06.01.2016
Um die Ereignisse einer Kölner Silvesternacht also einmal zu rekapitulieren: In einer mobbig-gutgelaunten Menschenmenge mit entsprechend übergriffigem Krachlachpotential gibt es eine oder mehrere kleinere Gruppen von Männern, die die Stimmung kongenial für einen kleinen Raubzug ausnutzen, Frauen umstellen, begrabschen und sie mittels der Grabscherei um ihr Geld erleichtern. Das ist ein einfaches Verfahren, im Gegröhle, Gewühle und der unterschwellig im Geknalle ohnehin geballt vorhandenen Aggression leicht zu verstecken. Es dürfte nicht das erste Mal sein, dass es zur Anwendung kommt. Es verlangt nichts mehr als einen Schuss Gang-bang-Heiterkeit, dazu Ortskenntnisse und die Kenntnis lokaler Festgewohnheiten. Ich habe in meinem Leben genügend Männer kennengelernt, die zu solchem Tun in der Lage wären, es einfach nur lustig fänden, Frauen auf solche Weise zu demütigen und sich dafür von diesen auch noch „bezahlen“ zu lassen. Nichts spricht dafür, dass es Ausländer waren, die so in Köln zugange waren, nichts spricht dagegen. 90% aller Pornofilme zeigen genau die dazu nötige Haltung gegenüber Frauen und sie werden weltweit massenweise konsumiert. An den Kölner Ereignissen ist nichts neu, keine neue Dimension von Gewalt scheint in ihnen auf, auch wenn es jetzt alle behaupten, es wird alles genau so widerlich gewesen sein wie immer. Aber zwischen dem letzten und diesem Silvester sind Flüchtlinge ins Land gekommen und haben die politisch Verantwortlichen eine Flüchtlingskrise inszeniert. Und nun wird ohne jede Mühe einer Beweisführung, eines Abgleichs mit Geschehnissen in anderen Jahren, alles, was geschehen ist, auf diese Flüchtlingskrise bezogen. Ein Medienhype entsteht, in dem sämtliche politische Prominenz, auf deren Meinung getrost zu verzichten gewesen wäre, sich äußern muss; keine Partei steht abseits, kein Minister, kein Verbandsvorsitzender. Und die Welle rollt, die Ereignisse werden, während sie rollt, nacherfunden, die Menschenmenge, in der die Überfälle stattfanden, wird zur Masse der Täter selbst, zu 1000 Türken, Arabern und Nordafrikanern, die sich über das unschuldig Silvester feiernde christlich-deutsche Köln ergießen, vergewaltigend und raubend – Titanic hätte sich das in seiner grotesken Überzogenheit nicht besser ausdenken können. Erschreckend ist dabei aber, dass wirklich niemand (bis auf die ganz paar wenigen üblichen Verdächtigen) von dem Hype zurückzutreten in der Lage zu sein scheint, dass alle diese Medienente einfach ohne jede Skepsis fressen, so wie sie ihnen serviert wird. Dann wird vorstellbar, wie wenig es brauchen würde, um hier die allerschönste Pogromstimmung zu erzeugen. Die paranoide, auf Vorwärtsverteidigung gestrickte Denke der Pegidas ist genau das, was der bürgerlich gesinnten Mehrheit schon immer irgendwo ganz hinten im Kopf spukt, was sie immer schon ahnte und was nur die allergeringste, durch keinerlei Wirklichkeit oder Wahrscheinlichkeit belästigte Bestätigung braucht, um sich als eherne, unumstößliche Wahrheit zu manifestieren. Wehe den Gezeichneten, sie haben nicht die geringste Chance der aufgestauten, hochgepuschten Wut zu entkommen. Wenn die Entwicklung sich mit der Geschwindigkeit fortsetzt, die sie jetzt erreicht hat, gibt es in sechs Wochen die ersten Lynchmorde.
04.07.2022
Etliche verdammt gute, kluge Autorinnen und Autoren kehren der Zeitschrift konkret erbost den Rücken, wegen, grob und polemisch zusammengefasst: nazinaher Parteinahme für Putin, darunter von mir ganz außerordentlich geschätzte. Es ist mir unbegreiflich, da die angebliche Parteinahme, wie sie die Autor*innen behaupten, in konkret, nach dem, was ich herauslesen kann, gar nicht stattfindet, konkret ist nicht speziell russlandfreundlich. Das zweite, das mich befremdet, ist, dass ich den positiven Grund nicht verstehe, den die Verfasser*innen der Erklärung immerhin doch haben könnten: Welche, vielleicht auch nur schwer mögliche, noch zu erringende Welt verteidigen sie, wenn sie meinen, Pazifismus und Skepsis gegenüber dem moralschwer tönenden Westen seien nicht ausreichend, um seine Ukraine-Politik zu kritisieren? Und da ich an diesem Punkt nicht klarsehe, kommt mir der Verdacht, nun werde doch wieder umgeschwenkt auf Verteidigung der westlichen Werte sowie die Rechtfertigung des gerechten Krieges. Ist das ein Überlaufen zur bald gerade noch so akzeptablen linken Opposition? Es sind allesamt sensible, menschenfreundliche Leute, die sich absetzen, und solche haben oft gute Antennen für Kommendes.
