vonPeter Strack 30.07.2025

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Steinwürfe und Tomaten auf Eduardo de Castillo, den Kandidaten der regierenden Bewegung zum Sozialismus (MAS), in der für Koka, Gold und tropische Produkte bekannten Andenfussregion von La Paz in Caranavi; Prügelszenen von Evo Morales Anhängern gegen die von MAS-Dissident Andrónico Rodriguez und zersplitterte Fensterscheiben des Wahlkampfbüros von Rodriguez  „Volksallianz“ bei dessen Auftritt in der Agroexportregion Yapacaní in Santa Cruz. Um so überraschender, dass ausgerechnet der derzeit laut Befragungen aussichtsreichste Oppositionskandidat Samuel Doria Medina in Villa Tunari, Hochburg von Evo Morales in der Chapare-Region, jüngst unbehelligt einen Wahlkampfauftritt absolvieren konnte. 

Dies geschieht trotz der Drohungen der Anhänger*innen von Evo Morales, dass die für den 17. August geplanten Wahlen nicht stattfinden würden, sollte der Kokabauernführer nicht zur Wahl stehen. Ruth Nina, früher scharfe Kritikerin von Evo Morales („Mörder“, „Diktator“), wollte ihm diesmal jedoch ihre Partei für seine Präsidentschaftskandidatur zur Verfügung stellen. Doch da „Pan Bol“ bei den letzten Wahlen zu wenig Stimmen bekommen hatte, wurde ihr vom Wahlgericht die Zulassung entzogen.

Drohungen, die Wahlen zu verhindern

So kündigte Nina auf einer Veranstaltung von Evo Morales im Chapare an, wenn er nicht kandidieren dürfe, seien sie bereit, ihr Leben zu opfern und würden Regierung und Wahlbehörde am 17. August Tote statt Stimmen zählen. Diese „Wahrnehmung ihres Rechts auf Meinungsfreiheit“, wie sie betont, brachte der streitbaren Juristin eine staatsanwaltschaftliche Untersuchung wegen Anstiftung zu Straftaten und Behinderung des Wahlprozesses sowie eine zumindest vorläufige Untersuchungshaft ein. Die Äußerung selbst sei keine strafbare Drohung, bekräftigte nun ihr Anwalt, der von politischer Verfolgung seiner Mandantin spricht, sondern nur das, was die sozialen Medien anschließend daraus gemacht hätten. Bezeichnend, dass nur gegen Nina ein Verfahren eröffnet wurde, nicht gegen Männer, Evo Morales eingeschlossen, die ähnliche Drohungen ausgesprochen haben.

Quechua-Musiker spielen Flöten zur Unterstützung des ehemaligen Präsidenten Morales während eines Marsches zu den Büros des Wahltribunals, Foto: picture-alliance-AP-Juan-Karita, dpa-Bildfunk

Zwischen Wahlboykott und Verhandlungen im Hintergrund

Nicht nur Nina, auch der Rechtspopulist Jhonny Fernández hatte Morales seine Liste „Die Kraft des Volkes“ (Fuerza del Pueblo) für Kandidat*innen von Evo Morales neu gegründeter aber noch nicht als Partei registrierter Organisation „Evo Pueblo“ angeboten. Damit sollte das eigene Stimmenpotential so hochkatapultiert werden, dass auch eine Präsidentschaft in erreichbare Nähe rücken könnte. Die Möglichkeit steht noch offen. Aus strategischen Gründen will Fernández jedoch erst kurz vor dem Wahltermin seine Kandidatin oder seinen Kandidaten für die Vizepräsidentschaft bekannt geben. Dann werde alles auf den Kopf gestellt, verspricht der jetzige Bürgermeister von Santa Cruz, der derzeit in seiner eigenen Region gerade mal an siebter Stelle der Wählerpräferenz liegt.

