vonkirschskommode 11.10.2022

Kirschs Kommode

Komplett K: Kommodenfächer & Kurzwaren, Krimi & Kinder, Klasse & Küche, Kypris & Kirche, K-Wörter & Komfort.

Mehr über diesen Blog

In einem Internetauftritt verbucht der Dortmunder Lyriker Arnold Maxwill unter dem Stichpunkt Würdigung  folgende Aussage (wahrscheinlich aus dem Publikum): “Es hat mir gefallen, aber ich habe nichts verstanden.”

2017 nimmt er den waghalsigen Sprung in den millimetertief klaffenden Abgrund längs der Kalenderkante (und der stürzenden Zeit nach) mit deutlich mehr Glück auf sich als ich und gewinnt den Feldkircher Lyrikpreis (siehe Blogbeitrag vom 20.09.2022). Das verschlägt ihm halb die Sprache oder auch nicht, jedenfalls isoliert er aus seiner siegreichen Geporöse den schönen Vorsatz : “und weiter nichts sagen”, woran sich dann einige hundert seiner Kollegen und Kolleginnen, darunter ich, halten wie nicht halten, mehr oder minder wortreich mal viel-, mal nichtssagend Gedichte erstellend, in meinem Fall selbstverständlich solche in aller Form.

Ich würde das 2017er Motto des Feldkircher Lyrikpreises als “scheinlakonisch prätentiös” beschreiben, es macht auf Nüchternheit und spreizt sich dennoch. Vielleicht habe ich auch einfach nichts verstanden. Gefallen, damit zu arbeiten, hat es mir aber. Vor allem, nachdem ich auf den Kniff gekommen war, dem Halbsätzchen mit Satzzeichen auf die Pelle zu rücken. Drei Gedichte lang freute ich mich diebisch über die zersetzenden Möglichkeiten der Zeichensetzung, dann fiel mir doch noch ein richtiges Gedicht ein, ein Liebesgedicht sogar. Bei dem letzten der fünf Gedichte hat es zu nicht viel mehr gereicht als zu einer kleinen Ohrfeige, ausgefertigt nach der Weise des bekannten Herrn von Hagen in Kopenhagen.

2017
„und weiter nichts sagen“ (Arnold Maxwill)

Ich und – die anderen

Breiter und weiter nichts: sagen-
umwitterte Leere,
kein Kreuz, keine Quere,
kein Weg und kein Steg,
nichts grade, nichts schräg –
wenn Dichter uns plagen.

Höher und tiefer nichts: schwindel-
erregende Fülle
enthüllt die Sibylle;
noch meine Debakel
sind voller Orakel –
das Garn meiner Spindel.

 

Frag den Jedi

Sagt mir, Meister, zur Spitze?
Einen Wink? Er: Welcher Art?
Ich: Mir reicht eine grobe Skizze,
sei der Weg auch noch so hart,

steil und weit. Er: Nichts sagen
kann ich über die Distanz,
nichts zur Müh, es bleibt im Vagen.
Keiner ging den Weg je ganz.

 

Weisheit aus dem Jahr des Affen

Und weiter. Nichts sehen.
Ohnehin wirds geschehen.
Und weiter. Nichts hören.
Ohnehin wird es stören.
Und weiter. Nichts sagen.
Ohnehin hilft kein Klagen.

 

Nächtlicher Besuch

Wenn, sagen wir: versehentlich,
ich Nachtgast bei dir wäre
(ich bat darum schon flehentlich),
mir wär in deiner Sphäre

vertraut noch jede Einzelheit,
der Ort des Betts, des Weckers,
das Spröde deiner Zärtlichkeit,
das Brot früh deines Bäckers.

Solang ich dich besuchen will,
mental, doch alle Nächte,
lass mir die Möbelstücke still,
ich will sonst keine Rechte.

Nichts sagen will ich weiterhin,
du sollst nur nichts verräumen,
sonst werd ich, wenn ich bei dir bin,
mir blaue Flecke träumen.

 

Bei der Lesung der Preisträger

Darf ich wagen, Sie zu fragen
nach der Anzahl, überschlagen,
Ihrer Wörter, vorgetragen,
um hübsch weiter nichts zu sagen?

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/kirschskommode/und-weiter/

aktuell auf taz.de

kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert