vonkirschskommode 25.06.2020

Kirschs Kommode

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An der Empörung über Hengameh Yaghoobifarahs Polizei-Entsorgungsvorschlag zeigt sich mir, wie wirkungsvoll es sein kann, die Trampelpfade der Floskelei zu verlassen, auf denen nichts so sehr übergangen wird wie der genaue Sinn der Wörter. Wie oft haben Leute, Sprecherinnen und Sprecher, weiß ich, wie vieler politischer Parteiungen, sich gegenseitig auf den Müllhaufen der Geschichte kommandiert! Hagelte es Strafanzeigen? Hyperventilierte wer? Hörte überhaupt jemand zu? Packt Yaghoobifarah die Geschichte jedoch, samt ihrem ein einziges Mal ein bisschen nach persönlichem Wunsch verlaufenden Gang – die Polizei wird abgeschafft, aber der Kapitalismus nicht – etwas weiter vorne in den Text, und nimmt dann, gegen Textende, statt dem Wort Müllhaufen eines seiner Synonyme, schon hadert der oberste der Polizeiminister öffentlich mit der Pressefreiheit. Fantastisch!

Yaghoobifarah hat ganz und gar Recht: Es dürfte verdammt schwierig werden, Menschen, die in ihrem beruflichen Umfeld über viele Jahre und in gewachsenen Strukturen Rassismus und sadistische Machtgelüste kultivieren konnten, in ein anderes Arbeitsumfeld zu integrieren. Der Schaden, den sie dort anrichten könnten, wäre immens. Bestimmt nicht weniger groß als der, den sie jetzt schon tagtäglich anrichten.

Ich fürchte allerdings, sie werden genau dafür bezahlt, ihn anzurichten. Was wäre Herrschen ohne Teilen? Mach den einen oder die eine von Amts wegen runter und allen anderen, die das Geschehen im Vorbeigehen lieber gar nicht erst beachten wollen, nicke freundlich zu. Das Sortieren der Leute nach rein äußerlichen Kriterien lernt sich leicht und leuchtet auch Dritten ohne viel Nachdenken ein: So, wie der aussieht, muss er sich nicht wundern. Und die, wie die aussieht, auch nicht. Das hat, so lange ich denken kann, immer bestens funktioniert. Neben den sowieso und überall verdächtigen, „ausländisch“ Aussehenden dürften zum Beispiel in den Siebzigern auch Hippies und in den Achtzigern Punks vermehrt Erfahrungen mit anlasslosen Polizeikontrollen gesammelt haben. Dass jetzt auf einmal das altbewährte Die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen  nicht mehr dem gesellschaftlichen Zusammenhalt dienen soll, sondern zu Demonstrationen und Protesten führt – genau deshalb seufzt bestimmt ein gutes Drittel der Bevölkerung in seinem Töpfchen oder Türmchen wieder einmal tief betroffen: Mein, Gott, wo sind wir bloß hingekommen!

Ich habe meine Integrationskurse immer ein knappes Jahr und das Verhalten der Leipziger Polizei gegenüber einigen meiner Kursteilnehmer kommt in ihnen zur Sprache. Also frage ich nach. Natürlich würde ich nie behaupten, dass sächsische Polizisten rassistisch agierten und kaum als Müllsortierer arbeiten dürften, solange sie dieses Verhalten nicht ablegten – ich möchte nur ungern für einen nächsten Krawall verantwortlich gemacht werden und auch sonst Ärger lieber vermeiden. Aber die Ergebnisse meiner Nachfragen sind wenig beruhigend. Während die blonde junge Frau aus dem Elsass in vielen Monaten kein einziges Mal von der Polizei angehalten worden ist, beschwichtigt der schwarze junge Mann aus Somalia, öfter als zweimal pro Woche passiere es ja auch nicht. Zwischen diesen beiden Polen verteilt sich die Häufigkeit der Polizeikontrollen genau nach Lehrbuch über den Wert verschiedener Menschenrassen aus dem 19. Jahrhundert: ob Haut oder Haar, je schwärzer, je „arabisch-afrikanischer“, desto. Nachteilige Auswirkungen haben zudem und zusätzlich: Jugendlichkeit, legere oder auffällige Kleidung, Rauchen sowie Männlichkeit. Frauen werden eher von Passanten angespuckt als von der Polizei getriezt. Gesetzte Familienväter mit angegrautem Haar, unauffällig, aber nicht nachlässig gekleidet, die nicht zu groß und am besten auch weder besonders muskulös noch knochig-mager sind, dürften, relativ unabhängig vom Grad der Dunkelheit ihrer Hautfarbe, die besten Chancen haben, als angeblich-sofort-erkennbar-Undeutsche auf der Straße unbelästigt zu bleiben. Vielleicht erfahren sie eine Art zugestandener Veronkelung; der Modell stehende Onkel hieße in diesem Fall Tom.

Das Ergebnis meiner Nachfragen im Kurs ist Jahr für Jahr das gleiche. Aber, um einmal Floskeln zu bemühen: Kein Generalverdacht, pauschal zu sagen, die Polizei sei rassistisch, ist selbstverständlich und so weiter. Denn der Rassismus in der Polizei ist schlicht und einfach über allen Zweifel erhaben. So wie die Polizei selbst eben auch – jedenfalls den vielen Innenpolitiker*innen zufolge, die offenbar nichts lieber tun, als sich in schwelgerischer Vorfreude die ganze Härte des Rechtsstaats auszumalen, die am besten jeden zu treffen habe, der auch nur ein kritisches Wort über die Ordnungsmacht verliert.

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