffeln und hundert andere Nutz- und Zierpflanzen gedeihen dort bereits. Sie wachsen alle in transportablen Behältern. Die Künstlergruppe, die diesen „Prinzessinnengarten“ betreibt, der mit 10.000 Euro gefördert wurde, nennt sich „Nomadisch Grün“. Wir erfuhren dort, dass es in Burma „schwimmende Gärten“ gibt, man verkauft nicht ihre Früchte, sondern verschifft die Gärten als ganzes. Und in Berlin experimentiert das Kaufhaus „Lafayette“ in der Friedrichstraße mit einem „vertikalen Garten“ an der Hausfassade.

Der Künstler-GmbH „Nomadisch Grün“ geht es um „Landwirtschaft in der Stadt“ – es ist damit ein Umsetzung der in US-Ghettos entstandenen „Stadtgärten“, wie sie von Elisabeth Meyer-Renschhausen an der Humboldt-Universität erforscht wurden. In Detroit, das inzwischen 60% seiner Bewohner verloren hat, will man im Stadtzentrum jetzt sogar großflächig Landwirtschaft betreiben. Das wäre jedoch aus Armutsgründen das Ende des „langen Tags der Stadtnatur“, denn damit sind wir wieder bei der Primärproduktion, der Ausbeutung der Natur, angekommen. Elisabeth Meyer-Renschhausen rieb sich denn auch die Augen in den New Yorker „Gemeinschaftsgärten“: „Befinde ich mich wirklich im reichsten Land der Erde…oder irgendwo in einem Teil der Dritten Welt?“ Ist „der lange Tag der Stadtnatur“ am Ende nur der Übergang zu einer neuen „Subsistenzwirtschaft“ – aus dräuender Not – ein Atemholen von Natur und (Agri-)Kultur?

Noch einmal die selbe Fußgängerzone in Buenos Aires wie oben. Photos: Peter Grosse

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https://blogs.taz.de/hausmeisterblog/2010/06/21/stadtnatur/

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kommentare

  • Derzeit streiken gerade die griechischen Seeleute und Hafenarbeiter in Piräus. Die JW meldet heute auf Seite 1:

    „Obwohl ihr Streik auch diesmal auf Antrag der Reeder verboten und die Hafeneingänge von Einheiten der Sonderpolizei bewacht wurden, gelang es den Seeleuten wieder, den Schiffsverkehr im wichtigsten Hafen des Landes empfindlich zu stören. Da die Journalisten ebenfalls streikten, fielen am Dienstag die Nachfrichtensendungen in Rundfunk und Fernsehen aus, erscheinen am heutigen Mittwoch keine Zeitungen.“

    Indymedia meldet:

    „Polizei blockiert den größten Hafen des Landes, um Blockaden der Streikenden vorzubeugen

    Das Gericht hat entschieden, dass der Streik der ArbeiterInnen im Hafen von Piräus illegal ist. Diese Entscheidung ist empörend, da morgen nicht nur ein Streik in diesem Sektor stattfindet sondern ein Generalstreik, zu dem sogar die gekauften Gewerkschaftsverbände GSEE (Privatsektor) und ADEDY (öffentlicher Sektor) aufrufen. Die Polizei hat die Eingange des Hafens besetzt. Die Hafendirektion wird die Streikenden daran hindern, den Hafen zu blockieren, wie sie es letzte Woche getan haben, als während des Streiks der HafenarbeiterInnen am 23. Juni die Streikenden alle Passagierboote am Verlassen und beim Anlanden im Hafen hinderten. In Berichten wird angegeben, dass sich zurzeit viele Bereitschaftspolizisten in dem Bereich aufhalten. Die Atmosphäre ist gespannt und niemand darf den Hafen ohne einen Schein betreten. Die Athener Gewerkschaften der BauarbeiterInnen rufen für morgen zu Versammlungen mit verändertem Treffpunkt auf, die jetzt in Piräus stattfinden sollen, um den HafenarbeiterInnen zu helfen, die Polizeiblockade des Hafens zu beenden. Auch andere ArbeiterInnen sollen in Solidarität nach Piräus kommen. Die Situation ist kritisch, da Piräus der größte Hafen des Landes und Tourismus einer der derzeitigen Hauptindustrien hier ist.