Ein Bündnis mit Morales mag bislang daran gescheitert sein, dass der die Präsidentschaft beansprucht und nicht nur die Vizepräsidentschaft, einen Senatoren- oder Abgeordnetenposten. Doch eine Präsidentschaftskandidatur hatte das Verfassungsgericht mit einer juristisch wenig fundierten Interpretation ausgeschlossen. Morales Anwälte verweisen darauf, dass die Verfassung eine diskontinuierliche erneute Kandidatur zulassen würde. Doch so wie die Mehrheit der Richter, die sich selbst ihre Amtszeit verlängert haben, 2019 widerrechtlich die Kandidatur des damaligen Präsidenten als zulässig erklärt haben, so folgten sie diesmal dem Wunsch des aktuellen Präsidenten, Morales Kandidatur zu untersagen. Die Klage der „Evistas“, Opfer einer politischen Instrumentalisierung der Justiz zu sein, hat jedoch einen schalen Beigeschmack. Hat Morales selbst die Justiz doch immer wieder für die eigenen Zwecke instrumentalisiert. Auch gibt es genügend Straftatbestände, die mutmaßlich von Evo Morales im Amt und auch als Privatmann begangen wurden. Sie haben ihm nicht nur Sympathien gekostet: Bei einer Verurteilung würden sie seine Kandidatur auch rechtlich verhindern.

Recht- und Straflosigkeit

Doch der Volkstribun entzieht sich seit Jahren der Strafverfolgung. Lange konnte er dabei auf die Unterstützung von Präsident Arce zählen. Der weigert sich bis heute, entsprechende Strafverfolgungsaufforderungen der Interamerikanischen Menschenrechtskommission auf den Weg zu bringen. So dass die außergerichtlichen Erschießungen im Hotel Las Américas jetzt beim Interamerikanischen Menschenrechtsgerichtshof anhängig sind. Seit dem Bruch zwischen Morales und Arce verhindern auch Hundertschaften Bewaffneter Kokabauern und anderer Anhänger in Morales Rückzugsgebiet im Chapare die Umsetzung diverser Vorladungen zum Gericht. Die Regierung duldet die Straflosigkeit mit dem Argument, man wolle Blutvergießen vermeiden. Tatsächlich sind inzwischen auch alle Fristen verstrichen, um Morales in diesem Jahr eine Präsidentschaftskandidatur zu ermöglichen, selbst wenn das Verfassungsgericht sich wieder einmal anders besinnen würde.

Graffiti auf Umleitungsschild nahe Samaipata: Nicht nur wegen der zahlreichen Straßenblockaden ist das Ansehen von Evo Morales gesunken, Foto: Jonathan Krämer

Evo Morales ist auch nicht der Einzige, dem mit formaljuristischen Argumenten eine Kandidatur verweigert wird.  Ein anderer ist der Ökonom und Börsenhändler Jaime Dunn. Dem wirtschaftsliberalen Outsider fehlte zunächst eine amtliche Bestätigung, keine Schulden gegenüber dem Staat zu haben. Es ging um Vorgänge von vor über zwei Jahrzehnten. Als sie dann nach Überwindung zahlreicher bürokratischer Hürden schließlich vorlag, war laut Wahlbehörde die Frist verstrichen. Die in ihrer Heimat Tarija populäre Aktivistin und derzeitige Abgeordnete Luciana Campero hatte eine benötigte eidesstaatliche Erklärung sogar rechtzeitig bereit, um für einen Senatorenposten zu kandidieren. Doch entweder hat der Partei-Delegierte von „Libre“ bei der Einreichung geschludert, oder – wie sie selbst vermutet – ein Mitarbeiter der Wahlbehörde die Finger im Spiel gehabt, gegen den sie einst ein Korruptionsverfahren initiiert hat. Jedenfalls war die Erklärung am Ende in ihrer Akte nicht enthalten, wie die Wahlbehörde beteuert, um ihren Ausschluss von der Wahl zu begründen.

Wohin wendet sich Evo Morales Basis?

