vonkirschskommode 12.12.2023

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Aus der Artikelserie Der Heilige der Woche: 14. Dezember, Juan de la Cruz

“Descubre tu presencia
y máteme tu vista y hermosura:
mira que la dolencia
de amor, que no se cura
sino con la presencia y la figura.”

“Enthülle deine Nähe
und tötete dein Blick und deine Schönheit mich:
Sieh, dass dieses Wehe
der Liebe, es heilt ja nicht,
wenn nicht durch da sein, durch dein Angesicht.” (Aus: Cántico Espiritual)

Was Sie hier lesen, ist große spanische Liebeslyrik. In einer, zumindest für mich, mehr als zweifelhaften Übersetzung – meiner eigenen. Glauben Sie mir, im Original wirken die Verse so gedankenvoll wie schlicht, so spontan wie geformt, so wie große Lyrik eben wirkt. Aber warum beschäftigen uns hier überhaupt Verse?

Ihr Autor heißt Juan de la Cruz, Johannes vom Kreuz. Er war ein Mönch, streng asketisch, lebte von 1542 bis 1591 und er war ein Heiliger. Ich mache dabei eine erstaunliche Beobachtung: Je näher die Heiligen uns zeitlich rücken, desto mehr müssen sie in der Regel für ihre Heiligkeit leisten.

Bis ins dritte Jahrhundert genügte es vollauf, zu glauben und dem Henker im richtigen Moment den Hals hinzuhalten. Im Mittelalter reichte noch hin, gläubig, klaglos krank, ungewaschen und halb verhungert zu sein. Aber ab der Neuzeit musste einer wie Juan de la Cruz schon – und gut! – dichten können. (Und dass ich Ihnen für Zeitungshonorar Lyrikübersetzungen anfertige, daran sehen Sie, dass am Ende auch ich noch Ambitionen habe: Das zahlt mir keiner, wenn nicht der Himmel.)

Mit den bleibenden Werken, seien sie literarischer oder auch armenpflegerischer Art, nimmt parallel das Wirken von Wundern ab. Von Juan werden schon keine Wundertaten mehr berichtet. Aber vier Bücher hat er geschrieben. Sie gelten allesamt Hauptwerke der neuzeitlichen christlichen Mystik.

Was ein Mystiker sucht, ist die seelische Vereinigung mit Gott, mit dem Fachbegriff gesagt, die unio mystica. Sie wird meistens als Hochzeit geschildert, der Mystiker und Gott, sie sind ein Liebespaar. So kommt es, dass auch der ganz irdisch verliebte Leser bei Juan de la Cruz Verse findet, die er seinem Schwarm in den Liebesbrief setzen kann. Er muss dabei nicht an Gott denken, er muss nur die Vereinigung mit seiner Liebsten so sehr ersehnen, wie Juan die unio mystica ersehnt.

In Gott verliebt zu sein ist trotzdem anstrengender. Die unio mystica bekommt man nicht geschenkt, es gehören Techniken dazu, sie zu erlangen. Im Fall von Juan hieß die Technik Askese. Er war so arm, hieß es über ihn, dass man ihm nichts nehmen, so tugendhaft, dass man ihm nichts geben konnte. Er war darin außerdem missionarisch.

Das hat ihm viel Ärger in seinem Leben eingebracht. Zusammen mit der Heiligen Teresa von Ávila versuchte er, den Orden der Karmeliter zu reformieren, das heißt, seine Regeln noch unduldsamer zu machen. Die Brüder und Schwestern waren nicht allesamt begeistert; Juan de la Cruz wurde von seinen Gegnern verleugnet, mehrmals seiner Ämter enthoben, einmal sogar unter schlimmsten Bedingungen monatelang eingesperrt. Die Frucht seiner Reformbestrebungen war schließlich ein neuer Orden, die Unbeschuhten Karmeliter.

(Dezember 2000)

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