    29. Juni 2010

    Update Piräus

    Die ArbeiterInnen haben es geschafft, die Polizeiblockade des Hafens zu durchbrechen. Morgens ist es wenigen Schiffen gelungen, den Hafen früher als geplant mit wenigen Passagieren zu verlassen, aber letztlich ist der Hafen durch die ArbeiterInnen blockiert. Um 6.15 Uhr setzte die Polizei Tränengas ein, um die ArbeiterInnen am Betreten des Hafens zu hindern, schafften es jedoch nicht, sie zu stoppen. Ein mächtiger Block aus MitgliederInnen der KP (Anm.: Übersetzer, deren Gewerkschaft PAME) und einiger autonomer Gewerkschaften waren seit den frühen Morgenstunden vor Ort und sind nun unterwegs nach Athen, zur dort geplanten Hauptdemonstration.“

    Daraus geht hervor, dass die Hafenarbeiter streiken, nicht die Seeleute.

    Eine Woche zuvor wurde dort bereits gestreikt. Reuters meldete:

    „Streik im Hafen von Piräus – Insel-Fähren hängen fest

    Streiks haben am Mittwoch den Fährverkehr vom Athener Hafen Piräus zu den griechischen Inseln blockiert.

    Rund 200 Mitglieder der kommunistischen Gewerkschaft PAME hätten die Urlauber daran gehindert, die Fähren zu betreten, teilte die Küstenwache mit. Die Gewerkschafter unterstützten einen Ausstand der Schiffsmaschinisten, die sich gegen die Pläne der Regierung zur Rentenreform richten. Sie wollten bis Mitternacht auf den Landungsbrücken verharren, so lange soll auch der Streik der Maschinisten dauern.

    Am Mittwochmorgen stach der Küstenwache zufolge keine Fähre in See. Betroffen seien unter anderem sieben Verbindungen zu den bei Urlaubern beliebten Kykladen, zu denen Mykonos und Paros gehören. Es sei unklar, ob die Kreta-Fähre am Donnerstagmorgen starten werde.

    Die Buchungen von Griechenland-Reisen sind in diesem Jahr wegen der Streikwelle und teils gewaltsamen Protesten gegen die Sparanstrengungen des hoch verschuldeten Landes ohnehin zurückgegangen.

    Die Maschinisten wehren sich zudem gegen Pläne der Regierung, die Beschränkungen im Schiffsverkehr zu lockern. So soll es Kreuzfahrtschiffen, die nicht unter einer EU-Flagge fahren und Besatzungen haben, die nicht aus der EU stammen, erlaubt werden, zwischen den griechischen Inseln zu verkehren. Die Gewerkschaften befürchten, dass dadurch Stellen für griechische Seeleute verloren gehen.“

    Hier handelte es sich also um einen Streik von Seeleuten.

    Was den derzeitigen Streik betrifft, weiß der „griechenland-blog.gr“ genaueres:

    „Streik im Hafen von Piräus entgegen dem Beschluss der P.N.O.

    Im Hafen Piräus steht eine neue Runde der Strapazen bevor. Trotz der Entscheidung des Dachverbandes der griechischen Seeleute (PNO), sich am 29. Juni 2010 nicht an den Aktionen zu beteiligen, haben zwei Gewerkschaften (PEMEN und Stephenson, welche die Maschinisten der griechischen Handelsflotte vertreten) beschlossen, am Dienstag von 00:00 Uhr bis 24:00 Uhr in den Ausstand zu treten. Ebenso ist mit Aktionen seitens der linksradikalen “Militanten Arbeiterfront” (PAME) zu rechnen, deren Aktivisten sich im Hafen von Piräus wiederholt und nicht selten jenseits der Legalität durch rücksichtslose Übergriffe hervorgetan haben.