Während Campero einen Senatssitz ziemlich sicher gehabt hätte, ist bei den Präsidentschaftsaspiranten Dunn und Morales fraglich, ob sie bei einer Kandidatur wirklich eine Stimmenzahl hätten erreichen können, die sie in den Regierungspalast geführt hätte. Dunn ist zwar populär in den sozialen Netzwerken und gilt als unverbraucht. Doch die Nueva Generación Patriótica (Neue Patriotische Generation), bei der er nach diversen gescheiterten Versuchen mit anderen Parteien gelandet ist, hat keine solide Struktur. Die würde jedoch für einen Wahlkampf und später eine Regierung benötigt. Evo Morales behauptet seinerseits, 3,6 Millionen Wählerinnen und Wählern, also etwas weniger als der Hälfte der Wahlberechtigten werde das Recht verwehrt, ihn, ihren Wunschkandidaten zu wählen. Das ist entweder Demagogie oder Wunschdenken. Denn jenseits seiner treuen Anhängerschaft erfährt kein anderer Politiker in Umfragen eine derart hohe Ablehnung. Und der Versuch, die Verantwortung für die aktuellen wirtschaftlichen Schwierigkeiten allein dem derzeitigen Präsidenten Arce zuzuschreiben, verfängt nicht so sehr. Schließlich war Arce viele Jahre Wirtschaftsminister unter Morales und das Wirtschaftsmodell der MAS hat sich seitdem nicht geändert. Wohl aber haben sich nach dem Ende des Erdgaspreisbooms die Umstände geändert: Auf einer Wandzeitung am Markt des Mittelschichtsviertels Miraflores in La Paz steht neben den Fotos von Morales und Arce: „Bei Beschwerden über die Preise wenden sie sich an diese beiden Persönlichkeiten“. Innerhalb der ersten sechs Monate 2025 betrug die offizielle Inflationsrate 15,5 Prozent, im Jahresvergleich 24 Prozent.

„Bei Beschwerden über die Preise wenden Sie sich an diese beide Persönlichkeiten“, Marktstand in Miraflores, Foto: P. Strack

Wahlumfragen deuten einen Rechtsruck an

Auch die letzten Wahlumfragen von Mitte Juli nähren die Zweifel. Zwar ist der Anteil der Unentschlossenen mit 11,3 Prozent, sowie derer die ungültig wählen (12,5 Prozent) oder einen leeren Stimmzettel (8,2 Prozent) abgeben wollen mit zusammen knapp einem Drittel der Stimmen sogar noch höher als im Mai. Doch diese Unzufriedenheit bedeutet nicht, dass alle sich entweder Evo Morales oder auf der anderen Seite des politischen Spektrums Jaime Dunn als Präsidenten gewünscht hätten.

An der Spitze der Wahlintention lagen dagegen weiterhin der Mitte-Rechts-Kandidat Samuel Doria Medina, sowie der wirtschaftsliberale Ex-Präsident Jorge Tuto Quiroga mit laut Umfrage des TV-Senders UNITEL bescheidenen 18,7 Prozent bzw. 18,1 Prozent. Bei beiden liegen die Anteile niedriger als noch im im Mai. In der Wähler*innengunst noch weiter zurückgefallen ist aber der MAS-Dissident Andrónico Rodríguez von der „Volksallianz“ mit 11,8 Prozent gegenüber 14,2 Prozent im Mai, gefolgt vom Rechtspopulisten Manfred Reyes Villa (8,2 Prozent). Nahe oder sogar unter der Drei-Prozent-Grenze liegen die Christdemokraten von Rodrigo Paz Pereira mit 3,2 Prozent, der Rechtspopulist Jhonny Fernandez (2,5 Prozent), Jaime Dunns Neue Patriotische Generation (2,4 Prozent), Eduardo del Castillo von der regierenden MAS (2,2 Prozent) sowie die MAS-Dissidentin und Bürgermeisterin von El Alto Eva Copa mit 0,6 Prozent der Wahlintention. Zwar erhöhen sich die Prozentzahlen, wenn die weißen Stimmzettel und ungültigen Stimmen herausgerechnet werden, doch wer dennoch unter der Drei-Prozent-Marke bleibt, dem droht die Aberkennung des Parteistatus.

Das Hoffen auf die Unentschlossenen

Angesichts solch magerer Zahlen rief Präsident Luis Arce Catacora jüngst zu einem Treffen auf, um die diversen Fraktionen der früheren MAS wieder zusammen zu führen. Niemand kam. Evo Morales kanzelte die Einladung als einen verzweifelten Hilferuf an ihn selbst ab. Und Felix Patzi von der „Volksallianz“ sieht keine Notwendigkeit: Die Anhänger*innen von Morales, die bislang noch davon ausgingen, ungültig oder leere Stimmzettel abzugeben, würden am Ende notgedrungen für Andrónico Rodríguez stimmen, ist Patzi überzeugt. Denn die Oppositionskandidaten Doria Medina und Tuto Quiroga hätten ihr Potential bereits ausgeschöpft. Und so erwartet Parteichef Patzi, dass Rodríguez damit an die Spitze gebracht wird. Würde er laut dieser Rechnung sogar die 40 Prozent Marke erreichen, könnte er bereits im ersten Wahlgang zum neuen Staatschef gewählt werden, wenn der nächstfolgende Kandidat der gespaltenen Opposition weiter als 10% zurück liegt.