Spaß macht es nicht, zusehen zu müssen, wie die eigene Position immer weiter ins Abseits und in Bedrängnis gerät. Aber natürlich geschieht es unaufhaltsam und allerorten. Die Gewerkschaften werden sich einfangen lassen für den patriotischen Lohnverzicht und Burgfrieden, sie sind zu verwoben mit den parlamentarischen Kräften, um anders zu entscheiden. Die Klimabewegung ist so gut wie abgeschaltet. Links bleibt nichts. Der Widerstand der Verarmenden gegen die Verarmung wird form- und führungslos ausfallen, mit Rechtsdrall bei den Kartoffeln, mit Zerstörungswut gegen das städtische Mobiliar im stärker migrantisch geprägten Umfeld. Beide Gruppen, da sie ähnlich stark sind (unter den Verarmenden sind Einwanderer und deren Nachkommen stärker vertreten als in der Gesamtbevölkerung, besonders bei den unter Dreißigjährigen), kann man a) gegeneinander hetzen, b) mit der Polizei als Pöbel bekämpfen. Die besseren, wertegeleiteten Leute finden sich ein unter der Fahne des solidarischen Verzichts (den sie sich leisten können), und des demokratischen Zusammenhaltes (den sie gegen den Pöbel verteidigen; Putin ist auch Pöbel). Sie vertreten den klassenbewussten Antifaschismus von oben und fühlen sich gerade deshalb als die wahren Wahrer der Demokratie und Menschenrechte. Denn wer zum Pöbel gehört oder hält, der ist aus ihrer Sicht tendenziell Faschist oder Faschistin. Dass andererseits Demokratie und Menschenrechte für den Pöbel selbst nur in Grenzen gelten können, weil es kein Recht gibt, so gut zu leben wie die besseren Leute, und dass jeder Angriff auf dieses bessere Leben unbedingt abgewehrt werden muss, das versteht sich dabei von selbst, das EU-Frontex-Grenzregime macht es jeden Tag vor. Eine gewisse Neigung, Anti-Pöbel zu sein, gab es immer bei konkret und darüber ist ein Anschluss an die bessere, wertegeleitete Gesellschaft für einige Autorinnen und Autoren vielleicht möglich. Nicht alle haben in dieser Zeitschrift den Mob so unversöhnlich klug analysiert wie der leider schon verstorbene Gremliza, nämlich als heiß verhetzt und gehetzt verheizt in einem.
(Seitengedanke: Der irrationale Hass der Menschenrechtler auf China rührt vielleicht auch daher, dass das Wort Pöbel recht schlecht auf die Einwohner eines Landes passt, das über Jahrtausende dem Westen weit voraus war und das man im Gegensatz zu anderen Regionen der Welt, die dem Westen überlegen oder ebenbürtig waren, nicht ausweglos zurück in die absolute Armut, also ins Pöbelhafte, bekriegen und ausplündern konnte. Das gleiche Motiv lag sicherlich auch dem Russenhass zugrunde, solange die mit Russland immer gleichgesetzte Sowjetunion bestand, die eben nicht, wie es böse über das heutige Russland heißt, bloß eine Gastankstelle mit Atomwaffen war.)
Meine Position ist öffentlich nicht zu halten und ich sollte mir Schweigen dort auferlegen, wo ich aus dem Versteck müsste. Bei den kommenden perspektivlosen Aufständen kann ich emotional nur beim migrantisch geprägten Pöbel stehen, seine sinn- wie ziellose Wut ist meine kalte, von Kenntnissen satte. Und zwei Dritteln der Menschheit kann ich kaum krumm nehmen, wenn sie einen Sieg des Widerlings Putin wünschen, da es für sie fatal wäre, würde nicht der Westen zuschanden gehen. Ein Sieg über Russland würde den westlichen Eliten etliche Probleme lösen, nicht nur wirtschaftlich, was den Zugang zu Ressourcen angeht. Sie würden sich von ihrer kolonialen (und teils faschistischen) Vergangenheit freigesprochen fühlen, befänden sich obenauf in ihrem letzten Gefecht für Menschenrechte und Demokratie und bräuchten die ökologischen und sozialen Probleme, die durch ihre über fünfhundertjährige Ausplünderung der Erde entstanden sind, solange nicht mehr anzugehen, bis sie die übrige Welt nicht von allem demokratie- und menschenrechtfeindlichen Pöbel befreit hätten, also nie.
Ich nehme, muss ich mir eingestehen, eher Partei für den Pöbel – mit aller von Heine schon geäußerten „Angst vorm Kommunismus“ und ohne Illusion darüber, dass die Misshandelten durch die jahrhundertelange Erfahrung der Misshandlung gebessert worden wären. Ich sehe ein, dass die Menschheit Gründe über Gründe hätte, sich am alten weißen Mann eines Tages grausam rächen zu wollen. Und ich bete dafür, zu allen Göttern, die ich dazu gerne hätte, dass dieser alte weiße Mann bis dahin wenigstens in den weniger wohlhabenden, pöbelhafteren Schichten untergegangen sein könnte in den Vergnügungen der Durchrassung. Entkartoffelt euch, wenn ihr nicht wollt, dass euren Enkeln wegen fehlender Pigmente die Kehle durchgeschnitten wird! Versteckt eure Nachfahren gut im bunten Kleid der kommenden Menschheit!