    In einer Sendung des Radiosenders Vima 99,5 erklärte Nikos Xourafis in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Arbeiterzentrums Piräus und Mitglied des Aktionskomitees der PAME: “Am Dienstag werden keine Schiffe den Hafen Piräus verlassen. Wenn die Regierung sich entscheidet, gegen den Streik vorzugehen, wird sie die Verantwortung dafür tragen“. N. Xourafis unterstrich, dass die Phänomene der Spannung von TV-Sendern verursacht werden, welche die Bekanntmachungen des Verbandes der Reeder reproduzieren.

    Regulär würden am Dienstag in Piräus etwa 2 Dutzend Schiffe zur tournusmäßigen Bedienung der Routen zu griechischen Inseln ablegen, außerdem wird die Ankunft von zwei Kreuzfahrern erwartet. Informationen zufolge wollen Küstenschifffahrts-Verbände und Unternehmen das Eingreifen der Staatsanwaltschaft fordern.“

  • „Bäume sind Gedichte, die die Erde in den Himmel schreibt.“ (Khalil Gibran)

    Im Sommer zieht es den Städter ins Grüne, inzwischen haben allein die Kreuzberger schon halbe Dörfer zu ihren Datschensiedlungen gemacht. Wem das nicht ganz geheuer ist, der lustwandelt wenigstens am Wochenende durch die inner- und außerstädtischen Wälder.

    In den Zwischenjahreszeiten erfreut sich der Botanische Garten großer Beliebtheit. Als wir am vorletzten Wochenende dort waren – und ich mit meinem Journalistenausweis frech Einlass begehrte, wurde mir geantwortet: „Ham wa abgeschafft!“ Und dann war auch noch das Große Gewächshaus wegen Umbauarbeiten vorübergehend abgeschafft.

    An den dortigen Waldrepräsentanten aus aller Herren Länder gab es jedoch nichts zu meckern. Leider habe ich die dumme Angewohnheit, schon nach kurzer Zeit nur noch die Schilder unten zu lesen – und nicht zum Beispiel in den Baumkronen oben.

    Wenn man dem Augenschein und den Neodarwinisten Glauben schenkt, dann herrscht auch unter den Bäumen ein ständiger Konkurrenzkampf (um Nährstoffe, Licht, Bakterien, Pilze etc.).

    Die russisch-sowjetischen Forstexperten sahen das jedoch – symbiotisch gestimmt – ganz anders. „Es klingt paradox, aber der Wald braucht den Wald“, so sagte es einer von ihnen und fügte hinzu: „Sonst stünden viel mehr Bäume einzeln, wo sie sich doch angeblich besser entfalten könnten.“

    Der in den Dreißiger- und Vierzigerjahren führende Agrarbiologe der UdSSR, Trofim D. Lyssenko, empfahl deswegen bei der Wiederaufforstung gleich die Anpflanzung von Bäumen in „Nestern“. Er begründete dies sehr revolutionsromantisch: „Erst schützen sie sich gegenseitig, und dann opfern sich einige für die Gemeinschaft.“

    Der Forstwissenschaftler G. N. Wyssozki ging nicht ganz so weit, aber auch er unterschied zwischen vegetativem Freund und Feind: Damit zum Beispiel die Eiche gut wachse, dürfe man sie nicht zusammen mit Eschen und Birken anpflanzen, sondern sollte sie „von Freunden umgeben“ – Büsche: Weißdorn, Gelbe Akazie und Geißblatt etwa. Laut dem Wissenschaftsjournalisten M. Iljin lehrte uns bereits der Gärtner Iwan W. Mitschurin, „dass sich im Wald nur die verschiedenen Baumarten bekämpfen, aber nie die gleichen“.

    Von der antidarwinistischen russischen „Symbiose“ kamen wir im Botanischen Garten unmerklich auf unsere – menschliche – zu sprechen, das heißt auf den Wunsch nach dauernder Verschmelzung, während wir gleichzeitig angestrengt nach einem Mammutbaum suchten. Ohne besonderen Grund eigentlich – nur weil er der größte ist und ein Solitär dazu, wie sich dann herausstellte.

    Zum Essen fuhren wir später ins „Eckbert“ am Maybachufer. Dort hingen an vielen Bäumen noch die „Rettet Rettet“-Schilder. Es ging um das Fällen von anfangs 200, später 40 Bäumen, um das Ufer am Landwehrkanal neu zu befestigen. Eine Bürgerinitiative kämpfte – relativ erfolgreich – dagegen. Von ihr stammten auch die Schilder.

    An einem Baum hing ein Dreizeiler – von Nazim Hikmet: „Leben einzeln und frei wie ein Baum / Und dabei brüderlich wie ein Wald / Diese Sehnsucht ist alt.“ Da hatte jemand Symbioseforschung und Darwinismus zusammenbringen oder an die kommunistischen Zeiten in Kreuzberg erinnern wollen. Egal, es gibt nur eine Natur – in uns und den Linden am Ufer, dachte ich jedenfalls, bis ich Bruno Latour las, der vehement für einen Multinaturalismus plädiert – mit guten Argumenten.

  • „Das Liebesleben der Tiere macht einen froh und traurig zugleich.“ (Michel Foucault)

    Ich sage nur Knut. Tiere erfreuen sich einer immer noch steigerungsfähigen Beliebtheit – je mehr wir uns denaturieren. Der Song „Let’s do it like the animal on the discovery channel“ schaffte es in ebenso viele Hitparaden, wie es Länder gibt, in denen man diesen Natur- und Tiersender empfangen kann. Davon profitieren auch die Tiere und Pflanzen, die es mehr und mehr in die Stadt zieht.

    Die sich diesem Phänomen widmenden Biologen, wie der Berliner Riechelmann und der Münchner Reichholf, sprechen von einer regelrechten Landflucht: In den Städten gebe es bereits eine größere Artenvielfalt als auf dem Land. Dort ist man auch eher bereit, diese letzten „Wilden“ willkommen zu heißen, außerdem herrscht hier Waffenverbot. Und statt von verrohtem Landvolk ist zumindest Berlin voll von Kopfarbeitern, die Tiere erforschen bzw. besingen.

    Erwähnt sei der ehemalige taz-Redakteur Wiglaf Droste, dessen beste Gedichte von unseren bepelzten und gefiederten Lieblingen handeln. Eine die Krähen schwer verunglimpfende Glosse stieß dagegen nicht nur beim taz-Biologen Riechelmann auf scharfe Kritik, sie brachte ihm darüber hinaus fast ein Schreibverbot hier im Haus ein.

    Auf einer Lesung aus dem neuen Buch „Morgens leicht, später laut“ im taz-Café erfuhren wir neulich, dass auch Detlef Kuhlbrodts Feuilletons immer dann am besten gefallen, wenn es dabei um Tiere – angefahrene Igel zum Beispiel – geht. Und in der Frankfurter taz-Redaktion saßen beziehungsweise sitzen gleich mehrere Mitarbeiter, die sich am liebsten mit Tieren (im Rhein-Main-Gebiet, aber nicht nur dort) befassen. Zuletzt verfasste dort Heide Platen einen Kommentar über den Bären Bruno sowie Porträts von Kormoranen, Kamelen und Eichhörnchen.

    Auch die taz-Ökoredaktion ist immer mal wieder für eine Recherche über Tiere und Pflanzen gut, Ähnliches gilt für die Wissenschaftsredaktion. Und für den gelegentlichen taz-zwei-Kolumnisten Matthias Stührwoldt sowieso: Der schleswig-holsteinische Biobauer und frühere Abonnent des Kleinen Tierfreunds hat seine gesammelten Kolumnen gerade in einem neuen Buch, „Schubkarrenrennen: Frische Texte ab Hof“ veröffentlicht.

    Ich habe mich als Betreuer der Kolumne „Agronauten“ vor allem über Bakterien und andere Mikroorganismen ausgelassen, bei denen man noch nicht zwischen Pflanzen, Pilzen und Tieren unterscheiden kann. Daneben bin ich aber noch für neun große Topfpflanzen im taz-Konferenzsaal quasi zuständig.

    Zu den taz-Büropflanzen generell sei gesagt: Je mehr sich die Leute mit ihrem Arbeitsplatz perspektivisch identifizieren, desto mehr Pflanzen stellen sie um sich herum auf – zur Motivierung ihres eigenen Wurzelschlagens im „Projekt“.