Doch die heftigen Angriffe von Morales gegen seinen langjährigen Kampfgefährten Rodríguez und widersprüchliche Aussagen lassen bezweifeln, dass sich Morales Anhänger alle der „Volksallianz“ zuwenden. Zumal Morales einige seiner Kandidat*innen bereits jetzt auf anderen Listen wie MORENA von Eva Copa platziert hat. Er proklamiert Boykott, bringt aber gleichzeitig eigene Leute auf den Wahllisten unter. „Das Kollektiv von Evo benötigt politische Kanäle“, begründete dies Vizepräsidentschaftskandidat Jorge Richter von MORENA gegenüber de online Zeitung Brújula digital, „die kann man ihnen nicht verbieten. Denn sonst würden nur die Polarisierung und der Konflikt verstärkt.“ Am 28. Juli kündigte Eva Copa allerdings an, sich aus dem Wahlprozess ganz zurückzuziehen. Die Entscheidung wurde zwei Tage später nach internen Diskussionen bestätigt. Damit ist die letzte weibliche Präsidentschaftskandidatin aus dem Rennen ausgeschieden und bliebe Evo Morales noch die Liste von Jhonny Fernández „Kraft des Volkes“.

Denn mit Rodriguez „Volksallianz“ scheinen die Gräben noch größer: Der Kokabauernsohn Andrónico Rodriguez hatte ohne Umschweife zugegeben, dass es im Chapare Drogenhandel gibt. Auch hatte er den inhaftierten Gouverneur von Santa Cruz als politischen Gefangenen bezeichnet, obwohl er sich tagsdrauf korrigierte: Er habe gemeint er sei ein inhaftierter Politiker, der sich Straftaten zu schulden kommen haben lasse. Auf bohrende Nachfragen der Presse, ob er die Haftbefehle gegen Evo Morales umsetzen werde, hatte er geantwortet, das sei allein Aufgabe der Gerichte und Polizei, und alle seien den Gesetzen unterworfen. Doch Vizepräsidentschaftskandidatin Mariana Prado bestand in einem Interview darauf, dass ihre Bedingung für eine Kandidatur gewesen sei, nichts gegen Evo Morales zu unternehmen. Ohne Evo vielleicht, aber nichts gegen ihn, so die ehemalige Planungsministerin von Morales. Gleichzeitig ist Prado, die auch als Kabinettschefin von Vizepräsident Alvaro Gacía Linera gedient hat, für die traditionelle indigene Basis der MAS eher fremd. Verschiedene kleinbäuerliche und indigene Organisationen, aber auch die Bergbaukooperativen, die zunächst ihre Unterstützung für Rodríguez ausgesprochen hatten, stellen diese nun wegen der Nominierung von Prado, der einzigen verbliebenen weiblichen Vizepräsidentschaftskandidatin, wieder in Frage.

24 Stunden für die Registrierung einer neuen Firma, Präsidentschaftskandidat del Castillo verspricht auf dem Großplakat Bürokratieabbau, Foto: P. Strack

Das Glaubwürdigkeitsproblem der MAS-Fraktionen

Ob das die ungültigen Stimmen und Wahlenthaltung verstärkt oder vielleicht dem offiziellen Kandidaten der Regierungspartei dazu verhilft, deutlich über die 3 Prozent zu kommen, werden die nächsten Umfragen und wird schließlich der Wahlabend zeigen. Zumal MAS-Kandidat Eduardo del Castillo bei den derzeit zahlreichen Interviews und Wahldebatten ausgesprochen beredt, informiert und mit vielen konkreten Lösungsvorschlägen aufwartet. Währenddessen Andrónico Rodríguez von der Volksallianz mit dem Anspruch des politischen Brückenbauers auf die kritischen Fragen zumeist antwortet, dies werde im Gespräch mit den Betroffenen zu klären sein. Doch beide haben ein Glaubwürdigkeitsproblem. Ihre Vorschläge unterscheiden sich eher graduell als grundsätzlich von denen der Oppositionskandidaten: Mehr Rechtsstaatlichkeit, Sparmaßnahmen beim aufgeblähten Regierungsapparat, Digitalisierung des Staatsapparates, gradueller Abbau der Treibstoffsubventionen und ihr gezielterer Einsatz, Beibehaltung der staatlichen Transferzahlungen, Senkung der Steuern und ein Nachgeben gegenüber den Forderungen der Agroexportindustrie, um Devisen zu beschaffen. Angesichts der drängenden wirtschaftlichen Probleme fragen manche, warum sie diese Versprechen nicht jetzt schon umsetzen, wo die MAS an der Regierung ist und auch Andrónico Rodríguez als Senatspräsident sich an den Schalthebeln der Macht befindet. Umgekehrt ist offen, ob die wirtschaftlichen Sanierungsvorschläge der derzeitigen Oppositionsparteien tatsächlich sozial so abgefedert ausfallen würden, wie im Wahlkampf versprochen.

