vonkirschskommode 07.04.2021

Kirschs Kommode

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Ich bin durch meine Notizen gegangen und fand das Folgende. Ich hatte es ziemlich genau vor einem Jahr aufgeschrieben. Mir wäre lieber, es würde ein Jahr später weniger gut passen:

„Schwer zu verstehen bleibt, weshalb große Teile der Bevölkerung nicht einfach der Krankheit geopfert werden, wie es normalerweise immer geschieht. Dass die Chinesen den Schutz der Bevölkerung über das Laufen der Wirtschaft stellen, mag noch einleuchten. Die Regierungspartei heißt kommunistische und vielleicht ist irgendetwas doch dran. Aber im Westen wäre ein reines, unverhandelbares „Die Wirtschaft muss leben und wenn wir sterben müssen“ zu erwarten gewesen.

Warum also, habe ich mich gefragt und frage es mich noch, warum werden bei dieser Krankheit jetzt nicht, wie üblich, die Bedürfnisse der Armen weitgehend bis vollständig übergangen, damit die große Maschine weiter läuft. Ich habe darauf keine Antwort. Aber kann es sein, dass das Krisenmanagement bei Corona umso mehr gelockert wird, je deutlicher sich herausstellt, dass es doch vor allem die Ärmeren sind, die das Virus gefährdet? Eine Kurzrecherche ergibt, dass die Zahlen von Infizierten und Opfern bei Corona in nicht einmal sechs Monaten tatsächlich mindestens doppelt so hoch liegen wie die Zahlen bei der nächstgrößten Seuche jährlich, die durch multiresistente Keime. Diese sind „in Europa“, wie es immer reichlich ungenau heißt, mit knapp 700 000 Infizierten, von denen 33 000 sterben, jährlich so tödlich wie die von jenen drei Krankheiten zusammen, mit denen Corona von den Gefahrenleugnern oft verglichen oder gleichgesetzt wird: Grippe, Tuberkulose und Aids. Das könnte den Schrecken erklären, der den Eliten durch die Knochen gefahren sein muss, bevor sie beschlossen haben, die Fabriken halb und die Läden ganz zu schließen. Jetzt, wo offenkundig wird, wer zuerst stirbt und wer voraussichtlich gar nicht, muss es hier aber nicht mehr chinesisch zugehen. Und die Laschet, Palmer, Lindner befeuern ein Milieu, das sie verachten, demonstrieren zu gehen; Bild sympathisiert und mobbelt mit, während ein Großteil der Politik, wie immer seit Pegida, die besorgten Bürger verstehen, sie ernst nehmen, keinesfalls über einen Kamm scheren will, und so dem Ruf der Gerufenen folgt. Zudem die neue Pegida tatsächlich wie gerufen kommt, um den notwendigen sozialen Protest zu desavouieren, denn wer seine Existenzangst erst in ein Wahnsystem überführt hat, dem ist dann wahrlich mit keiner gesegneten Kerze mehr zu helfen. Was unbedingt nützlich ist, um weiteren sozialen Protest jederzeit als populistisch-paranoiden Unsinn abtun zu können. Jede grundsätzlichere Kritik kann von „demokratischen“ Politikern und Funktionären stereotyp mit der entsetzten Feststellung beantwortet werden, jetzt würden die kritischen Stimmen aber genau wie die der Proto-Nazis oder Populisten klingen. Auf diese Weise hatte sich ja schon die Presse moralisch unangreifbar gemacht: Weil Rechte eben „Lügenpresse“ rufen, folgt logisch und unabweislich, dass an der Wahrhaftig- und Aufrichtigkeit der Presse nur zweifeln kann, wer ein philofaschistischer Antidemokrat ist.

