Der Bürgermeister von Bogotá ist eigentlich der zweitstärkste Mann im Lande. Doch seit Anfang der Woche ist Gustavo Petro außer Dienst. Gegen den linken Politiker, der so einiges in Bogotá anders machen wollte, hat sich die Rechte in Stellung gebracht. Prokurator Alejandro Ordóñez hat ihn des Amtes enthoben – zu Recht oder zu Unrecht, daran scheiden sich in Bogotá die Geister.
.Recicladores heißen die Menschen in Bogotá, die von der Trennung des Abfalls leben und Flaschen, Pappe, Blech und vieles andere aus dem Hausmüll der Neun-Millionen-Metropole fischen. Abertausende leben in Kolumbiens Hauptstadt vom Müll, und denen wollte Gustavo Petro einen größeren Teil vom Kuchen, den städtischen Abfall- und Entsorgungskosten, zuschieben. Keine schlechte Idee, so urteilen die Frauen vom Patio Bonito. Das Stadtviertel, zu deutsch Schöner Hof, befindet sich im Niemandsland zwischen den nicht sonderlich gut beleumundeten Distrikten von Ciudad Bolívar und Kennedy und hier sind viele derjenigen Zuhause, die ihren Lebensunterhalt mit der Suche nach Verwertbarem in der größten Metropole Kolumbiens verbringen. Nur einen Steinwurf vom Gemeindezentrum, das von Frauen eigenhändig gebaut wurde, befinden sich zahlreiche Bodegas, wo Plastikflaschen, Glas, Pappe und Co. angenommen und – weitaus wichtiger – auch bezahlt werden.
Bei ihnen, den Recicladores, kam die Reform der städtischen Abfallbeseitigung, die im November 2012 bereits beschlossen, in ganz Bogotá diskutiert und ein paar Wochen später in die Tat umgesetzt wurde, gut an. Auf neue Perspektiven freuten sich viele der Recicladores aus Patio Bonito und als die Umstellung dann kam, ging es zwar ein paar Tage recht chaotisch zu und nicht überall wurde wie gewünscht der Müll komplett abgefahren, aber das war eher ein Übergangsproblem. Das gab Gustavo Petro auch zu: Man habe nicht rechtzeitig die volle Kapazität erreicht mit dem neuen System. Grundsätzlich sei es aber richtig, tausende von größtenteils obdachlosen Müllsammlern als selbständige Unternehmer in das Recycling-System einzubinden.
Doch ein Jahr, nachdem sich neun tausend Tonnen Müll in den Straßen von Bogotá getürmt hatten, erhält der Bürgermeister nun die Quittung für seine „kriminelle Fahrlässigkeit“ wie Alejandro Ordóñez urteilt. Der Ombudsmann im Range eines Staatsanwalts ist bekannt für seine Amtsenthebungsverfahren und so eines hat der erzkonservative Politiker, der gut befreundet mit Ex-Präsident Álvaro Uribe Vélez ist, eben auch gegen Gustavo Petro durchgesetzt. Gegen die von Petro als „Staatsstreich“ deklarierte Amtsenthebung, die mit einem 15-jährigen Verbot ein öffentliches Amt zu bekleiden, garniert ist, haben am Wochenende 10.000 Menschen in Bogotá demonstriert.
Ein Sternmarsch endete auf der Plaza de Bolívar vor dem Rathaus. Petro tut die Solidarität sichtlich gut und er sucht national und international Untersützung im Kampf gegen seine Absetzung. «Ich bitte die Welt um Solidarität. Wir erleben gerade einen Staatsstreich gegen die progressive Regierung von Bogotá“, so twitterte der linke Politiker. Der gehört zu den bekannten Politikern der recht zerstrittenen Linken in Kolumbien und war im Oktober 2011 mit rund 32 Prozent der Stimmen ins Bürgermeisteramt der Hauptstadt gewählt worden. Damals kündigte er an, gegen die Mafia und die soziale Ungleichheit in der Stadt vorzugehen. Ein wesentlicher Grund, weshalb er recht großen Rückhalt bei den kleinen Leuten genießt, auch wenn es immer wieder Klagen über sein Manangement gab. Seine sinkende Popularität hat durch die Amtsenthebung neuen Schub erhalten, so dass die umstrittene Amtsführung derzeit kein Thema mehr ist, sondern die Maßlosigkeit der Procuraduría.
Die Institution hat eigentlich die Aufgabe, die Politik zu kontrollieren und der Bevölkerung zu ihrem Recht zu verhelfen, die Korruption beispielsweise einzudämmen. Deren Leiter, Alejendro Ordóñez ist religiös und reaktionär, er wettert gegen die Homoehe, Abtreibung und auch gegen die Friedensgespräche mit der Farc-Guerilla. Gegen Dutzende von Bürgermeistern hat er Amtsenthebungsverfahren angestrengt, neun Gouverneure mit disziplinarischen Maßnahmen bedacht und schon Petros Vorgänger im Rathaus sitzt wegen Korruption im Gefängnis. Ob sich nun Präsident Juan Manuel Santos einmischen wird, ist wahrscheinlich, auch wenn er die Entscheidung der Institution und seines obersten Repräsentanten grundsätzlich respektiert.
Wie es weiter geht in der politischen Posse um den Müll, den Bürgermeister und Alejandro Ordóñez, wird sich in den nächsten Tagen zeigen. Dann will der Präsident mit dem Bürgermeister und dem Prokurator des Landes sprechen. Das heißt aber noch lange nicht, dass es eine schnelle Lösung geben wird. Für die Recicladores in Bogotá wird sich aber vorerst nichts ändern, und das ist durchaus eine positive Nachricht.
So einen Procurador bräuchten wir in Deutschland und der EU auch, der sich die ganzen Nullinger in Politik und Verwaltung mal vornimmt.