vonkirschskommode 07.11.2023

Kirschs Kommode

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Aus meinem Arbeitsjournal vom 28.07.2014: „Der Unterschied [im Kriegsverlauf] könnte auch daher rühren, wie viele Anhänger eines Todes-und-Töten-Kultes, vulgo Faschisten, mit beteiligt sind. Bei der Hamas und Konsorten ist der Fall klar. Sie schießen deshalb auf Israel, um den Krieg auf sich zu ziehen. Ihr eigenes Überleben, das Überleben ihrer Angehörigen spielt für sie keine Rolle; sie wollen sterbend töten und tötend sterben.“

03.11.2023. Versamaterial für Märtyrerchen: Du wirst ein grüner Vogel sein und fliegst durch goldne Blätter. Mein Kind, wann schläfst du endlich ein? Raketen sind der Retter. Raketen aus der Nachbarschaft und übern Himmelsbogen: Noch eh du läufst aus eigner Kraft, bist du schon mitgeflogen. Das Haus zerbirst, das Haus war eng, die Enge drückt das Leben. Doch Gott, der Herr, ist nicht zu streng, er hat uns Hass gegeben. Verlier ich dich, ich wein und schrei. Wie abertausend Frauen. Ich schrei die Nachbarschaft herbei, dich totes Kind zu schauen. Kein Fels, kein Baum wird dann den Feind vor unsrer Rache schützen. Weil sich das Dasein selbst verneint, um nicht dem Feind zu nützen. Du wirst ein grüner Vogel sein, mit mir im Himmel spielen: Die Erde ist ein toter Stein und alle Feinde fielen.

Will sagen, die neu zu erringende Welt der Aufständischen von der Sorte der Hamas ist keine Welt von dieser Welt sondern das einzig durch das Tor des Todes erreichbare Paradies. Um die Erde, nicht einmal um die palästinensische, und um die Menschen auf ihr müssen sich die Kämpfer mithin nicht kümmern. Wer umkommt, wird von Gott gerichtet; das Jüngste Gericht herbeizuführen, ist das Ziel des Aufstandes. Die Rache soll alles verschlingen, auch die Aufständischen selbst, und sie soll perpetuiert, nämlich an den Besiegten in der Hölle ewig fortgeführt werden. Die Aufständischen werden dafür mit himmlischen Freuden belohnt, deren größte wahrscheinlich die ist, die alten Feinde in der Hölle schmoren zu wissen. Mit solchen Aufständischen ist kein Staat zu machen. Und noch viel weniger Sozialismus/Kommunismus.

Dennoch habe ich mehr als nur eine Schwierigkeit mit meinem Gedichtmaterial, so wie es da oben steht, kann es nicht stehenbleiben. Religionskritik ist schön und gut. Aber es gibt eben weltweit unproduktive, abgehängte, zum Siechtum verurteilte Bevölkerungen, in denen der Stumpfsinn so gut gedeiht wie der Wunderglauben. Und es gibt das schamlose obere 20% der wohlhabenden Länder, in denen nicht nur verfressen wird, was den 80% der anderen fehlt, sondern die auch über Jahrhunderte mit ihrer Dominanz die Welt gestaltet haben, die vom Kolonialismus wie vom Neokolonialismus profitiert haben und profitieren, die diese Ordnung mit Gewalt verteidigt haben und verteidigen und die die Hauptverursacher des ökologischen Kollapses sind, der die Erde heimsucht. In mancher Hinsicht hätten die Geknechteten des globalen Südens die von den Europäern ausgestoßenen Juden und damit das neu gegründete Israel mit offenen Armen als zu ihnen gehörend empfangen können. Aber die Geschichte ist anders verlaufen, im kalten Krieg wurde Israel zum Verbündeten des Westens, dem der Kampf gegen die emanzipatorischen Bestrebungen des globalen Südens immer auch ein Kampf gegen den Kommunismus war. Dass Israel mitmischte im Krieg des Westens gegen die antikolonialistischen Kräfte, zum Beispiel auch auf der Seite des Apartheidregimes in Südafrika, beflügelte die Ideen von Israel als kolonialistischen Vorposten, als westliche Neokolonie. Gleichzeitig scheiterte schon recht früh der Versuch linker Zionisten, in der neuen Heimat den Sozialismus aufzubauen. In dieser Konstellation konnte und kann der sogenannte palästinensische Befreiungskampf als Teil des Aufstandes der Habenichtse gegen die Wohlhabenden interpretiert werden und die antisemitischen Vernichtungsträume der Kämpfer als ein eat the rich  bzw. ein a la lanterne, als ein Rachegelüst der Unterdrückten, das immer mit zu jeder Rebellion gehört.

Aber so eine Sicht wäre völlig geschichtsvergessen. Und denjenigen, die sie sich zu eigen machen, wäre frei nach Bebel zu entgegnen, dass ihr Antizionismus ein Antikolonialismus der dummen Kerle sei. Doch ich muss befürchten, dass mein Gedicht in ihrem Sinn verstanden wird, nämlich nicht als Kritik an einem Glauben ans Weltende, der das Weltende kriegerisch herbeiführen möchte, sondern als Ausdruck eines nur zu verständlichen Rachewillens der Unterdrückten.

Was schon daran liegt, dass selbst eine Mutter, die ihrem Kind sehnlichst einen Platz im Paradies ersehnt, im Normalfall furchtbar leiden wird, wenn das Kind wirklich umkommt. Sie wird wünschen, dass eine Welt, die ihr das Kind nimmt, keinen Bestand hat, also untergeht. Es ist unmöglich, ihr diese Gefühle abzusprechen. Und das bedeutet, ich kann mit ihren Worten die Perfidie nicht kenntlich machen, mit der die Hamas den Krieg auf Gaza zieht, um die Toten auf der eigenen Seite propagandistisch auszuschlachten.

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