In der konkret (Ausgabe 5, 2020) in sehr verklausuliertem Deutsch – aber ich bin nicht der, der sich darüber viel beschweren dürfte – die Frage, weshalb ein allgemeiner Stillstand denn überhaupt koste. Es passiere doch nichts, als dass alle Geschäfte unverändert einfach ein Stück nach hinten verschoben würden. Würde man sich für diese Zeit alle Zahlungsverpflichtungen stunden, Mieten mit eingeschlossen, sei nichts mehr zu bezahlen als der notwendigste Verbrauch, also Lebensmittel, manchmal Transportkosten oder notwendige medizinische Behandlungskosten. Dass der Staat sein Geld verpulvert, sei vollkommen unnütz, im Prinzip wieder nichts als eine Enteignung, nämlich die Übernahme von Firmenschulden durch Steuergelder, die später dann anderswo nicht eingesetzt werden könnten. Wobei es diese Schulden nicht gäbe, würde man nur die Zahlungsfristen an die den durch Corona verursachten Stillstand anpassen. Interessanter Gedanke. Aber meine Frage, weshalb es diesmal nicht heißt: Sterbt, damit die Wirtschaft boomt!“ ist damit nicht beantwortet. Oder doch? Corona als Anlass für einen Raubzug durch die staatlichen Kassen, die daraus folgende Verarmung der lohnabhängigen Bevölkerung als Voraussetzung für die nächste Runde in der kapitalistischen Spirale? War die Gelegenheit zu günstig, als dass man sie auslassen konnte? Zu bestreiten ist es nicht, dass es gewinnbringender ist, den Staat einspringen zu lassen, als einfach untereinander ein Zahlungsmoratorium zu vereinbaren. Das, was der Staat aus dem Steueraufkommen der Erwerbstätigen für die Bedienung ihrer Kredite aufbringt, würden die Firmen bei einem weltweiten Aussetzungen der gegenseitigen finanziellen Verpflichtungen nicht einstreichen können.“

10.03.2021, vzg. Anfrage an verschiedene, telefonisch erreichbare Kundendienste verschiedener Firmen: Welche Möglichkeiten, mit Ihnen in Kontakt zu treten, habe ich, wenn ich mich nicht in der Lage sehe, mit Maschinen (über Spracherkennungs-Software) zu sprechen, noch einen Computer bedienen kann? Die Frage ist weder gleichgültig noch an den Haaren herbeigezogen, sondern weist auf ein Manko hin, das entsteht, wenn Privatfirmen (oder betriebswirtschaftlich aufgestellte öffentliche Firmen) Aufgaben der Grundversorgung übernehmen. Erreichbarkeit kostet und wird deshalb ins Callcenter mit vorgeschalteten Frage-Antwort-Maschinen und ins Internet ausgelagert. Damit sind, zum Beispiel im Fall einer Havarie, alle die Kunden aussortiert, nämlich vom Kundendienst abgeschnitten, die die Sprache nicht gut genug beherrschen, keinen Zugang zum Internet haben oder die schlicht zu alt sind für dergleichen Spielchen: Massen von Leuten. Vielleicht sollten die Kundenabwehr-Kundendienste sich ein Geschäft nebenbei nicht entgehen lassen und hilflos ins Spracherkennungsprogramm stotternden bzw. in die Webmaske sich vertippenden Rat- und Hilfesuchenden ungefragt Werbung für Altersheime, Pflegedienste, betreutes Wohnen oder auch für Sprachkurse präsentieren, akustisch oder per Popup-Fenster. Und um hoffnungslose Digitalisierungsschubversager*innen endgültig kostensparend loszuwerden, könnte es helfen, außerdem die allgemeinen Notrufnummern den Erfordernissen eines modernen Kundenservices anzupassen: Haben Sie die Feuerwehr angerufen, sagen Sie bitte: Ja! Ist es ein medizinischer Notfall, sagen Sie bitte: Notarzt, handelt es sich um einen Brand, sagen Sie bitte: Brand. Bei allen anderen Notfällen, sagen Sie bitte: anderer Notfall. Entschuldigen Sie, ich habe Sie nicht verstanden. Sie können Ihre Angaben auch ganz einfach online eingeben unter: WewewePunktIhreFeuerwehrPunktDeEeSläschNotruf. Vielen Dank.

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