Machtwechsel – oder fühlen sich die Oppositionskandidaten zu sicher?

So ist es durchaus möglich, dass sich die Anhängerschaft von Morales, sei es durch einen Pakt, sei es durch individuelles Stimmverhalten nicht der MAS oder deren Abspaltungen zuwendet, sondern den Rechtspopulisten wie dem Bürgermeister von Cochabamba Manfred Reyes Villa oder dem von Santa Cruz Jhonny Fernández, der die Möglichkeit einer Allianz offen gelassen hat. Damit könnten die aktuellen Zahlen teilweise, aber entscheidend auf den Kopf gestellt werden. Umfrageergebnisse zu möglichen Zweitoptionen der Wahlentscheidung zeigen aber auch, dass die Grenzen der bisherigen MAS-Anhängerschaft zu den derzeitigen Oppositionsvertretern keineswegs geschlossen und Wählerwanderungen auch in diese Richtung möglich sind. Zwar geriert sich Samuel Doria Medina vor allem als erfolgreicher Unternehmer, doch für Kleinhändler*innen, Handwerk oder Mitarbeitende aus dem Transportsektor könnten ihre derzeitigen massiven wirtschaftlichen Probleme ein Motiv sein, das die bisherige – vor allem ethnisch-soziale – Identifikation mit dem populären Sektor überwiegt. Und das könnte insbesondere bei der  wahrscheinlichen Stichwahl entscheidend sein.

„Eine harte Hand gegen Blockierer und Landbesetzer“, Wahlplakat von Samuel Doria Medina in Santa Cruz, Foto: Jonathan Krämer

2019 hatte die Regierung von Evo Morales durch gezielte Manipulationen der Ergebnisse eine Stichwahl verhindern lassen, bei der der Oppositionskandidat gute Chancen gehabt hätte, die Mehrheit der Stimmen auf sich zu vereinen. Wie anfällig die Institutionen heute sind und wie wahrscheinlich einigermaßen faire Wahlen sind, wird sich zeigen müssen. Oder ob Skeptiker Recht behalten, dass ähnlich wie in Venezuela die tatsächlichen Ergebnisse der Wahlen auch in Bolivien irrelevant sein werden, weil Regierung und von ihr abhängige Gerichte ihre „Ergebnisse“ willkürlich festsetzen. Über die Voraussetzungen dafür wird es im nächsten Beitrag zur Wahl in Bolivien auf Latinorama gehen.

Nachtrag: Zwischen dem 25. und 27. Juli führte Ipsos Mori im Auftrag des TV-Senders UNITEL einen weitere Wahlumfrage durch, bei der Jaime Dunns NGP nicht mehr abgefragt wurde. Die Ergebnisse bestätigen die bisherige Tendenz: Samuel Doria Medina und Jorge Tuto Quiroga konnten mit 21,5 Prozent, bzw. 19,6 Prozent wieder leicht zulegen. Manfred Reyes Villa bleibt mit 8,3 Prozent stabil, steht aber jetzt an dritter Stelle. Denn Andrónico Rodríguez‘ Volksallianz sinkt weiter ab auf jetzt nur noch 6,1 Prozent, während Rodrigo Paz Pereira leicht auf 4,3 Prozent zulegt. 12,4 Prozent sind noch unentschlossen, 13,6 Prozent wollen ungültig stimmen, 8,1 Prozent einen unausgefüllten Stimmzettel abgeben. 

Ergebnisse der dritten Umfrage des TV-Senders UNITEL, Foto: UNITEL

 

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