vonPeter Strack 30.01.2017

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Der Ekeko ist das Symbol des Überflusses. Und Alasitas das Fest, das ihm in Boliviens politischem Zentrum La Paz gewidmet ist. Nahrungsmittel, Diplome, ein Häuschen oder eine Hochhaus, Reisepässe mit dem gewünschten Visum (Trumps und den Abgrenzungsbemühungen anderer zum Trotz), ein Auto, eine Seilbahngondel, und vor allem Geldscheine bekommt die kleine dickliche Gestalt umgehängt. Und eine Zigarette in den Mund. Damit die Träume im Miniaturformat so wie die Samen in früherer Zeit einmal aufgehen und Wirklichkeit werden. Neu in diesem Jahr nach der jüngsten Versorgungskrise: Wassereimer. Nachdem die Regierenden das stetige Wachstum der Stadt und den Klimawandel verschlafen haben, soll nun der Ekeko die Versorgung mit dem kostbaren Nass sicherstellen.Und um ihn bei diesem Bemühen nicht ganz alleine zu lassen, kommt politische Satire dazu. Gedruckt in den zahlreichen Zeitungsausgaben, die ebenfalls im Miniaturformat in diesen Tagen verkauft werden. Da sieht man in einer Fotocollage den (inzwischen ausgewechselten) früher scheinbar übermächtigen Präsidialminister Quintana im Seifenschaum gebadet in einer Plastikschüssel sitzen, während Evo Morales ihm ein paar Tropfen Wasser aus einer Kürbisschale über den Kopf laufen lässt. Eine Schale müsse reichen, so wie in Zeiten der Altvorderen. Die Dusche gehöre der Vergangenheit an, sei pure Verschwendung, heißt es im Text.

Und während Handwerker und um die 3000 Händler im zentralen Stadtpark von La Paz mit dem Verkauf der Miniaturen Hoffnungen nähren und ihr Einkommen mehren, zeigt eine kleine sehenswerte Ausstellung im Museum für Ethnologie und Folklore (MUSEF) die Ursprünge von Alasitas. Und: Wie die das Ereignis und die Gestalt des Ekeko den gesellschaftlichen Wandel spiegelt. In vorspanischer Zeit ein Frühlingsfest, dessen aus einem Berner Museum nach Bolivien zurückgeholter phallischer „jaki-illa“ Fruchtbarkeit symbolisierte. Nach der spanischen Eroberung im Geheimen verehrt, wird der Ekeko im Jahr 1781 nach Ende der Belagerung von La Paz durch die von Bartolina Sisa und Túpaj Katari angeführten indigenen Heerschaaren ausgerechnet von den Statthaltern des spanischen Königreiches in das öffentliche Leben und die eigene Kultur geholt: Ein kleiner dicker Mann, mit Hemd, breitem Bauchgurt, hohem weißen Kragen, rosafarbenem Gesicht mit kleinem schwarzen Schnurrbart. Wenn schon kein Spanier, zumindest ein Kreole. Und damit ist Alasitas als Fest der Nachfahren der Spanier von La Paz geboren.

Erst Mitte des 20. Jahrhunderts im Vorfeld und nach der nationalen Revolution, die in einer Agrarreform und dem Wahlrecht für die indigene Bevölkerung mündet, wird der Ekeko re-indianisiert und nähert sich wieder seinen bäuerlichen Ursprüngen an. Säcke mit Weizen oder Kartoffeln und Körbe, die andere Früchte enthalten haben mögen. Ende des 20. Jahrhunderts dann die Modernisierung, die ersten Handys und Computer. Während der Wirtschaftskrise der Linksregierung Mitte der 80er Jahre vor allem Brot und Geldscheine mit astronomischen Summen aufgrund der Hyperinflation – mitbefördert durch eine hohe Erwartungshaltung insbesondere der Gewerkschaften nach der Periode der Militärdiktaturen. Doch Präsident Hernan Siles Suazo taugte nicht zum Ekeko.

Nach der neoliberalen Strukturanpassung trägt die Gottheit des Überflusses immer mehr Importwaren, Fertignahrung, Kellogs- oder Nestlé-Produkte, die erst im neuen Jahrtausend mit dem wachsenden ökologischen Bewusstsein und der Renaissance der indigenen Kulturen wieder vermehrt einheimischen Produkten wie der Quinoa Platz machen. Doch die materiellen Güter bleiben.

Auch an der Kleidung des Ekeko spiegelt sich die Zeit. Das Trikot der Fußballnationalmannschaft, als die sich 1994 für die WM in den USA qualifizieren konnte. Wobei die Euphorie jäh gebremst wurde, nachdem der „Teufel“ Etcheverry wenige Minuten nach seiner Einwechslung im Eröffnungsspiel gegen Deutschland schon wieder vom Platz gestellt und die Grünhemden durch ein Tor von Jürgen Klinsmann besiegt wurden. Oder der zum Modeartikel avancierende rot-blau-weiß quergestreifte Pullover, den der zum Präsidenten gewählte Kokabauer Evo Morales bei seiner ersten Auslandsreise trug.

Heute fast vergessen, so wie die damalige Aufbruchstimmung, wäre da nicht das Museum, das in den Siebzigern begann, Artefakte zu Alasitas zu sammeln. Darunter die Zeitungsausgaben, in den Anfängen zum Teil noch handgefertigt, heute in erstaunlicher Vielfalt aus der Rotation. Und nicht nur die Regierung bekommt etwa in der Ausgabe von La Razón ihr Fett weg: Der Vizepräsident, der sich ohne abgeschlossenes Studium als Diplom-Mathematiker ausgegeben hatte, der Finanzminister mit der überteuerten Einrichtung für den Ministeriumsneubau… Der Gobernador von La Paz, der sich mit einem Hungerstreik für eine Dezentralisierung der Steuermittel eingesetzt hatte, bekommt den Titel für den erfolglosesten Protest. Eine Reportage informiert über die CPPOA, die (die päpstliche Kongregation für den Splitter im Auge der Anderen). Eine andere von den Proben Bob Dylans mit der bolivianischen Gruppe „Malas Vibras“, die ihn an der Entgegennahme des Nobelpreises gehindert habe. Und den Bergarbeitern wird statt Dynamit die Nutzung eines „Galaxshi Mote 7“ für ihre Demonstrationen anempfohlen. Wobei davon ausgegangen werden kann, dass dies Gerät dieses Jahr trotzdem keinem Ekeko umgehangen wurde.

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https://blogs.taz.de/latinorama/bolivien-die-gottheit-des-ueberflusses-in-zeiten-des-wassermangels/

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kommentare

  • Der deutsch-peruanische Ethnologe Jürgen Golte sieht in der Alasitas-Tradition eine Art Subtrat eines Aymara-Kapitalismus, der die wirtschaftliche Dynamik z.Bsp. in El Alto oder in Puno erklärt. Eine indigene Parallele zu Max Webers Ethik des Protestantismus, der den Aufschwung der Kapitalismus erlaubte.

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