    In den meisten Redaktionen gibt es so gut wie keine Topfpflanzen, höchstens zum Geburtstag mal den ein oder anderen Blumenstrauß. Im Verlags- und Chefredaktions- sowie im EDV- und im Genossenschaftsbüro sieht es dagegen wie in einem Gewächshaus aus. Und während sich die Chefredakteurin die Pflanzenpflege mit ihren Assistentinnen teilt, haben die Büroleute noch die Pflege und das Mähen des Rasens auf der Dachterrasse übernommen. Dort sowie auf ihrem Balkon ziehen sie außerdem noch jede Menge Sonnenblumen, Erdbeeren, Bohnen, Schafsgarben, Disteln und Topinambur in Töpfen.

    Einige der Büroleute haben darüber hinaus auch zu Hause noch einen Garten, sodass die Pflanzen manchmal hin- und herwandern – zumindest ihre Ableger. Überhaupt ist es ja bei Pflanzenliebhabern oft so, dass man die Nachzucht untereinander austauscht. Ich verschenke zum Beispiel gerne kleine Goethepflanzen. Dabei handelt es sich um ein indisches Dickblattgewächs, das nachts Kohlendioxid für seine Photosynthese aufnimmt und in jedem gezähnten Blattwinkel neue Pflänzchen ausbildet, die nach einiger Zeit abfallen. Goethe hat sie sehr gemocht, deswegen heißt sie auch so. Aus demselben Grund hat Rudolf Steiner sie dann als Heilpflanze – gegen „hysterische Erscheinungen“ – empfohlen.

  • „Are you ready for the country – because it’s time to go?“

    So fragte Neil Young bereits in den Siebzigerjahren in einem seiner Lieder, als im Westen die Landkommunebewegung anhub und in China die „gebildete Jugend“ massenhaft aufs Land geschickt wurde – um mit den Bauern zu leben, zu lernen und zu arbeiten: die „3 Mit“. Inzwischen erfreuen sich hierzulande das „freiwillige ökologische Jahr“ auf dem Land sowie auch die Landverschickung von Künstlern und Schriftstellern zunehmender Beliebtheit.

    Ein feministisches Agrar-Institut in Westfalen, von Maria Mies und Claudia von Werlhof, redet gar (wieder) der „Subsistenzperspektive“ das Wort. Und der Agrarhistoriker Teodor Shanin behauptete jüngst, dass in Russland fast neunzig Prozent der Bevölkerung ihr Überleben der auf „gegenseitiger Hilfe“ basierenden „informellen Ökonomie“ der Dörfer verdanken.

    Aus Frankreich berichtet der Bauernaktivist José Bové: Immer mehr Leute, die keine Bauern sind, wollen seiner Agrargewerkschaft beitreten, und die Landwirtschaftsschulen dort können sich vor Bewerbern nicht retten. Noch gibt sich das „agrikole Prinzip“ gegenüber dem „bürgerlichen“ also nicht geschlagen. Im vergangenen Sommer bewarb Marlboro seine US-Jobvermittlungskampagne mit dem Spruch „Be a Ranch-Hand!“. Für den aus Westerstede stammenden Berliner Schriftsteller Kolja Mensing hat sich das Stadt-Land-Verhältnis bereits völlig umgedreht.

    Der französische Semiologe Roland Barthes versuchte dagegen, noch sauber zu trennen: In der Stadt wird eine Metasprache gesprochen, auf dem Land dagegen eine Objektsprache.

    Die erste Sprache verhält sich zur zweiten wie die Geste zum Akt: Die erste Sprache ist intransitiv und bevorzugter Ort für die Einnistung von Ideologien, während die zweite operativ und mit ihrem Objekt auf transitive Weise verbunden ist. Der Semiologe erwähnt als Beispiel den Baum: Während der Städter über ihn spricht oder ihn sogar besingt, da er ein ihm zur Verfügung stehendes Bild ist, redet der Dörfler von ihm – gegebenenfalls fällt er ihn auch.

    Und der Baum selbst? Wenn die Axt in den Wald kommt, sagen die Bäume: Sieh mal! Der Stiel ist einer der Unsrigen. Dies behaupten jedenfalls die Waldarbeiter in der Haute-Savoie.

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