vonkirschskommode 19.11.2021

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Als die heilige Cäcilia in den Armen des legendären Papstes Urban I starb, schwebten vom Himmel musizierende Engel hinab, Orgelmusik ertönte. Und Cäcilias jungfräuliche Seele streifte das letzte bisschen Erdenschwere ab, um sich in einen Himmel hinauf zu schwingen, der nach dem Text eines populären Kanons sogar beständiger ist als Himmel und Erde selbst: die Musici, die Musik. Ja, aber kann das denn sein?

Mal abgesehen davon, dass dem Himmel nichts unmöglich ist, auch der ewig misstrauische, alles nachschlagende Autor dieser Zeilen, ich nämlich, musste schließlich zugeben, dass die Legende in sich stimmig ist. Ich dachte, ich könnte die Legendenerzähler beim Schummeln erwischen und ihnen nachweisen, dass es im dritten nachchristlichen Jahrhundert Orgeln wohl kaum gegeben habe. Ein Irrtum. Orgeln gab es.

Und zwar Wasserorgeln. Eine Wasserorgel besteht neben den Manualen und den Pfeifenreihen aus einem Wassertank, in dem eine unten offene Glocke steht, in die von oben Luft gepumpt wird. Das die Glocke umgebende Wasser drückt in sie hinein und die Luft durch ein zweites Rohr zu den Pfeifen wieder hinaus. Die ganze Vorrichtung dient, wie auf der Hand liegt, dazu, den tonerzeugenden Luftstrom konstant zu halten. Für die kleinen Musikengel dürfte es eine ziemliche Plackerei gewesen sein, das schwere, mit Wasser gefüllte Instrument vom Himmel nach Rom zu fliegen. Aber für Cäcilia taten sie das gern.

Die Heilige war eine römische Jungfrau. Wunderschön natürlich; wenn legendäre fromme Christinnen hässlich sind, geloben sie nicht wie Cäcilia feierlich ewige Keuschheit, sondern danken Gott für die Gnade, von vornherein für jeden Mann abstoßend auszusehen. Das schönste an Cäcilia war aber nicht ihr langes Haar oder ihr feiner Teint, sondern ihre Stimme. Da sie auch noch mehrere Instrumente meisterhaft beherrschte, war ihr musikalischer Vortrag so ergreifend, dass selbst die Engel herabkamen, um ihr zu lauschen. Das Engelskonzert in der Todesstunde war somit eine Hommage an die dahinscheidende Musikerin unter Kolleginnen und Kollegen.

Mit Engeln stand die Heilige auch in nicht-musikalischen Dingen auf gutem Fuß. Ihrem Schutzengel beispielsweise trug sie auf, ganz besonders über ihre Keuschheit zu wachen. Ob sie zu dieser Maßnahme griff, weil sie ihren Bräutigam Valerian doch schnuckliger fand, als sie sich selbst erlaubte, weiß man nicht. Jedenfalls konnte Valerian den Aufpasser am Bett stehen sehen, sobald er sich taufen lassen hatte. Es verwundert nicht, dass daraufhin auch ihm die Lust für immer verging.

Die keusche Ehe währte allerdings nicht lange. Denn Valerian wie Cäcilia erlitten bald das Martyrium. Cäcilia, weil sie von Adel war, wurde diskret zu Hause umgebracht. Wobei ihr Kopf für Mätyrerverhältnisse ungewöhnlich fest auf ihrem Rumpf saß; mehr als Halswunden konnte der Scherge ihr nicht zufügen. So kam es, dass der Papst sie noch halten konnte, während die Engelchen orgelten. Da sie die Patronin der Musik, insbesondere der Kirchenmusik ist, finden ihr zu Ehren bis heute oft Konzerte statt. Ihr Fest- das heißt, ihr Todestag ist der 22. November.

(ca. 2001)

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