vonkirschskommode 16.04.2024

Kirschs Kommode

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Sich über einen verfrühten Frühling zu freuen, fällt umso schwerer, je weniger einer oder eine in der Lage ist, die auf der Hand liegende Hochrechnung der Sommertemperaturen einfach beiseite zu wischen. Was ich aber jeden Winter wieder vergesse, ist eine andere Begleiterscheinung des Frühlings, die ihn regelmäßig nach ein paar wärmeren Tagen zu einer fluchwürdigen Angelegenheit macht: die Rasenmäherei. Ich lebe in einer Vorstadt von mäßig hohen Wohnblöcken mit Vorgärten vor und Wäschetrockenplätzen zwischen ihnen, die, sofern ein gnädiger Vermieter sie nicht gleich in Parkplätze verwandelt, auf andere Weise ökologisch tot oder mindestens wertlos gehalten werden müssen, wozu eben die Rasenmäher, zwangsläufig unterstützt von Motorsensen, Laubpustern und Heckenscheren zum Einsatz kommen. Es beginnt um sieben in der Früh, endet nicht vor sechzehn Uhr am Nachmittag, liegt als Klangteppich im gesamten Wohngebiet zwischen Bahndamm und Vegetationsgrenze, monoton unüberhörbar, wenngleich von wechselnder Intensität, je nach konkreter Entfernung der arbeitenden Maschinen und abhängig von der Windrichtung. Die größte der örtlichen Hausverwaltungen hat ihre Hausmeister (alles wohlbeleibte Männer) mit kleinen Aufsitzmähern ausgestattet, die sich in den Vorgärten ausnehmen wie Schaufelbagger im Gemüsebeet und mit denen sie munter herumkurven, ordentlich Futter für die Motorsensen an den Grundstücksrändern hinterlassend. Selbstverständlich wird nach Kalender gemäht, nicht nach Höhe der Grashalme. Wöchentlich. Bei wenigstens fünf Hausverwaltungen in der Nähe bleibt die Gegend so keinen Werktag lang unbeschallt; am Wochenende übernehmen die Einfamilienhausbesitzer.

2025 gibt es das nächste Rasenmäher-Rennen in Thönsen. Unser Autor wird wohl eher nicht dabei sei. Foto: Caroline Seidel (dpa)

Jedes Jahr frage ich mich aufs Neue, was das Rasenmähergedröhne mir sagen will, welche Botschaft ich ihm entnehme. Dieses Jahr neige ich dazu, eine Beziehung zum Wahlverhalten der Rasenmähenden anzunehmen, je penetranter das Gemähe, desto offenkundiger die politischen Vorlieben. Denn das Herstellen einer als ordentlich angesehenen Öde im Vorgarten aus keinem anderen Grund, als dass der eben ordentlich öde zu sein hat, also zum reinen, öden Selbstzweck – das ist ganz sicher ein Statement. Ich habe Werbeplakate in der Gegend gesehen, Aufsitzmäher oder Mähroboter auf präzise geschorenen endlosen Grasteppichen, und ernsthaft überlegt, ob es sich nicht um verdeckte Wahlwerbung handele. Es lag so viel trotziges Festhalten an einer Welt ohne Klimakollaps in den Plakatmotiven, in der der Mäherbesitzer (immer ein Mann) den Rasen nächtelang wässern kann, sollte es einmal mehrere Wochen nicht regnen, in der der Strom, denn bezahlt ist bezahlt, aus der Steckdose kommt und in der die Natur nichts sein soll, kann und will als ein freizeittaugliches Terrain.

Aber wenn die Mäher mich umdröhnen, fällt mir von diesen klugen Gedanken nicht einer mehr ein. Und was ich zustande bringe, sind verzweifelte Reimereien wie diese hier. Sie gehen zur Not als, na ja, lustig durch:

Schön ist, dass die Menschenkinder
nicht so brüllen wie die Rinder.
Wollüstig, die Menschentochter,
möht sie Muh? Und er, vermocht er,

Menschensohn von Menschensöhnen,
je zu blöken? Kaum ein Stöhnen
dringt den Menschen aus den Kehlen,
brunftergriffen ihre Seelen.

Unschön ist, es gibt Motoren,
röhrende, aus vollen Rohren:
explosionsgetriebnes Regen,
Rindsgebrüll weit überlegen.

*

Ein bekloppter
Helikopter;
mit Motorsensen auf das Kraut los;
minütlich starten drei, vier Autos;
Sägen knattern,
Mäher rattern
und ist noch nicht genug gehustet,
wird Grasschnitt, Dreck und Laub gepustet.
Welchen Segen bringt Benzin
in den Tag und adelt ihn!
Mit der richtigen Akustik,
zig Motoren? Das wird lustig.
(Doch fragt niemand beim Geröhre,
obs mich nicht beim Dichten störe.)

 

 

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